Aufruf: The only PIIG’S the System! Organisiert den Vaterlandsverrat!

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Am 3. Oktober ist es wieder soweit. Während mittlerweile auch in Europa verschiedene Formen der sozialen Auseinandersetzungen als Antwort auf die kapitalistische Reorganisierung stattfinden, zelebriert die BRD in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn die Feier der deutschen Nation.  Unter dem Motto „Freiheit.Einheit.Freude – Bewegt mehr.“ feiert sich der stolze Krisengewinner  und die „Vorzeigenation“ Europas ein ganzes Wochenende auf sämtlichen Fest- und Parademeilen selbst. Ein idealer Anlass zur antinationalen Intervention: Denn was gibt es an einem 3. Oktober besseres zu tun, als die Deutschland-Party zu stören?

Die Einheitsfeier ändert zwar nichts an der alltäglichen Ohnmacht in den Mühlen von Staat und Kapital, jedoch ist die Identifikation mit dem nationalen „Wir“ ein ideologischer Fluchtreflex vor dem Druck kapitalistischer Konkurrenz und Vereinzelung – zugleich aber ihr bestes Schmiermittel. Die umjubelte „Freiheit“ ist nichts anderes als ein gesellschaftliches Zwangsverhältnis, das die Menschen als Privateigentümer in permanente gesellschaftliche Konkurrenz zueinander versetzt. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Krisen geht die Allgegenwärtigkeit der ökonomischen Bedrohungslage des Einzelnen mit der Erfahrung einher, dass die jeweiligen Verwertungschancen  von den nationalen Reichtumsproduktionen abhängig sind. Im Moment der Krise rücken  Bevölkerung und Staat zur realen national-ökonomischen Gemeinschaft in der Weltmarktkonkurrenz zusammen. Der stinknormale Nullachtfünfzehn-Nationalismus, die Gewissheit und das Gefühl einer nationalen Zusammengehörigkeit, erlebt in den Erfahrungen der wiederkehrenden Krisentendenzen neue Bedeutung. Sie sind Ausdruck der realen Abhängigkeit des Individuums vom ökonomischen Schicksal „seines“ Staates.

Den deutschen Bienen scheint es aufgrund der ökonomischen Stellung ihres Standortes logisch, dass Aufstand oder Empörung über die miesen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Situation „unangemessen“ ist. Zum Wohle des Standorts lautet das ideologische Motto: Floriert erst das nationale Kapital, geht es uns nicht schlecht oder zumindest immer noch besser als den Anderen. Die sozialen Revolten in Europa dienen den deutschen Standortameisen nicht als Beleg für die Schadhaftigkeit der herrschenden Wirtschaftsordnung. Stattdessen erscheinen Aufstände im Umkehrschluss als Beweis für die Stimmigkeit der eigenen Nationalreligion, bestehend aus Leistung und stoischem Verzicht. Diese Askese für den Standort wird in Krisenzeiten sodann gleich zum Exportschlager und zum ethischen Leitbild für Europa.

Sirtaki und der große Krisenschlager

Die Staatspleiten der sogenannten „Schweineländer“ der europäischen Peripherie (PIIGS-States) verschaffen den Deutschen zudem einen zusätzlichen ideellen Krisengewinn. Sie scheinen zu belegen, dass die Verzichtspraxis der letzten Jahrzehnte sich bewährt und auszahlt. Die eigene Opferbereitschaft für den Standort schlägt gegenüber den PIIGS in Bestrafungsphantasien um. Sozialchauvinistische Hetze steht auf der Tagesordnung: den „Pleitegriechen“ und „faulen Südländern“ werden soziale Einschnitte an den Hals gewünscht. Die Nicht-Leistung der Überflüssig-Gemachten erscheint als „Faulheit“ und damit als Erpressung an der europäischen Gemeinschaft. Wer sich nicht in die Leistungsmaschinerie einfügt, gilt als „dekadent“. Im medialen Diskurs wird die Europäische Union als eine schicksalhaft zusammengeschweißte Gemeinschaft verklärt; dies geschieht vor dem Hintergrund einer ökonomischen und politischen Abhängigkeit der einzelnen Nationalstaaten untereinander. Zum Zwecke der Geldvermehrung tendiert die öffentliche Krisendebatte zum vollendeten Opportunismus der herrschenden Verhältnisse, zum Sozialchauvinismus erster Güte. An diese Form der ideologischen Krisenverarbeitung setzt der Rassismus á la „Pleitegriechen“ und „faule Südländer“ problemlos an. Die Finanzierungsschwierigkeit der Staatsgewalten in Europa gilt als Beweis für die nationalen Charakterzüge einer Dekadenz und Arbeitsunwilligkeit. Die „Freude“ über die elendigen Verhältnisse in der BRD geht einher mit der rassistischen Forderung, dass den „südlichen Völkern“ die Verhältnisse verpasst werden, die zu ihren defizitär ausgemachten Charakterzügen passt.

Durch die Entfaltung der Staatsschuldenkrise in Europa treten die ökonomischen Ungleichgewichte im Euroraum in den Vordergrund. Das Projekt EU war stets mit dem Anspruch verbunden, der „dynamischsten Wettbewerbsraum“ der Welt zu werden. In der Krise steht die Währungs- und Wettbewerbsunion scheinbar vor ihrem Scheitern. Die innereuropäische Konkurrenz um Wachstumsanteile funktionierte für die Exportökonomie der BRD so gut, dass die europäischen Peripheriestaaten in den Bankrott getrieben wurden.

Als größte Wirtschaft Europas und „Exportweltmeister der Herzen“ hat der deutsche Staat ein besonderes Interesse an der ökonomischen Integration der EU. Seine hervorgehobene Stellung im politischen Geschäft Europas verdankt er sich insbesondere seinem ökonomischen Gewicht. Zugleich galt für die „Führungsmächte“ in Europa (Deutschland, Frankreich) die europäische Integration gerade nur unter dem Vorbehalt der Sicherung und Ausweitung ihrer eigenen ökonomischen Vormachtstellung. Dieser Hackordnung unterwarfen sich die anderen EU-Länder jedoch gerne; durch Marktöffnung und die Nutzung des Gemeinschaftsgeldes Euro, womit sie für niedrige Zinsen Schulden aufnehmen konnten, wollten sie ihren eigenen Standort fürs Weltmarktgeschäft tauglich machen.

Die europäische Union als transnationaler Standort setzte auf die Forcierung der innereuropäischen Konkurrenz, sodass die jeweiligen Staaten die Förderung ihrer Wettbewerbsfähigkeit als selbstständiges Anliegen ihrer Politik entwickeln. Rhetorisch fand diese Übereinkunft aller EU-Staaten lange vor den Schmähungen der „Pleitegriechen“ seinen Niederschlag in der jährlichen Vergabe von Titeln wie „Wachstums-Lokomotive“ oder „Europas rote Laterne“. Jeder Aufbau einer Nation als Standort bedeutet Konkurrenz. In dieser Konkurrenz versucht jede Nation vom Wachstum der anderen Nationen zu profitieren, jedoch geht ihr Profit ebenfalls auf Kosten der anderen Nationen. Im nationalen Verzicht auf eine eigene Währung bestand zudem die Möglichkeit, das Gemeinschaftsgeld für seinen nationalen Wachstumserfolg in Anspruch zu nehmen. Doch durch die Freiheit der Haushalte konnte sich jeder Staat in einem gemeinsamen Geld verschulden und damit den anderen Euro-Staaten die Freiheit ihrer Verschuldung begrenzen. Dieser Widerspruch tritt als Staatsschuldenkrise in Erscheinung, Kern dieses Widerspruches bleibt Europa als Wettbewerbsgemeinschaft und das zu ihr gehörige Projekt des Euros. In der Krise bewegt sich die innere Einheit Europas stets in den scheinbar äußeren Gegensätzen von nationaler Vorteilsuche der jeweiligen Staaten und dem Gemeinschaftsprojekt aller EU-Staaten, „Europa“ als Weltmacht auf die Bühne der Geschichte zu heben und den Euro, als wirkendes und geltendes globales Geschäftsmittel (Weltgeld) neben den Dollar zu installieren.

Kommunismus statt EU!

Die in der Staatsschuldenkrise gespannten „Milliardenschrime“ werden als selbstlose Rettungsaktion verkauft. Jedoch basieren die ergriffenen Maßnahmen keineswegs auf etwas wie einer Solidargemeinschaft. Durch die staatliche Neujustierung sollen die europäischen Weltmachtambitionen verteidigt werden.

Die „Rettungspakte“ werden daher auch nur im Tausch gegen die finanzpolitische Souveränität über die Haushalte einzelnen Staaten gewährt. Mit der Begründung, es gelte verantwortungslose „Schuldenmacherei“ zu unterbinden, wird den zahlungsunfähigen Ländern von der Europäischen Zentralbank (EZB) in Kooperation mit der Brüsseler Kommission und dem Internationalen Währungsfond (IWF) – zusammen „Troika“ genannt – der Haushalt geführt. Jedes in finanzielle Nöte geratene Land hat von diesem Maßstab aus neuerdings kein unmittelbares Anrecht mehr auf die Nutzung des Geldes als Kreditmittel zur Wirtschaftsförderung. Die von der „Troika“ verordneten „Austeritäts-Programme“ dienen offiziell dem Ziel, den strauchelnden Ländern „Anpassungen“ zur Wiederherstellung ihrer Konkurrenzfähigkeit abzuverlangen. Tatsächlich aber verordnet die europäische Haushalts-Aufsicht ein nationales Schrumpfen, das der Entwertung des gesamten Inventars dieser Nationen so nahe kommt, wie sie ein offizieller Staatsbankrott erzwungen hätte. Der Charakter dieser Krisenlösung ist die politische Festschreibung der ökonomischen Hierarchie innerhalb der Währungsunion. Die „Rettung des Euros“ buchstabiert sich als europäische Pflicht – als Gemeinschaftsprojekt, dass die Lohnabhängigen durch die Entwertung ihrer Arbeits- und Lebensverhältnisse zu leisten haben.

Das absehbare Ergebnis der Neuordnung des europäischen Herrschaftsregimentes ist die politisch kalkulierte Verelendung breiter Teile der Bevölkerungen und die Festschreibung der Vormachtstellung der BRD in „Deutsch-Europa“. Dass bei diesem Programm die ideelle Feindschaft zwischen den Sieger- und Verlierernationen dieser Ordnung gehegt und gepflegt wird, versteht sich von selbst.

Antinationalismus muss praktisch werden!

Dieser radikalen Reorganisation der kapitalistischen Verwertung in den europäischen Ländern begegnen diverse soziale Kämpfe, die sich der neuen europäischen Rechnungsweise nicht unterwerfen wollen. Der Kampf gegen die Entwertung der Lebensordnungen gerät in Widerspruch zum herrschenden Zwang der politisch verordneten „Schuldenbremse“.

In Griechenland spitzen sich die sozialen Konflikte seit Längerem zu, sozialer Frieden ist für den Moment vergessen. Bereits seit der Dezember-Revolte 2008 stellen größere, radikale Zusammenhänge den griechischen Staat des Kapitals in Frage. Zugleich ist neben den routinierten Generalstreiks der Gewerkschaften anlässlich der EU-Spardiktate im Sommer 2011 eine bürgerliche „Empörten-Bewegung“ entstanden. Innerhalb dieser verschiedenen Bewegungen wird die soziale Krise als von „Außen“ aufgedrückt verstanden; nicht selten erscheint die Dominante Europas, die BRD, als Ausgemach des Bösen. Hierdurch übernehmen die Protestierenden die Perspektive des griechischen Staates in seiner problematischen Abhängigkeit vom Diktat der Troika als ihre zentrale Angelegenheit. In solchen Vorstellungswelten erscheint Griechenland als eine „unterdrückte Nation“, und nicht als der bürgerliche Staat in seiner Funktion des Standortmanagers für das heimische wie internationale Kapital. Staats-Imperative, wie z.B. Wachstum und Konjunktur, werden von der Protestwelle übernommen, statt deren herrschaftlichen Charakter der Kritik zu unterziehen. Eine kommunistische Agitation klagt dagegen den Irrsinn des großen Ganzen an und verlangt dessen Niedergang.

Auf den Protestcamps in Spanien spukt ein ähnlicher „Empörungs“-Geist wie in Athen. Die Klage über eine „undemokratischer“ Politik nimmt die angeblich alternativlose Durchsetzung europäischer Krisenpolitik ins Visier, der mit der Forderung nach „echter Demokratie“ und „Freiheit“ begegnet wird. Doch die Hochhaltung dieser Ideale vermag keine passende Antwort auf die europaweiten, sozialen Einschnitte zu geben. Schließlich sind es diese Ideale der bürgerlichen Ordnung selbst, die in der Krise zum Vorschein kommen. Die utopische Sehnsucht, die bürgerlichen Ideale aufzufrischen und die Nation zum Besseren zu ändern, verbleibt nur in Perspektivlosigkeit und Entmachtung. Stattdessen setzt ein antinationaler Ansatz auf die Negation bürgerlich-kapitalistischer Ordnung.

Die Riots der Vororte in England verkörpern eine andere Form von Krisenverarbeitung. Anstatt einer Verherrlichung der Ideale der bürgerlichen Ordnung vollzog sich eine Organisierung der Überflüssig-Gemachten als Bande im Aufstand. Die Reproduktionskrise der in die Elendsquartiere Verbannten fand seine absehbare Antwort im Raub und der Plünderung, im Angriff auf die Institutionen des Rassismus und Sozialchauvinismus sowie in blinder Zerstörungswut. Der britische Staat reagierte mit dem juristischen Ausnahmezustand, der unter dem Stichwort „Law and Order“ nur noch die Frage der Kapazitäten der Knäste kennt. Gegen die  Option des Bandenraubs und der weiteren autoritären Formierung ist eine kommunistische Perspektive jenseits von Ausgrenzung und Integration zu formulieren.

Jenseits von „Empörung“ und Riots steht die BRD bisher als Krisengewinner dar. Die Sozialpartnerschaft der Gewerkschaften zum „Gürtel enger schnallen“ geht einher mit der sozialchauvinistischen und rassistischen Hetze in der demokratischen Meinungsbildung. Die Verwertbarkeit des Kapitals wird als Verteidigung der eigenen nationalen Machtmittel gedacht, denn die „faulen Südländer“ machen „unseren Euro“ kaputt. Aus ihrem ideellen Anspruch auf den Euro als Mittel zur weiteren Vermehrung des nationalen Eigentums entspringt der Chauvinismus,  wenn nötig den „Südländern“ mittels Zwang zum Glück europäischer Wettbewerbsfähigkeit zu verhelfen. Eine antinationale und kommunistische Intervention richtet sich gegen die sozialchauvinistische Stimmungsmache nach „innen“ wie nach „außen“ und hält die Flamme grenzüberschreitender Solidarität gegen den Irrsinn vom einem immer schnelleren „Rennen, Rackern und Rasen“ im Hamsterrad der kapitalistischen Konkurrenz hoch.

Gegen die weitere Durchsetzung von Krisennationalismus, Leistungsterror und Standortpolitik gilt es den revolutionären Defätismus – die Einsicht, dass ein gutes Leben nur in der Niederlage der eignen Nation zu finden ist – zu stärken. Weder die reformistischen Anbiederung an den Zwangszusammenhang aus Staat und Nation, Kapital und Lohnarbeit, noch der selbstzufriedene Rückzug auf die Position der kritischen Kritiker*innen vermag die notwendigen Schritte zur Assoziation freier Individuen zu beschreiten. Erst wenn sich den Standortpolitiken kollektive Verweigerung und gemeinsame Kämpfe für die eigenen, radikalen Bedürfnisse entgegenstellen, dann steht die Krise als eine des Kapitalismus, und nicht – wie bisher – seines „unflexiblen Humankapitals“ überhaupt erst auf der Tagesordnung.

Egal ob in Athen, Madrid oder London: antinationale Kritik fokussiert immer die Mühen ideologischer Widerspruchsbereinigung sowohl in der kapitalistischen Normalität als auch in dessen Krisenverwaltung. Ohne in naiven Bewegungsoptimismus zu verfallen, ergeben sich in den Kämpfen immer wieder Ansatzpunkte theoretischer und politischer Radikalisierung. Der Kampf um ein besseres Leben gelingt eben nur als soziale Revolution. Bis dahin greifen wir den ideellen Rückhalt für Staat und Kapital an und organisieren den Vaterlandsverrat. Die Einheitsfeierlichkeiten in der alten Bundeshauptstadt sind der ideale Anlass, um der Freude und Sorge um Deutschland mit der Idee des Kommunismus zu begegnen.

Für einen internationalen Antinationalismus!

02. und 03. Oktober: Heraus auf sämtliche Partymeilen von „schwarz-rot-geil“!

Auf nach Bonn!


Der Aufruf wird unterstützt von:
autonome antifa [f] (FF/M), Basisgruppe Antifaschismus (Bremen), Redical [M] (Göttingen), Fast Forward Hannover, Gruppe Kritik & Intervention (Bielefeld), TOP B3rlin, Anarchistische Gruppe Freiburg & Gruppe C² (Wiesbaden)

Unterstützen? Dann Mail an: antifa-ak-cologne[at]riseup.net

Rosen auf den Weg gestreut. Gegen Faschismus, Rassismus und Verfassungsschutz!

Seit Jahren warnen linke und antifaschistische Initiativen vor der rassistischen Gewalt von Neonazis. Dennoch wirft die nun aufgedeckte rassistische Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) ein schockierendes Licht auf das Ausmaß rassistischer Gewalt in Deutschland – und auch auf ihre Verharmlosung. Die Morde und Attentate der NSU geschahen in einem gesellschaftlichen Klima der Ausgrenzungen, Diskriminierungen und der tagtäglichen rassistischen Gewalt. Sie bilden nur die Spitze eines Eisberges. Seit 1989 wurden nicht nur mindestens 182 rassistisch motivierte Morde in der Bundesrepublik Deutschland verübt, es gedieh auch eine allgemeine rassistische Politik von Sondergesetzen, Abschiebungen und sogenannten Integrationsdebatten. Während Studien über die „Deutschen Zustände“ jedes Jahr von Neuem belegten, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit essentieller Bestandteil der „gesellschaftlichen Mitte“ ist, rühmen sich zugleich Sprecher bundesdeutscher Repressionsorgane ihrer Abschottungspolitik an den Außengrenzen Europas und verleihen sich stolz den Titel „Festung Europa“. Als Reaktion auf die rassistische Raserei sind nicht Worte des Bedauerns gefragt, sondern eine bedingungslose Solidarität mit allen Opfern des Rassismus.

Polizeiliche Diffamierung

In einem allgemeinen rassistischen Klima erklärten die Polizeidienststellen die Opfer der faschistischen Gewalt ohne Gegenwehr zu Tätern. Rassistischen Stereotypen entsprechend wurden die Taten im Dunstkreis der „anatolischen Mafia“, „illegalem Glücksspiel“ und „Schutzgelderpressung“ verortet. Nach dem Nagelbombenanschlag der NSU auf der Keupstraße 2004 ging auch von Seiten der Polizeiwache Köln-Mülheim eine polizeiliche Diffamierung der Opfer aus. Ein rechter Hintergrund der Tat wurde während den Ermittlungen voreilig ausgeschlossen.

Dieser Fall zeigt: Solange über die gesellschaftlichen Bedingungen des Rassismus geschwiegen wird, werden weder die faschistischen Morde noch die tagtäglichen rassistischen Gewalttaten aufgeklärt.

Nazis Morden, der Staat lädt nach

Nachdem der neonazistische Hintergrund der Taten offenbar wurde, wird die in den Medien thematisierte Zusammenarbeit von Repressionsapparaten und Nazigruppen als „Panne“ oder „Versagen“ abgebucht. Das politische Tagesgeschäft läuft wie gewohnt weiter. Der Schlussstrich ist gezogen – noch bevor auch nur ein einzelner NSU-Mord oder -Anschlag vollständig aufgeklärt ist. Die Verstrickungen der Geheimdienste in den faschistischen Terror wurden bisher nur zögerlich durchleuchtet. Viele Akten, die Licht ins Dunkel hätten bringen können, sind bereits vernichtet. Als einzige Konsequenz aus dieser Reihe von „Pleiten, Pech und Pannen“ bleibt der Ruf nach weitergehenden Befugnissen für Geheimdienste und noch mehr Möglichkeiten, politische Bewegungen zu kriminalisieren.

Fehlende Akten sind für den Verfassungsschutz symptomatisch. Das zeigt auch die Geschichte der Behörde: Wie andere Institutionen der BRD wurde dieser maßgeblich von Nazis aufgebaut. Doch eine Aufarbeitung dieser Vergangenheit wird bis heute verwehrt. Dazu wäre ein Zugriff auf die historischen Unterlagen nötig. Die Archive des VS sind aber bis heute verschlossen.

Weiter aktuell bleiben Fälle in denen staatliche Geheimdienste faschistische Gewalt verharmlosen, die Täter als unpolitische Sonderlinge klassifizieren und ihre Verbindungen zu faschistischen Organisationen bewusst ignorieren. Aufgeklärt ist darum nichts, bekannt bleibt ein brauner Faden quer durch die Geschichte der Bundesrepublik.

Der Extremismus der Mitte

Doch die Zuständigen streuen der faschistischen Gewalt nicht nur Rosen auf den Weg. Sie bekämpfen zugleich jene Kräfte in der Gesellschaft, die sich Rassismus und Faschismus in den Weg stellen. Unter Bezug auf das theoretische Konzept „Extremismus“ werden antifaschistischen und antirassistischen Initiativen staatliche Gelder gekürzt und das Engagement für eine solidarische Gesellschaft kriminalisiert. Die Extremismusdoktrin der Bundesrepublik Deutschland will das politische Spektrum als ein Hufeisen verstanden wissen. Danach befänden sich an den Rändern der Gesellschaft ihre vermeintlichen negativen Extreme. Die sogenannte demokratische Mitte wiederum soll als einzig positiver und politisch legitimer Bezugspunkt verstanden werden. Unter dem Label „Extremismus“ wird faschistische Vernichtungsideologie mit linken Bestrebungen für ein gutes Leben gleichgesetzt und Rassismus und Antisemitismus zu Randphänomenen der bürgerlichen Gesellschaft verharmlost. Der staatliche Anspruch auf das Monopol politischer Willensbildung, der sich hinter der Extremismusdoktrin verbirgt, hat dabei die Funktion, stets die Weste der bürgerlichen Gesellschaft rein zu waschen.

Also wird man alles selber machen müssen: Faschismus und Rassismus bekämpfen! Verfassungsschutz auflösen!
Antifaschistische Demonstration am 17. Dezember 2011, um 15:00 Uhr in Köln-Mülheim

Die 18. Brumaire des Napoleon Bonarparte oder: Schwarz-Rot-Gold: Aufstand der Gartenzwerge

„Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“ Dies schrieb einst Karl Marx in seiner Schrift „Die 18. Brumaire des Louis Bonaparte“, bei der er den Verlauf des von Louis Bonaparte a.k.a. Napoleon III. angeführten Staatsstreich 1851 in Frankreich analysiert. Um auf das Eingangszitat zurückzukommen: Bei „pro Köln“ handelt es sich keineswegs um eine weltgeschichtliche Vereinigung. Und auch ihr dritter Anlauf in Köln, eine große Anti-Islam-Manifestation zu begehen, ist nicht als historisches Ereignis zu begreifen. Umso mehr nehmen die Versuche der „selbsternannten Bürgerbewegung“ aus der fortschreitenden autoritären Formierung der Gesellschaft die verschiedensten Formen der Lächerlichkeit an. Die Rechtspopulist*innen am Rhein wollen mit ihren europäischen Kompagnons aus Österreich, Frankreich und Belgien mit dem „Marsch der Freiheit“ (am 7. Mai) gerade für jene falsche Freiheit eintreten, die längst verwirklicht ist.

Wie die autoritäre Herrschaft des Louis Bonaparte nur das Produkt der Entwicklung der Revolution von 1848 sein konnte, so sind die Rechtspopulist*innen eben nicht das Gegenteil der „europäischen Demokratie“, sondern der radikalste Ausdruck eben dieser. Als Vorkämpfer*innen „gegen die Blockwarte der Political Correctness“ generieren sich pro Köln & friends wie gewohnt als von der Öffentlichkeit verprellte Tabubrecher*innen. Ob Sarrazin oder pro Köln – das, was sie fordern, die Missstände, die sie entdeckt haben wollen – sie alle sind etablierte Bestandteile der politischen Praxis in der Elendsschmiede BRD. Wo pro Köln eine zu lasche Einwanderungspolitik sieht, dort ist die staatliche Selektion von Migrant*innen in simple Kategorien eingeteilt: für den Standort „nützliches“ und „unnützes“ Menschenmaterial – das ist die Leitlinie europäischer Abschottungspolitik gegenüber den für das Kapital überflüssig Gemachten dieser Welt. Mit dem „Marsch der Freiheit“ wird gegen den „totalitären Ungeist der Linksextremisten“ in Köln – womit wohl nur der Antifa AK gemeint sein kann – zu Felde gezogen. Dabei ist die Extremismus-Weltanschauung längst integraler Bestandteil deutscher Innenpolitik.

Nichtsdestotrotz funktioniert die Arbeitsteilung im Bereich der Ideologieproduktion zwischen pro Köln und den etablierten Demokrat*innen wunderbar. Das Theater von Tabubrecher*innen und aufrechten Gutmenschen klappt selbst als Dauerschleife recht ordentlich. Dabei findet der inszenierte Gegensatz seine Basis darin, dass die „bürgerliche Mitte“ in ihrer Zurichtung und Disziplinierung der Kapitalressource Staatsbürger*in eher auf eine klar definierte Leitkultur für den nationalen Erfolg setzt: Sachzwangideologie, Selbstmanagement und die Nötigung zur Flexibilität. Demgegenüber legen pro Köln und deren best buddies die Latte der autoritären Formierung einfach (relativ gesehen) ein Stückchen höher. Sie versprechen ihrem Gartenzwergvolk den großen Sprung ins Reich der falschen Freiheit mit einer vorptolitischen Anspruchsberechtigung einer noch viel geschlossener definierten „natürlichen Kulturgemeinschaft“. Dieser Rassismus ist bei autoritären Gestalten wie pro Köln nicht verwunderlich. Wo die Identifikation mit dem eigenen Kollektiv zum absolut gesetzten Maßstab der Weltanschauung wird, ist der Kampf gegen Abweichler*innen und „Fremdstämmige“ notwendiger Bestandteil autoritärer Ideologie.

Dabei liegt die Radikalisierung des allgemeinen Prinzips – nach oben buckeln und nach unten treten – den herrschenden Zuständen nun wahrlich auch nicht fern. Die konformistische Rebellion, die pro Köln wieder und wieder als Farce aufführt, setzt immer wieder auf die projektive Verdrehung gesellschaftlicher Verhältnisse, die gang und gebe bei der Meinungspresse ist. Das autoritäre und rassistische Subjekt muss am Zeitschriftenstand nicht lange nach Bestätigung suchen, wenn es lesen will, dass die Ursache für die Niederlagen, Enttäuschungen und narzisstischen Kränkungen nicht in den gesellschaftlichen Umständen, sondern bei den Opfern des Systems zu suchen sind. Ein derartig rassistisches Weltbild sieht die Dinge einfach: „Was soll ich Opfer machen? Überall sind Ausländer und Sozialschmarotzer am schaffen!“

Solche rassistischen und sozialchauvinistischen Projektionsleistungen vermögen Gartenzwerge verschiedenster Couleur zu vollbringen – ob ordentliche Demokrat*innen á la Sarrazin mit ihrem Palaver von Naturalisierung sowie Kulturalisierung sozialer Verhältnisse oder die Neonazis in ihrem Antisemitismus.

Aber ob Demokrat*in oder Rechtspopulist*in – beide tanzen rund um ihr goldenes Kalb einer nationalen Leistungsgemeinschaft, deren Zwängen sich ein jede*r zu opfern hat. Ist doch „normal“. Jedoch stehen zwischen den gesellschaftlich hervorgebrachten Zwängen sowie Nöten, den autoritären Formierungen und der Ideologie der Subjekte, soziale Gefüge und politische Kämpfe. Der Auftrieb der Rechtspopulist*innen in der Nachfolge der Krise ist keine Zwangsläufigkeit, auch wenn der weitere Weg der autoritären Formierung der Gesellschaft scheinbar nur weiter soziale Verschärfungen zu kennen scheint. Selbst wenn dem Kapitalismus inzwischen jedes Glücksversprechen abhanden gekommen ist und die Tage der Idee von der bürgerlichen Gleichheit abgelaufen sind; auf eine Notwendigkeit gegen rassistisches Denken und Handeln deutet dies nicht zwingend hin. Autoritarismus und Rassismus ist den Menschen nicht qua Geburt in die Wiege gelegt, sie sind als ein Resultat einer Subjektkonstitution in der falschen Freiheit zu begreifen.

Das heißt: die unheimlich autoritäre Restauration in der BRD ist eben nicht als notwendige Konsequenz der spätbürgerlichen Demokratie hinzunehmen. Es gilt nicht nur den Rassist*innen und Rechtspopulist*innen den Kampf anzusagen, sondern auch dort Partei zu ergreifen, wo wie einst unter Louis Bonaparte die Aufhebung der Demokratie als Sicherung ihres Fortbestandes vorangetrieben wird.

Dass diese Partei nur der Kommunismus sein kann, ist dabei so selbstverständlich wie notwendig.
Und dass diese deutsche Normalität nichts weiter als ein Potpourri aus Scheisse darstellt, auch.

Dr. Jekyll & Mr. Hyde oder: Die bürgerliche Demokratie und ihre braunen Problemkinder

jekyllWas ist von einem Ort zu halten, dessen Wahrzeichen weder einen Namen noch eine Geschichte vorweisen kann? Wäre dies der Anfang eines Skandinavien-Krimis, müsste wohl bald der Satz folgen: Das Grauen wartet in diesem Nirgendwo. Doch in der Realität trägt zumindest das Ortsschild einen Namen: Stolberg. Wirklich berühmt ist das Städtchen nicht für seine aristokratische Tradition (der Name ist wohl abgeleitet vom Edelherrengeschlecht „Stalburg“), sondern für seine umtriebige faschistische Szene. An diesen wie an vielen anderen Orten der BRD zeichnet sich ein seltsamer Fall ab, gleich einer Novelle des  19. Jahrhunderts aus der Feder des Herrn Stevenson, „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“. Der ehrbare und angesehene Kleinbürger Dr. Jekyll spaltet dort durch Laborversuche seine „animalischen Triebe“ von sich selber ab; diese bündelt er in der verwerflichen und verkümmerten Person des Mr. Hyde, einem aufgrund seiner Kapitalverbrechen polizeilich gesuchten Schwerverbrecher. So kann Dr. Jekyll via provisorischer Metamorphose zu Mr. Hyde Täter sein, aber gleichzeitig durch soziales Engagement die Taten wiedergutmachen und seine Weste reinwaschen. Mr. Hyde vollbringt Dr. Jekylls Drecksarbeit.
An einer solchen Persönlichkeitsspaltung scheint auch die bürgerliche Gesellschaft zu leiden: für die aufrechten Demokrat*innen bieten die verpönten Nazis ein Aussonderungsinstitut für Rassismus und Nationalismus. Auch die rheinländischen Demokrat*innen vergewissern sich gerne, dass rechte Gewalt und die Untaten „des Bösen“ im beschaulichen Städtchen wahrlich nichts mit ihnen zu tun haben. Denn sowohl hier als auch da – im weltliterarischen Vorzeigewerk wie im bedeutungslosen Kaff im Rheinland – steht selbiges auf dem Programm: die Reputation ist in Gefahr und keine Kosten sind zu scheuen, dass der gute Ruf gewahrt bleibt. Dr. Jekyll lässt grüßen.

Doch hinter solchen Theaterkulissen erweisen sich sowohl Demokrat*innen als auch Faschist*innen als überzeugte Nationalist*innen; wenn dabei auch die Nazis aufgrund ihrer Ablehnung der demokratischen Spielregeln als besonderer Verein zu verstehen sind. Im Grunde arbeiten sie jedoch an der Lösung für die gleichen, selbst gestellten Problemlagen, die sich das bürgerliche Subjekt vorlegt; das deutsche Volk soll vor Schaden bewahrt werden, eine Wirtschaft soll auf das nationale Wohl gerichtet sein und die Nation soll vor „fremder“ Bevormundung gewahrt bleiben. „Flüchtlingsströme“, „Deutschenfeindlichkeit“ usw. sind eben keine Erfindungen der braunen Hetzkolonnen, sondern Alltagsjargon bürgerlicher Stimmen der BRD.

Jede*r aufrechte Demokrat*in kümmert sich ernsthaft um die Sorgen der Nation. Der Nationalismus als „objektive Gedankenform“ einer staatsbürgerlichen Vergesellschaftung steht im Zentrum jedweder demokratischen Politik. Daher lebt das deutsche Ausländergesetz von der schlichten Sortierung nach In- und Ausländer*innen. Der Dorn im Auge der Nazis ist das staatliche Nützlichkeitsparadigma bezüglich Immigration. Dieses Imperativ der Kosten-Nutzen-Analyse von der (modernen) bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft wird von den Nazis abgelehnt; sie ertragen den der Logik des Kapital folgenden Realismus der herrschenden Demokraten nicht. Der faschistische Standpunkt duldet nämlich kein Abarbeiten im bürgerlichen Sinne an Problemen, die die nationalen Maßstäbe betreffen (Migrationspolitik); er erfordert die simple wie rigorose Durchsetzung der national-ethnischen Sortierung durch die Staatsmacht. Wo dies mal nicht geschieht, unterstellen die Nazis den Demokrat*innen fehlenden Willen, der durch ihre pragmatische Handarbeit (im Sinne von brennenden Flüchtlingsheimen) behoben werden soll. Darüber herrscht wiederum bei den Demokrat*innen Empörung, denn „normal“ ist das schließlich nicht. Die Nazis sollen nicht totschlagen, wo doch eigentlich Vater Staat zwischen prüfen, zuführen, integrieren, begrenzt dulden, in Gewahrsam nehmen oder auch abschieben erwägen „muss“, um produktives Menschenmaterial sicherzustellen bzw. um den unnützen „Rest“ einzusperren und abzuschieben, d. h. um den rassistischen Normalvollzug auf seine Art zu realisieren. Der Konflikt dreht sich also keinesfalls um den Inhalt der Politik, sondern lediglich um die Durchsetzungsform – vielmehr eine Frage des „Wie“ als eine Frage nach dem „Was“. Von daher liegt mensch ganz richtig, wenn gesagt wird: „Nazis morden, der Staat schiebt ab, es ist und bleibt dasselbe Rassisten-Pack!“

Das Subjekt in der bürgerlichen Gesellschaft ist ein doppeltes: citoyen*ne (Staatsbürger*in) und bourgeois*e (Privatbürger*in). Im Zuge dieser feinen Differenz entpuppt sich ein spaltender Doppelcharakter, dem jedes Subjekt bürgerlich-kapitalistischer Couleur – also leider wir alle – zwangsweise gegenübersteht: wo auf dem einen Ufer der*die citoyen*ne durch Loyalität sowie Toleranz gegenüber dem Staat und den Mitbürger*innen in einen kollektiven Zusammenhang gepfercht ist, sieht sich auf dem anderen Ufer der*die bourgeois*e in der kapitalistischen Produktionsweise – einer Ellbogen-Veranstaltung mit permanenter Konkurrenzschlacht um Verwertung – der Befriedigung der eigenen Interessen verpflichtet. Schicksalsgemeinschaft vs. Egoshow. Wer kein*e Staatsbürger*in ist und zur Verwertung als Privatbürger*in nicht taugt, gilt vor dem bürgerlichen Universalgericht als ‚Untermensch`. Der rassistische Ausschluss aus der Menschheit speist sich aus der Angst vor dieser Entwertung.

Wie sieht das konkret aus? Im Zuge des späten Neorassismus verschob sich das ideologische Kriterium für diese Entwertung; der Fokus bewegte sich allmählich von der biologistischen Anschauung hin zur Kultur als Maßstab für die Konstitution des*der Anderen. Das lange dominante und immer noch präsente Feindbild des „Schwarzen“ profiliert sich über die biologische Andersartigkeit, heute ist der „Fremde“ viel mehr noch als zuvor ausgemacht in seiner*ihrer kulturellen Differenz. Der*die pauschal bedrohliche Muslime und dessen*deren Hang zur Gewalttätigkeit, ist zur Schlüsselfigur des*der heutigen Anderen geworden, von welchem*welcher die Subjekte aus dem Westen sich nun zu unterscheiden haben. Von anderen unterscheiden, um sich zugleich in der vorgestellten Gemeinschaft stärker zu verbrüdern, während sie auf dem Markt weiter konkurrieren – citoyen*ne und bourgeois*e eben.
Dieser Widerspruch innerhalb der kapitalistischen Subjektkonstitution verdeutlicht den Fehler, will mensch den Rassismus als „Fremdenfeindlichkeit“ oder als Vorurteilsneigung in die Menschennatur hineinanthropologisieren. Vielmehr verweist der Widerspruch darauf, dass es nicht allein reicht, den Rassismus auf rein ideologischer Ebene zu dekonstruieren. Die materielle Grundlage einer rassistischen Ideologie deutet aber unfehlbar auf die Notwendigkeit hin, der radikalen Rassismuskritik eine fundamentale Kapitalismuskritk (inklusive Kritik am Staat und an der Nation) vorauszusetzen. Es geht nicht nur um den*die rassistische*n Nachbar*in im tristen deutschen Vorort, sondern um dessen*deren herrschaftliche Ursprünge.

Der Rassismus bedient aber nicht nur die ideologische Absicherung der staatlichen Herrschaft über die Staatsbürger*innen. Gleichzeitig widerspricht er als bewusst angewendetes Herrschaftsmittel den grundsätzlichen „Spielregeln“ dieser kapitalistischen Gesellschaft, für deren Umsetzung er aber dennoch nützlich ist. Denn so praktisch es sein mag, dass die aufrechten Demokrat*innen und Nazis es als „gerecht“ empfinden, die Drecksarbeit wie Kloputzen an Afrikaner*innen abzuschieben, so unpraktisch im Kampf um die Weltmarktanteile ist es für den stolzen Standort Deutschland,  ghanaische Unternehmer*innen brennen zu sehen, die doch im Land des Exportweltmeisters investieren sollten. Der Rassismus relativiert sich an den grundsätzlichen Erfordernissen der Herrschaft, für die er funktionalisiert werden soll.

Aus der gemeinschaftlichen Grundlage des Rassismus sowie Nationalismus von Nazis und bürgerlichen Demokrat*innen entspringt auch die Nützlichkeit des faschistischen bzw. rechtspopulistischen Rassismus. An praktischen Beispielen für diese Farce mangelt es nicht: im Schein der Lichterketten wurde vor knapp zwanzig Jahren eine ganze Reihe von rassistischen Gesetzen und Verordnungen umgesetzt. All diese Maßnahmen wurden auf der Basis der gleichen Argumentation ergriffen: Zuwander*innen und Illegale schufen vermeintliche „Probleme“ wie Straftaten und andere Bedrohungen unterschiedlichster Art, wodurch es – wenn die Ordnung nicht wiederhergestellt werde – zum Ausbruch von Rassismus kommen könne. Diese Straftaten und Bedrohungen müssten sich daher der Universalität des allmächtigen Gesetzes beugen, damit erst gar keine rassistischen Unruhen ausgelöst würden. Mit dieser Erklärung erscheint der Heiligenschein des staatlichen  Rassismus „argumentativ“ unterfüttert.

Stevenson lässt in seiner Novelle den honorierten Dr. Jekyll schließlich an der verfahrenen Situation bezüglich einer zweiten Identität, die das isolierte Böse verkörpert, verrecken – und damit gibt auch Mr. Hyde selbst den Löffel ab, bevor das Gericht ihn verurteilt und hinrichtet. Die Analogie ist genauso einleuchtend wie banal – schaffen wir es, dem Kapital den Boden zu entziehen und ein befreites Leben jenseits von Staat und Nation zu führen, können auch Nazis einpacken. Wie es aber wäre, wenn zuerst Mr. Hydes Zeit gekommten wäre, wissen wir nicht. Doch in Stolberg (am 8./9. April 2011) können wir den Verlauf auf den Kopf stellen; es bietet sich an, zuerst ein paar Nazis in den Boden zu stampfen – wie wir die Geschichte dann weiterschreiben, entscheiden wir vor Ort.
Mensch kann es drehen und wenden, wie mensch will – doch die Konsequenz ist und bleibt rabiat, zügellos und klar wie die Klarste der deutschen Kloßbrühen:
Die Normalität heißt Deutschland – Ein Potpourri aus Scheisse.

„Alle Antiimperialisten sind Papiertiger!“ Moa Tee Pung

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Es herrschen schwere Zeiten für Kriegskritiker_innen. Die BRD ist weltweit mit ihrer „größten Friedensbewegung der Welt“, der Bundeswehr, unterwegs um „Freiheit, Gleichheit und Sicherheit“ an die Frau und den Mann zu bringen. Während sich deutsche Friedensfreund_innen dafür beglückwünschen, ihren ehemaligen Weggefährt_innen der „neuen deutschen Volkspartei“ (den Grünen) ein Waffenembargo gegenüber China abgerungen zu haben, „plaudert“ der Charmingboy der „einzigen Antikriegspartei im Bundestag“ (Gregor Gysi, DIE.LINKE) mit dem „großen Satan“ darüber, dass die Ablehnung der Waffenbruderschaft (Nato) nichts weiter als „Placebos“ für die „Parteispinner“ darstellt. Wer heutzutage darauf aufmerksam macht, dass das „bewaffnete technische Hilfswerk“ Kinder- und Frauenmörder ist, dass die aktuelle Kriegspolitik nicht der Weltverbesserung dient, scheint im Abseits zu stehen.

Es scheint, als wären gerade die eingefleischten Antiimperialist_innen in ihrem Festhalten am Begriff des Imperialismus heutzutage besonders radikal. „Krieg dem imperialistischen Krieg!“ mag bei Betrachtung der militärischen Auseinandersetzungen in der Welt als die Quintessenz eines revolutionären Bewusstseins erscheinen; dies ist tatsächlich jedoch insofern weit gefehlt, als dass geradezu das Gegenteil der Fall ist.

Moralismus & Ökonomismus sind weder die Waffen der Kritik, noch die Kritik der Waffen.

Antiimperialist_innen verstehen es bei jeder militärischen Intervention einer Großmacht, nach den Rohstoffquellen oder den Routen für zukünftige Pipelines oder den geostrategischen Interessen zu suchen, um die es doch „eigentlich“ gehe. Auch in den diesjährigen Mobilisierungen gegen die SiKo oder die Verlängerung des „Afghanistan-Mandats“ ist dies eine beliebte Methode: „Afghanistan ist für die kapitalistischen Mächte vor allem von Interesse, weil es inmitten einer Region liegt, die reich an Rohstoffen ist. Dabei geht es den Besatzern weniger um die in Afghanistan vorhandenen Rohstoffe, als vielmehr um den geplanten Transport von Gas mit Pipelines durch das Land.“[1]

Ganz im Sinne Lenins wird in ökonomistischer Staats- und Politikauffassung argumentiert und die bürgerlichen Staaten als Puppen der Strippenzieher_innen – alias „große Konzerne“ – verkauft, die für deren unmittelbaren Geschäftserfolg tätig würden. Auf eine Unterscheidung zwischen Ökonomie und Politik wird zumeist großzügig verzichtet, da letztere ohnehin in nichts anderem als in der Exekution der Geschäftsinteressen des Kapitals bestände. Diese Deduktion der Außenpolitik bürgerlicher Staaten aus der unmittelbaren Profitlogiken der Großkapitale entspringt dabei der antiimperialistischen Behauptung eines Übergangs vom Konkurrenz- zum Monopolkapitalismus bzw. zum Staatsmonopolkapitalismus. Aus dem Größenwachstum der Einzelkapitale und einer immer kleiner werdenden Zahl von Kapitalen, wird auf eine Veränderung der kapitalistischen Vergesellschaftungsweise als Ganzes geschlossen: nicht mehr die Verwertung des Werts, sondern der Wille der „Monopolherren“ würde in der Epoche des Imperialismus die Ökonomie beherrschen. An die Stelle der negativen Totalität des Kapitalismus und seiner über den Wert vermittelten Vergesellschaftung sind die Interessen der Großkonzerne, bzw. – um in der Sprache der Antiglobalisierungsbewegung zu verharren – die transnationalen Multis getreten.

Stattdessen ist hervorzuheben, dass der bürgerliche Staat als „ideeller Gesamtkapitalist“ (F.Engels) die Voraussetzungen kapitalistischer Akkumulation zu sichern hat – nicht nur als Funktionsbedingung des Kapitalismus, sondern als Voraussetzung der eigenen ökonomischen Existenz des Staates, die an ausreichende Steuereinnahmen, begrenzte Sozialausgaben und ein „stabiles“ Geld gebunden ist. Und dabei endet die Fürsorge des Staats für die allgemeinen Bedingungen und speziellen Chancen der Kapitalakkumulation natürlich nicht an seinen Landesgrenzen; diese begrenzen zwar seine anerkannte Souveränität, d.h. sein Gewaltmonopol, nicht aber seine politischen, ökonomischen und gegebenenfalls militärischen Erpressungspotenziale.

Allerdings besteht diese staatliche Sicherung einer gelingenden Akkumulation nicht in der politischen Wahrnehmung eines bereits fertig vorliegenden kapitalistischen Klasseninteresses. Was zu dieser Sicherung alles nötig ist, wie deren Vor- und Nachteile verteilt werden, muss überhaupt erst innerhalb der verschiedenen staatlichen Institutionen und der „bürgerlichen Öffentlichkeit“ ermittelt und zu einem politischen Konsens gemacht werden. Dieser Konsens betrifft daher nicht nur die Zustimmung der großen Kapitalfraktionen zur staatlichen Politik. Denn ausschlaggebend für außenwirtschaftspolitische Machtentfaltung sind wiederum die Konkurrenz- fähigkeit heimischer Unternehmen, das Volumen und Wachstum der Nationalökonomie als Ganzes, die Kaufkraft der nationalen Währung – und in Abhängigkeit davon das steuerfinanzierte militärische Erpressungspotenzial eines Staates oder Staatenbündnisses. Daher folgen auch nicht jeder Krieg und nicht jede „humanitäre Intervention“, die die Großmächte des Weltkapitalismus führen, einem primär ökonomischen Interesse. Jedoch ist ihre Militärmacht immerhin der beste Garant dafür, dass der nachfolgende Frieden nach den Bedürfnissen eines Weltmarktsystems organisiert wird, dem diese Staaten ihre ökonomische Dominanz verdanken.

Im Gegensatz zu einer materialistischen Kritik der Staatenwelt und des Weltmarktes vermutet der Antiimperialismus im internationalen politischen Handeln der Staaten immer nur die gleiche Profit- und Interventions-Logik. Krieg und Frieden erscheinen stets nur als Mittel derselben Strategie mächtiger Konzerne und ihrer Vasall_innen von Staaten nach Befriedigung ihrer Interessen. Somit dient der Begriff des Imperialismus den Antiimperialist_innen stets als moralischer Ausdruck für die Übel in der Welt, welche jedoch dem Kapitalismus immanent sind. Der Weltmarkt – samt der auswärtigen Politik – wird nicht als die Konsequenz des kapitalistischen Privateigentums und des bürgerlichen Staates, sondern nur als eine Veränderung des Kapitalismus gefasst. Insofern überrascht es auch nicht, dass die „Hauptstadtantifa“ (Antifaschistische Linke Berlin, kurz: ALB) in ihren antiimperialistischen Aufruf gegen die Mandatsverlängerung eine „gerechte Gesellschaft weltweit“ fordert [2]. Jedoch liegen im „Weltmarkt“ allgemein keine harmonischen Austauschbeziehungen vor, was wohl im bürgerlich-antiimperialistischen Verständnis als „gerecht“ verstanden wird. Denn selbst der „gerechteste“, formal gleichberechtigte „Term of Trade“[3] geht zu Lasten des aufs Ganze betrachtet schwächeren, d.h. weniger produktiven Handelspartners. Dessen Kapitale sind zu klein, sein Kredit zu gering, und sein einziger Wettbewerbsvorteil – billige Lohnarbeit – ist notorisch wachstumsschwach. Doch angesichts der Entwicklungsdynamik des Kapitalismus ist für die meisten dieser ökonomisch unterlegenen Staaten die Öffnung und Produktion für den Weltmarkt die einzige Möglichkeit, überhaupt an Technologie und Kapital zu kommen – und schließlich sind diese Grundvoraussetzungen jeder eigenständigen Produktivitätsentwicklung.

Der Ökonomismus des Antiimperialismus liefert die moralisierende Abspaltung der Staatenkonkurrenz vom Kapitalismus. Als „schlecht“ befundene Resultate der bürgerlichen Gesellschaft, wie Militarisierung der Gesellschaften und Kriegsführungen, werden externalisiert in Begriffe wie Imperialismus, Globalisierung oder Neoliberalismus. Doch diese Moralisierung ist im Kern nichts anderes als die Affirmation des falschen Ganzen, es ist das Gegenteil einer materialistischen Analyse des Staates und des Weltmarktes, die zumindest Kommunist_Innen zu Gebote stände.

Nieder mit der Völkerfreundschaft! Hoch die antinationale Solidarität!

Der Antiimperialismus lebt von der , dass bestimmte Arten des Nationalismus eine fortschrittliche Funktion hätten. Der Ursprung dieser Vorstellung entstammt aus der historischen Verbindung von Agrarrevolutionen und der Nationenkonstitution seit der französischen Revolution 1789. Die Landfrage war stets, auch zur Zeit antikolonialen Bewegungen in den 50er und 60er Jahren, mit der Frage der Erringung des Staatsbürger_innen-Status in die vermeintliche Auflösung als unabhängige Nation verknüpft. Zur Blütezeit der antikolonialen Revolten mag es daher ausgesehen haben, als seien die nationalistischen Bewegungen sozialrevolutionär aufgeladen. Doch schon damals wie heute galt ein unversöhnlicher Gegensatz – der zwischen Kommunismus und Nation!

In der antiimperialistischen Stilisierung des „Volkes“wurden und werden jedoch die Opfer von Krieg, Kolonialismus und Besatzung immer zugleich als objektiv antiimperialistisch und als Widerstandsgemeinschaft phantasiert. Unter dieser Perspektive erschien die Herrschaft aufgespaltet in eine, die den Beherrschten als wesensfremde – d.h. als imperialistische – und in eine authentische – d.h. autochthone Herrschaft – über die ‚Eigenen‘, die in dem antiimperialistischen Schwulst von der „Souveränität“mit dem Prädikat „fortschrittlich“ fetischisiert wird.

Der Antiimperialismus war somit nur das geistige Echo der allgemeinen Tendenz kapitaler Vergesellschaftung. Die Geschichte zeigte jedoch, dass die Erfahrungen abtrünniger Regionen und Nationen, von einer Zentralgewalt „“und ausgebeutet worden zu sein, nicht bedeuteten, dass es ihnen in der „ängigkeit“besser ginge. „ängigkeit“ bedeutet in der Welt des Kapitals vor allem, dass sie sich der globalen Konkurrenz auf eigene Rechnung, und damit auf eigenes Risiko stellen konnten. Selbst der, der Rohstoffe zu verkaufen hatte, sah sich bald den unfreundlichen Konjunkturschwankungen der Weltmarktkonkurrenz ausgesetzt.

Der Antiimperialismus war und ist deswegen dazu verdammt, die Frustrationen des nationalen Hoch- und Gemeinschaftsgefühls durchzumachen. Diese Frustrationen sind der Nährboden des banalen, immer ein wenig verzweifelten Alltagsnationalismus und in vielen Regionen der Welt inzwischen die Flucht in das vermeintliche Heil der „Umma“ (Nation der Gläubigen).

Da der Islamismus aber ganz offenkundig mit sozialer Revolution nichts am Hut hat, sondern sich als permanenten Kampf gegen vermeintliche Gemeinschaftsschädlinge ausweist, hadern heutige Antiimperialist_innen insbesondere in ihrem Verhältnis zu jenem Kampf. Denn wo den Antiimperialist_innen auf der einen Seite der „gerechte Kampf gegen die Unterdrücker und Besatzer“ angeblich ins Auge springt, finden sich anderseits stets der Antisemitismus, die Frauenunterdrückung und das genaue Gegenteil einer „freien Assoziation freier Individuen“. (K.Marx).

Im globalen Weltordnungskrieg scheint die Dynamik dahin zu steuern, entweder für den Westen und dessen Ideologie der Menschenrechte oder für den Islamismus Partei ergreifen zu müssen. Der Kampf der Kulturen tobt nicht nur bei Huntington oder der Bild-Zeitung; längst ist er Teil des Repertoires antiimperialistischer Postillen von Junger Welt und der Antiimperialistischer Koordination Wien geworden. Jedoch sind „Menschrechts-Imperialismus“ und „Islamismus“ keineswegs unversöhnliche Gegensätze; sie sind jeweils ideologischer Ausdruck eines Weltkrisenprozesses, der die Demokratie als objektive Staatideologie im Zentrum und notwendigerweise die Barbarei an der Peripherie zur Geltung bringt.

Denn mit dem Ende des Sowjetreiches und der Integration der letzten Winkel der Erde in den totalen kapitalistischen Weltmarkt ist jede Bedingung der Möglichkeit, dass die Unterwerfung des Einzelnen unter das staatliche Diktat der „nationalen Selbstbestimmung“ wenigstens eine Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards als ihr Abfallprodukt mitliefert, endgültig vorbei. Fast alle Staaten der sog. „Dritten Welt“ teilten dasselbe Schicksal: ihre Nationalökonomien wurden nach Maßgabe der Weltmarktproduktivität zu wertlosem Schrott erklärt. Einander befehdende Banden und Cliquen versuchen entweder die letzten verwertbaren Reste der Ökonomie an internationale Konzerne zu verscherbeln, oder sie empfehlen sich als kompetente Verwalter und Vollstrecker des Massenelends.

Die Tatsache, dass in vielen Regionen der Welt vor und insbesondere nach 1989 keine reproduktive Ökonomie entstand, führt zur allgemeinen Frustration der althergebrachten nationalen Befreiungsutopien. Wo sich als Ideal nur noch die Verwaltung von Elend anschickt, sind die adäquatesten Formen „nationaler Befreiung“ nur noch völkische oder religiöse Phrasen sowie praktisch barbarische Schlächtereien.

Der Islamismus spielt in dieser Konstellation moralischen „Antikapitalismus“ und „Modernisierungsbewegung“ zugleich. In dem Moment, wo die gesellschaftliche Verbindung über den Markt nur mehr partiell funktioniert und es zum Zerfall der Gesellschaft kommt, avanciert der Islamismus, neben der unmittelbaren Repression durch die Staatsgewalt, zur zweiten vermittelnden Kraft; einer Kraft, die einen ideologischen und institutionellen Zusammenhalt der KonkurrentInnen herzustellen vermag. Durch sein Doppelwesen als personalisierter Antikapitalismus und moralistisches Untertanenbewusstsein, ist der Islamismus dazu prädestiniert, die adäquate Krisen-Staatsideologie zu sein.

Das scheinbare Dilemma des heutigen Antiimperialismus, sein Hadern mit den offen „reaktionären Befreiungsbewegungen“ erweist sich bei Betrachtung seines materialistischen Grundes als Übergang zur weiteren Regression in völkische oder religiös-fundamentalistische Ideologie. Die alten antiimperialistischen Legitimationen der Staatsmacht unter den Schlagwörterb von „fortschrittlicher Entwicklung“ vergammeln heute ohne Erdölvorkommen oder IWF-Kredit auf den Friedhöfen staatsaffirmativer Ideologien. Wo einst der Antiimperialismus dem „linken Nationalismus“ frönte, dass das gute kämpfende „Volk “ als Synonym für ein versöhntes Kollektiv anbetete, in der jede/r Einzelne_r in absoluter Identität mit „Volk“ und authentischer Herrschaft aufgegangen wäre, bleibt nun nichts als antiziganistisches Pogrom in Ungarn oder (Frauen)Steinigung im Iran.

Das klassische antiimperialistische Projekt der „nationalen Befreiung“ hat seine Tage schon lange hinter sich, es wartet nur noch der Islamismus sowie andere Schlächter-Ideologien in den Köpfen der „guten Völker“ auf die Kämpfer für eine „gerechtere Welt“.

Dies heißt nicht, den Kampf gegen das Elend der Welt aufzugeben, es gilt den Kampf Ums Ganze zu beginnen! Die Kritik an den kapitalistischen Produktionsverhältnissen muss aber auch eine Kritik an den ideologischen Denkformen sein, in denen sich das historisch Gewordene und gesellschaftlich Hervorgebrachte in den Köpfen der Menschen zum scheinbar Ursprünglichen, Natürlichen oder Göttlichen verkehrt und verselbständigt. Der Kapitalismus ist ein gesellschaftliches Verhältnis – von Menschen hervorgebracht – und als solches auch von den Menschen überwindbar.

„Sehen Sie, waren das nicht lebendige Tiger, eisenharte Tiger, echte Tiger? Letzten Endes aber haben sie sich in Papiertiger, in tote Tiger, in butterweiche Tiger verwandelt. Das sind historische Tatsachen. Hat man denn das alles nicht gesehen und gehört? Wahrlich tausendmal und aber Tausende Male! In Tausenden und Zehntausenden von Fällen! Somit muß man von ihrem Wesen her, aus einer langen Perspektive, in strategischer Hinsicht den Antiimperialismus als das betrachten, was er in Wirklichkeit ist – ein Papiertiger. Darauf müssen wir unser strategisches Denken gründen. Anderseits sind sie aber wiederum lebendige, eisenharte, wirkliche Tiger, die Menschen fressen können. Darauf müssen wir unser taktisches Denken gründen.“ Moa Tee Pung 2011

Antiimperialistische Denkblockaden einreißen!

Für den Kommunismus heißt es: Es geht Ums Ganze!

Eine Flugschrift des Antifa AK Köln

antifa-ak.org | twitter.com/antifa_ak_koeln


[1] Aufruf zur Mandatsverlängerung und zur Siko Antifaschistisches / Antimilitaristisches Aktionsbündnis hier zu lesen

[2] ALB 2011 Bundeswehr raus aus Afghanistan

[3] Der Begriff Terms of Trade (TOT) bzw. Einfuhrtausch- verhältnis oder Realaustauschverhältnis bezeichnet eine volkswirtschaftliche Maßzahl für das reale Austauschverhält- nis zwischen den exportierten und den importierten Gütern eines Landes