The truth lies in Dresden!

Der 13. Februar 1945 ist im Erinnerungsbild des „deutschen Kollektivs“ seit den Fünfzigerjahren zu einem der wichtigsten „Schuld“-Entlastungsdaten geworden. Schon kurz nach Ende des „Zweiten Weltkrieges“ begannen die DresdnerInnen mit einer Legenden- und Mythenbildung rund um das Bombardement vom 13. Februar. Der Dresden-Mythos zeichnet sich besonders dadurch aus, dass alles, was Schuldgefühle für die Verbrechen während der Nazizeit wecken könnte, ausgeblendet wird. Die Ereignisse des 13. Februar werden aus ihrem historischen Kontext gerissen und verlieren so ihre historische Sinnhaftigkeit. Die Bombenangriffe werden im „deutschen Kollektiv“ nur noch als sinnloser „Bombenterror“ oder – wie es die NPD ausdrückt und somit die tatsächliche Tendenz zur Verharmlosung des NS-Regimes offenbart – als „Bombenholocaust“ dargestellt.

A day before yesterday

Dresden war vor und während des NS-Regimes eine Hochburg der NSDAP. Antijudaismus und Antisemitismus schlugen sich schon früh in einen „Radauantisemitismus“ in Sachsen nieder. Zwei Jahre vor der Machtübernahme Hitlers forderte der „sächsische Mussolini“ Martin Mutschmann (sächsischer Gauleiter) schon die Vernichtung der „Juden“ und prophezeite: „Es kommt der Tag der furchtbaren Abrechnung“. Während der NS-Diktatur kam es, wie in ganz Deutschland, auch in Dresden zu Entrechtungen von Jüdinnen und Juden bis hin zur ihrer Deportation. Dass die meisten DresdnerInnen der NS-Inhumanität nichts entgegensetzten, ist belegt. Ebenso belegt ist, dass in Dresden die größte NSDAP-Dichte pro Kopf der Bevölkerung war. Der letzte Transport aus Dresden in die Vernichtungslager sollte am 14. Februar stattfinden, doch dank des Bombenchaos konnten über einhundert Jüdinnen und Juden entkommen.

Dresden war keineswegs nur eine „Kulturstadt, die keinerlei militärische Ziele barg“, sondern war „eines der ersten Industriestandtorte des Reiches“. (Dresdner Jahrbuch 1942) Die Mehrzahl der Betriebe war bis 1944 fast vollständig auf die Rüstungsproduktion umgestellt worden. Dresden war zudem einer der wichtigsten Transportknotenpunkte des NS-Regimes, so war Dresden die Verbindung der Nord-Süd und Ost-West-Achse des Regimes. Dresden war im Jahre 1945 der letzte Rückzugsort des Nationalsozialismus und bot noch eine intakte Kampfbasis der Ostfront..

Lies, lies, lies

Der Dresden-Mythos rankt sich im Wesentlichen um zwei Lügen: Erstens wird das Ausmaß der Zerstörung und die Zahl der Opfer übertrieben, um eine angebliche Singularität des Ereignisses zu suggerieren. Zweitens wird der Angriff als militärisch sinnlos – mithin als ein „Terror gegen die Zivilbevölkerung“ – dargestellt.

Lie number one:

Gerade in den Aufrufen der Neofaschisten wird von Jahr zu Jahr die Zahl der Opfer nach oben „korrigiert“. Wäre das ganze Spektakel ihrer so genannten Traueraufmärsche für Leib und Leben von MigrantInnen und JüdInnen an diesen Tagen in Dresden nicht so hoch, könnte man fast in schallendes Gelächter ausbrechen. Aber auch in der Zivilgesellschaft werden gerne „Opferzahlen“ des Holocaustleugners David Irving bemüht, was als kleine historische Randnotiz übrigens auch die RAF-Aktivistin Ulrike Meinhof 1965 in der Zeitschrift „konkret“ tat. Als gesicherte Zahlen gelten statt der behaupteten 350.000 Toten eher 25.000 bis 35.000 Opfer. Blickt man über Deutschland hinaus so wird die Ungeheuerlichkeit des Dresden-Mythos erst richtig klar. In Dresden kamen 25.000 Tote auf 630.000 EinwohnerInnenn, in Leningrad kamen auf 700.000 Opfer zwei Millionen. Auch beim Vergleich des Anteils von zerstörten Wohnungen nimmt Dresden mit 60 Prozent lediglich Platz 22, hinter Städten wie Düren, Köln oder Bocholt ein.

Lie number two:

Die Einzigartigkeit Dresdens bestand lediglich darin, dass die Stadt erst in den letzten Kriegsmonaten zum Ziel der alliierten Angriffe geworden war. Häufig wird Sir Arthur Harris, der 1942 das Kommando über die britischen Bomberverbände übernommen hatte, im Dredens-Mythos als böser Dämon stilisiert, der den „unschuldigen DresdnerInnen“ das Leid gebracht hätte. Vergessen wird dabei eines, nämlich selbst unter der falschen Annahme, es hätte sich bei den Bombardements nur um das so genannte „moral bombing“ gehandelt, also die psychische Zersetzung des Feindes und seiner Zivilbevölkerung, ist das gewünschte Resultat, eine Abkehr der „Deutschen“ von ihrem „Führer“, nicht eingetreten. In Italien hatte das „moral bombing“ dazu geführt, dass große Teile der Arbeiterschaft im März 1943 offen gegen das faschistische Regime auftraten. In Deutschland und in Dresden blieben „Ehre und Treue“ nicht nur der SS sondern des „einfachen, normalen Deutschen“ für Adolf Hitler.

The tears of the Krauts

Seit Jahren findet vor der Frauenkirche in Dresden am 13. Februar ein Gedenkritual für die „Opfer des Bombardements“ statt. In den letzten Jahren zeichnet sich ein neuer „Rahmen für das Erinnern“ ab. Die früher offen praktizierte Schuldabwehr und Revisionismus, d.h. die explizite Gleichsetzung mit der Shoa und deren damit einhergehende Relativierung ist inzwischen nur noch Sache der Nazis. Zu sehr ist seit der rot-grünen Regierungsperiode die Singularität von Ausschwitz im „bürgerlichen Diskurs“ angekommen. Man präsentiert sich heute als das „erfolgreich geläuterte Deutschland“, das „aus seinen Fehlern gelernt hätte“. Der „modernisierte Dresden-Mythos“ betont gerade die „Erfahrungen der Geschichte“ und leitet daraus für das „neue Deutschland“ eine „Verantwortung und Verpflichtung“ ab, die in der Massen-Bombardierung des ehemaligen Jugoslawien zum ersten Mal seinenAusdruck fand.

Die bundesdeutsche Neonazi-Szene „gedenkt“ den „Opfer“ mit ihren „Trauermärschen“ in offenen Revanchismus, Geschichtsrevisionismus und Antisemitismus. Die von der „Jungen Landmanschaft Ostpreußen (JLO)“ seit Jahren angemeldeten Aufmärsche entwickelten sich in den letzen zehn Jahren zu einem der wichtigsten Neonazievents im Jahresterminkalender. Waren im Jahre 2000 noch 500 Nazis auf dem jährlichen Aufmarsch mit dabei, konnten 2004 schon 2100, 2005 sogar 6000 Neonazis auf dem Aufmarsch gezählt werden. Auch in diesem Jahr werden diverse Antifa- Gruppen versuchen, den Naziaufmarsch am 16. Februar zu verhindern. Weitere Informationen findet Ihr unter:

www.venceremos.antifa.net In diesem Sinne:
For ever we thank you: Allies!

Redebeitrag des Antifa AK auf der Knastdemo 2007

Wer auf das zurückliegende Jahr blickt, stellt fest dass das G8-Happening zentraler Mobilisierungs- und Aktionspunkt der post-autonomen Bewegung darstellte. Wir wollen hier keine Bewertung des Protest-Gipfels und seines Sinns bzw. seiner Sinnlosigkeit für das Vorantreiben des „revolutionären Kampfes“ geben, sondern einige Punkte aus der Debatte um die Repressionsstrategien bundesdeutscher Behörden aufgreifen und kritisieren.

Die Problematik der politischen Repression gegen linke Zusammenhänge bestand schon lange vor den Hausdurchsuchungen am 9. Mai 2007 und den §129a-Verfahren gegen vermeintliche Mitglieder der Militanten Gruppe. Auch der polizeiliche Ausnahmezustand während des G8-Gipfels mit seinen Massen-Ingewahrsamnahmen usw. stellt in der Geschichte der BRD keine wirkliche Einzigartigkeit dar. Gerade deswegen ist es uns wichtig einen Blick auf die politische Bewertung der aktuellen Repressionsmaßnahem zu werfen und zu überlegen inwiefern wirklich noch linksradikale Kritik in dem Widerstand gegen die Repression formuliert wird.

Mehrer Punkte erscheinen unserer Meinung nach in der Debatte fragwürdig.

In vielen Publikationen und Stellungnahmen diverser post-autonomer Gruppen wird und wurde immer wieder ein Bild gezeichnet, das auf den Widerspruch zwischen dem bürgerlichem Rechtsstaat und – wir nennen es jetzt mal – den partiellem totalitären Ausnahmezustand, welcher durch so genannte Sondergesetze wie §129a herbeigeführt wird, hinausläuft.

In den Mittelpunkt dieser vermeintlich linksradikalen Kritik standen und stehen ausschließlich polizeiliche Ermittlungs-Methoden und Sondergesetze, die nach Meinung der KritikerInnen den rechtsstaatlichen Grundsätzen zuwider laufen. Dies hat zur Folge, das die Kritik an der Repression gegen linke Zusammenhänge zu einer Kritik an der Kriminalisierung Unschuldiger verkommt, die kein einziges Wort mehr über Hintergründe, Strategie und Positionen einer militanten Kampagne oder eines G8-Protests in der Öffentlichkeit verliert. Kurzgefasst: Man entpolitisiert sich selber.

Ein weiterer Kritik-Punkt unsererseits an der momentanen verquereren Antirepressionsargumentation hat die Militante Gruppe selber vor gut 4 Jahren wie folgt formuliert: „Wir halten es für eine politisch hilflose Geste auf vermeintliche Verstöße gegen einzelne bürgerliche Rechtsgrundsätze aufmerksam machen zu wollen, ohne den systemimmanenten Charakter der Klassenjustiz aufzuzeigen bzw. diesen zu vernachlässigen.“

Eine linksradikale Antirepressionsargumentation sollte statt auf das Einhalten demokratischer Spielregeln zu pochen, die Rechtsstaatlichkeit als spezifische Form kapitalistischer Herrschaft begreifen. Der Rechtsstaat sichert den gesellschaftlichen Rahmen der Produktion für den Profit und die Reproduktion der Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse. Es ist das demokratische gesetzliche Regelwerk was den repressiven Gesamtzusammenhang regelt und exekutiert und nicht irgendwelche durchgedrehten Bundeskriminalamt Mitarbeiterinnen.

Vom repressiven Charakter des Kapitalismus sind wesentlich mehr Leute härter betroffen als die radikale Linke, wir brauchen uns nur die Tore von Ossendorf, die Abschiebegefängnisse oder die Agenturen für Arbeit uns anzusehen um zu begreifen wie der ökonomische Überlebensdruck im Zusammenspiel mit so genannten demokratischen Institutionen ein repressives gesamtgesellschaftliches Verhältniss konstituiert, in dem die Mechanismen von so genannter normaler Strafverfolgung und politischer Repression an sich identisch sind.

Dies führt uns zu unserem letzten Kritikpunkt, und zur der Frage Was tun?

Wir brauen keine Kritik und Praxis, die der staatlichen Ordnung den Anschein einer Vernünftigkeit gibt und einen besseren Staat erfinden will. Statt dessen gibt es die Notwendigkeit über eine verbale Antirepressions- und Antikapitalismuskritik hinauszugehen. Solange wir unsere linksradikale Kritik äußern bewegen wir uns innerhalb der Grenzen des bürgerlichen Rechtsstaats, auch wenn wir innerhalb des bürgerlichen Dialoges nicht anerkannt werden. Aber erst dann, wenn wir die Regeln des bürgerlichen Rechtsstaates nicht anerkennen, in Form einer politischen Praxis, erst dann verleihen wir unserer Kritik, ihren gebührenden Ausdruck.

Deswegen lasst uns für das Ende des Knastsystems,
das Ende der Gewalt, für den Kommunismus kämpfen!

No Nation, No PropaGender!

Jedes Jahr wieder heißt es: „Sommer, Sonne, CSD“ in Kölle. Was 1970 in New York im Gedenken an den Stonewall-Aufstand als progressive Veranstaltung begann und die nächsten Jahrzehnte blieb, hat sich vor allem in Köln zu einem Pop-Kommerz Event entwickelt, dessen beste Seiten noch die unpolitischen Technowagen darstellen. Der Antifa AK Köln lässt daher die grölenden Party-Krauts ihre Eisbeinchen schwingen und ruft statt dessen dazu auf beim alternativen CSD: „CSD selber machen!“ teilzunehmen. Der alternative CSD startet am Samstag, den 7.Juli 2007, um 14 Uhr auf dem Neumarkt (Köln). Organisiert wird die Demo von der linksradikalen schwul-lesbischen Gruppe Queergestellt (www.queergestellt.de). In Erinnerung an die Militanz von 1969 rufen wir dazu auf als queer-RevolutionärInnen die Sonnenbrillen einzupacken und an diesem Tag mal Pink statt Schwarz zu tragen.

Dont´t fool me!

Schon im Vorfeld des offiziellen CSD gerieten die Veranstalter, der Kölner Lesben- und Schwulentag e.V. (KLuST), in die öffentliche Kritik. Sie hatten beschlossen das größte Bordell Europas Pascha beim CSD mitlaufen zu lassen. Das Pascha versucht besonders in „schwulen“ Kreisen Werbung für sich zu machen, da im Bordell extra eine „Homo“–Abteilung vor einiger Zeit eingerichtet worden ist. Als mehrer Frauenrechtsgruppen den sexistischen Laden anprangerten und vom KLuST verlangten, die Teilnahme des Paschas rückgängig zu machen, zog das Pascha seine Teilnahme selber zurück. Schließlich hatte die Betreiber des Pascha ihren Laden in die Presse gebracht und damit eine kostenlose Werbeoffensive bekommen. Der KLuST hat sich bis heute nicht von seinem Vorgehen distanziert, sie stehen somit weiterhin hinter den sexistischen Frauen/Männer-Ausbeutungsbetrieben. Wäre dies nicht allein Grund genug die reaktionären Elemente des offiziellen CSD klar zu erkennen, so stellt das Motto des CSDs: „homo europaeicus: geht aufrecht!“ die Total-Assimilation des KLuST in die deutsch-heterosexistische Matrix dar. Das vom KLuST „entwickelte Bild“ einer „Europa Identität als Kontinent der Freiheit und der Toleranz“ und die „inhaltlichen Essenz …[des Bildes] der so genannten Darwin-Linie, der versinnbildlichten Entwicklungsgeschichte vom Primaten bis zum modernen Menschen“ sind gleich mehrer Kopfsprünge. Die beschworene „europäische Identität“ der „modernen Menschen“ ist im Kern ein kulturalistischer Chauvinismus, der die Festschreibung der gegebenen Gesellschaftordnung und damit die „Geschlechterordnung“ innerhalb der „Grenzen Europas“ zementiert und alle antinationalistischen und universalistischen Emanzipationsansätze niviliert. Wer nicht über die Familien- und Bevölkerungspolitik „Europas“ – d.h. die repressive staatliche „Formung“ der BürgerInnen – nach nationalistisch/rassistischem Muster redet, sollte am besten das E-Wort gar nicht erst in den Mund nehmen. Während MigrantInnen Jahre auf die sogenannte „Familienzusammenführung“ warten, werden weiße „EuropäerInnen“ durch Kindergeld, Anti-Abtreibungs- und Pro-Familien-Propaganda zum Gebären und in Abhängigkeit von einem „männlichen Ernährer“ gedrängt. In trauter Gemeinsamkeit mit der (katholischen) Kirche wird das patriarchale Modell der staatlich sanktionierten Mutter-Vater-Kind-Hölle zur fast unausweichlichen Norm deklariert. Die Antwort aus der „schwul-lesbischen Community“ auf diese Heteronormativität ist jene nach Eheerlaubnis. Ein klares Game over für radikale Ansätze. Dass der Chauvinismus des KLuST sich in der bildlichen Darstellungsform niederschlägt, ist für uns kein Kritikpunkt sondern die konsequente Umsetzung geistigen Schrotts. Die Ideen des KLuST hätte gar nicht besser dargestellt werden können, als in dem Bild des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski als „Affe“ bis hin zum niederländischen Präsidenten als „Gattung des aufrechten Ganges“. Wer wie der KLuST bei solchem Gedankenmüll noch von „unötigen Irritationen“ spricht ist nur noch „irre“ im Kopf.

Pink me up!

Wer die Emanzipation des Individuums vorantreiben will, muss bei den ganzen Blödsinn der heute verzapft wird, alles erstmal wieder von den Köpfen auf die Beine zurückholen. Wer die „Lifestyle-Politik“ des offiziellen CSD kritisiert, sollte grundsätzlich Kritik an der Identitätspolitik als Mittel der Befreiung üben. Da alle Menschen sich an den Normen der weißen, heterosexuellen, bürgerlichen, gesunden, männlichen Welt messen, bedeutet auch die Umkehrung dieser Normen nur sich an ihnen abzuarbeiten. Eine notwendige Voraussetzung für eine vernünftige Praxis ist deswegen die richtige Kritik an den internalisierten Vorstellungen der „bürgerlichen Gesellschaft“. Die Problematik jeder Identitätspolitik bleibt, dass sie darauf abzielt, eine unterdrückte Gruppe dadurch zu emanzipieren, dass sie ihre Mitglieder in ihrer kollektiven Identität bestätigt und bestärkt. Aber selbst die beste Bestätigung verspricht allemal die Integration in die bestehende Mehrheitsgesellschaft. Der Ruf nach „akzeptierender Minderheitenpolitik“ geht daher fast immer mit einer konformistischen Identitätsveränderung der unterdrückten Gruppe einher. Dementsprechend sind die VertreterInnen der ,Community‘ häufig groß darin, selbstkritisch die Anforderungen der Mehrheitsgesellschaft als Voraussetzung für die Integration anzuerkennen. Dabei scheint die „bürgerliche Gesellschaft“ den Betroffenen geradezu entgegenzukommen, bietet sie doch Gleichheit vor dem Gesetz. Doch gerade diese „Gleichheit“ entsteht erst auf der Grundlage einer heteronormativen Gesellschaftsordnung, die als Grenze den Emanzipations-Überschuss der bürgerlichen Ordnung im Gegensatz zur Barbarei darstellt. Ein queer-revolutionärer Ansatz ist daher erstmal nicht gleichbedeutend mit „schwullesbisch“, sondern umfasst verschiedene Angriffe auf die Geschlechter- und Sexualitätsordnung von Mann/Frau und Homo/Hetero, also auch Transsexuelle, Transvestiten, Fummeltunten und Geschlechtsuneindeutige. Es geht nicht um den Einschluss in die Mehrheitsgesellschaft, sondern um den Angriff auf ihr Zentrum. Heterosexualität als Herrschaftssystem, daß Körper und ihr Verhältnis zueinander normiert und diese auferlegte Ordnung als natürliche, immer schon dagewesene, postuliert, steht für uns im Kreuzfeuer der Kritik. Deswegen auf zum alternativen CSD! Tretet für eine Welt ein, in der die Gleichheit der Individuen durch ihre Verschiedenartigkeit bestimmt ist.

Shut down the heterosexual matrix!
Fight for Communism!

Alerta, Alerta Antifascista!

Schon seit Jahren verbreitet die extrem rechte Partei Pro Köln rassistische, islamophobe und antiziganistische Stimmungen in Köln. Der seit 2004 im Stadtrat sitzenden Partei gelingt es zunehmend an Einfluss zu gewinnen und weiter AnhängerInnen zu rekrutieren. Daher begrüßen wir die Initiative der BezirksschülerInnenvertretung Köln am 3. März 07 mit einer Demonstration ein Zeichen gegen Pro Köln und den zunehmenden Rassismus zu setzen. Wir rufen deswegen auf, unter dem Motto: „Pro Köln den Boden entziehen! Rassismus und Nationalismus auf allen Ebenen bekämpfen!“ am 03. März gegen Pro Köln und die rassistischen Zustände, also gegen das „alte/neue“ Deutschland auf die Straße zu gehen.

Pro Köln den Boden entziehen!

Pro Köln schafft es mit ihren Kampagnen, wie dem Kampf gegen Moscheebauten, Flüchtlingsquartiere oder rumänische Kinder nicht nur das rassistische Spektrum von Aktion zu Aktion zu mobilisieren, sondern auch das gesellschaftliche Klima in ihrem Sinne zu beeinflussen und für sich zu nutzen. Die antimuslimischen Parolen von Pro Köln fruchten in einem Klima der zunehmenden Vorurteile gegen Muslime. Die rassistische Propaganda unterstellt den Moslems eine gemeinsame „kollektive Identität“, die die Basis kollektiver Ansichten und Lebensentwürfe sei. Dies gipfelt darin, dass Pro Köln allen Moslems unterstellt, terroristische Absichten zu haben. In ihrem Konzept des kulturellen Rassismus, wird der „Rassenunterschied“ des biologistischen Rassismus der Nationalsozialisten nun als „unterschiedliche kulturelle Identität“ verkauft. Die angeblichen „unterschiedlichen kulturellen Identitäten“ sind dabei konstruiert, wie ein Gefängnis aus dem der/die Einzelne nicht entfliehen kann. Die rassistischen Zuschreibungen, wie „Sinti und Roma Kinder klauen“, werden auf jede einzelne Person projiziert, die der Personengruppe zugehörig sein soll. Aus diesem modernisierten Rassismus ergibt sich ihr „Ethnopluralismus“ („Deutschland den Deutschen, die Türkei den Türken“), der in der Vermischung „unterschiedlicher Kulturen“ die Ursache grundlegender gesellschaftlicher Probleme z.B. Arbeitslosigkeit(1), Gewalt, mangelnde Bildungsmöglichkeiten sieht. Als vermeintlich einfache Lösung dieser Probleme propagiert Pro Köln ein so genanntes „Rückführungsgesetz“ gegen MigrantInnen. Pro Köln ist längst Teil der rassistischen Debatte und Praxis in Köln und Deutschland. Auch wenn die konkreten Kooperationen vom rassistischen Mob und Pro Köln bisher Einzelfälle blieben, so hat die so genannte Bürgerbewegung Recht, wenn sie sich unter dem Label „Pro-Köln-Effekt“ eine effiziente Beeinflussung der Stadtpolitik zuschreibt. Ob in Merkenich gegen ein „Übergangswohnheim“ oder in Humboldt-Gremberg gegen den Junkiebund, Teile der Kölner Bevölkerung greifen gerne auf die Hilfe von Pro Köln zurück, wenn es darum geht Asylsuchende oder sozial ausgegrenzte Menschen aus ihrem Sichtfeld zu vertreiben. Besonders beim Thema Moscheebau geben sich gerne viele KölnerInnen mit den RassistInnen die Klinke in die Hand.(2) Pro Köln schafft es, die rassistischen Stimmungen der Bevölkerung zu konzentrieren und sie zugespitzt im Rahmen der politischen Debatte zu artikulieren. Neben dieser katalytischen Funktion hat Pro Köln gleichzeitig eine transformatorische Wirkung auf den rassistischen Mob. Durch die organisierte Einbindung von „normal“ rassistischen BürgerInnen in die extreme Rechte, wird aus dem, teilweise widersprüchlichem Weltbild des rassistischen Mobs ein kohärentes extrem Rechtes geformt. Gleichzeitig verstärkt sich hierdurch die Basis für faschistisches Gedankengut. Dabei bieten die Kooperationen mit anderen rechtsextremistischen Organisationen (NPD, JN, „Freie Kameradschaften“) die Möglichkeit für radikalisierte Pro Köln AnhängerInnen, einen Einstieg in die neo-faschistische Szene (3) zu erhalten. In der gewaltbereiten neo-nazistischen Szene sieht man in Pro Köln die Möglichkeit, faschistische Ideen an die bürgerliche Mitte heranzutragen. So schrieb der wegen Volksverhetzung inhaftierte Neonazi Axel Reitz in seinem Aufruf zur Kölner Kommunalwahl vom 26. September 2004: „Pro Köln vertritt viele unserer Forderungen und ist imstande diese inmitten der Gesellschaft zu verankern und hoffähig zu machen, […] zumal führende Funktionäre dieser Bürgerbewegung offene Sympathien für uns und unsere Bewegung hegen.“

Rassismus auf allen Ebenen bekämpfen!

Gerne grenzen sich die bürgerlichen Kölner Ratsparteien in den Medien von Pro Köln ab. Hauptinteresse der Parteien ist jedoch nur der Fakt, dass die „Bürgerbewegung“ es durch ihr bürgernahes Biedermann-Image schafft, WählerInnen vermehrt anzusprechen und dadurch als Konkurrenz zu anderen Ratsparteien bei der Verteilung von Posten und Geldern aufzutreten. Das was der politische Mainstream inhaltlich bietet, unterscheidet sich nur partiell von dem, was Pro Köln fordert. So diffamiert zum Beispiel der jugendpolitische Sprecher der FDP-Ratsfraktion, Marco Mendorf, im Pro Köln-Jargon Roma-Kinder als „Kölner Klau-Kids“, die seiner Meinung nach in „geschlossene Einrichtungen“ weggesperrt gehören. Gerade wenn es darum geht die „Festung Europa“ abzuschirmen ist die FDP Köln ist immer ganz vorne dabei. „Ein Bleiberecht für alle illegal Eingereisten lehnen wir als Belohnung für Straftaten entschieden ab“, erklärte Ulrich Breite für die Kölner FDP und kriminalisiert damit Flüchtlinge mit einer klassischen rassistischen Denkfigur. Auch der CDU-OB, Fritz Schramma, gibt gerne rassistische Statements zu Gute, wie in einem Express-Interview, in dem er die „Ausländer“ für die „Vermüllung“ der Ringe verantwortlich machte, „weil ja bekanntermaßen viele aus ihren Herkunftsländern ein anderes Bewusstsein von Reinlichkeit und Sauberkeit und Ordnung“ hätten. Bei der so genannten politischen Linken sieht es nicht wirklich besser aus. Im Dezember 2006 stimmten SPD, Grüne und Die Linke.PDS einem Beschluss des Stadtrates zu, in welchem die „Bleiberechtsreglung“ so zu gestalten sei, dass „kein Anreiz auf dauerhaften Bezug von Sozialhilfe oder anderen sozialen Transferleistungen“ geschaffen werde. Die Anbindung von Aufenthaltsrecht/Bleiberecht von Menschen an das Potenzial ihrer wirtschaftlichen Ausbeutungsfähigkeit wird von keinem der politischen Akteure in Frage gestellt. Die „Linken“ ziehen bei der rassistischen Stadtpolitik von Abschreckung und Kriminalisierung von Flüchtlingen immer dann gerne mit, wenn irgendein rassistischer Bürger-Mob sich zu Wort meldet oder humanitäre und dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen wieder mal zu teuer seien. Die Zwangseinpferchung von Flüchtlingen in so genannten „Sammelunterkünften“ und die teilweise brutalen Razzien der Kölner Polizei bleiben somit seit Jahren ungebrochene Praxis. Bei dem Ausbau der „Festung Europa“, der Abschottung Europas von allen nicht-wirtschaftlich verwertbaren Menschen, spielt Deutschland eine Vorreiterrolle. Durch die faktische Abschaffung des Asylgesetzes 1993 (4) wurden die Fundamente für das Migrationsregime deutlich ausgebaut. Eins der zentralen Elemente dieser Menschenselektion ist das Ausländerzentralregister (AZR) in Köln. „Im AZR beim Bundesverwaltungsamt in Köln ist das gesamte Herrschaftswissen über alle Nichtdeutschen, die in der BRD, aufhältig sind oder es jemals waren, in einem gigantischen Pool konzentriert […]. Das Ausländerzentralregister ist ein rassistisches und totalitäres Register. Es muss deshalb weg.“(5) Wer den RassistInnen von Pro Köln das Handwerk legen will, darf sich nicht nur ihren rassistischen Kampagnen entgegenstellen, sondern muss dem gesamten bürgerlichen Rassisten-Mob ein klare Abfuhr erteilen. Die Abschaffung von „Sammelunterkünften“, Abschiebelagern, des ganzen unmenschlichen Aufenthaltsrechts stehen für uns auf der Tagesordnung. Dies zu verwirklichen bedarf es der endgültigen Abschaffung aller Grenzen und Nationen.

Deutschland einig Untergang!

Zum WM-Deutschland-Gejaule der besoffenen deutschen Massen schrieb Pro Köln: „Patriotismus ist wieder in – ein echter Fortschritt in einem Land, in dem noch vor wenigen Jahren Schüler Ärger bekamen, wenn sie Aufkleber mit dem Spruch „Ich bin stolz, Deutscher zu sein“ auf ihren Taschen hatten.“(6) Die Verbindung des bei der Fußball-weltmeisterschaft demonstrierten und inszenierten „Partynationalismus“ mit einer NPD-Parole ist dabei keine „bösartige“ Unterstellung des „neuen Deutschland“, sondern ein berechtigter Verweis auf deren Gemeinsamkeiten. Mit dem Versuch des „Partynationalismus“ ein „Deutschsein“ mit neuem Inhalt zu füllen wie modern, weltoffen, tolerant und humorvoll, sollte dem alten klebrigen Kitt von konstruierten „deutschen Sekundärtugenden“, wie Pünktlichkeit, Ordnungsliebe, Obrigkeits-Hörigkeit, ein neuer Anstrich verpasst werden. Gerade die deutsche Vergangenheit steht bei dem Versuch einer Neuformulierung des „Deutschseins“ den „Neuen-Patrioten“ derart im Weg zur „Normalität“, dass die deutschen Verbrechen (Shoa), wenn nicht geleugnet so doch relativiert und zur überall wiederkehrenden „menschlichen Barbarei“ universalisiert werden. Neben dem „Partynationalismus“ bleibt in Deutschland der traditionelle völkische Nationalismus in Gesetzgebung und allgemeiner Debatte weiterhin dominant. Die Definition des „Deutschsein“ per Abstammung und „Blutszugehörigkeit“, dem ius sanguis, ist noch immer dominant im Staatsbürgerschaft-Verständnis. Ob Ethnopluralismus von Pro Köln oder traditioneller völkischer Nationalismus oder „Partynationalismus“, alle diese Formen finden sich in der Debatte um einen Standortnationalismus wieder. Der Standort wird im öffentlichen Diskurs zum zeitgemäßen Repräsentanten der Nation, der zu verteidigen sei. So wurde gefordert, dass die „Partylaune“ bei der WM sich in Aufopferungsbereitschaft (Lohnkürzung, Mehrarbeit) der Arbeitnehmer für „Deutschland“ umschlagen müsse. Und in bester völkisch-antisemitischer Tradition wird das „fremdartige, raffende, zerstörerische“ gegen diesen Standort in ausländischen Finanzunternehmen à la „Heuschrecken“ dingfest gemacht.(7) Auch wenn die Differenz der jeweiligen Nationalismen deutlich ist und für eine Migrantin, Jüdin oder Linke, die von Nazis bedroht und angegriffen wird, den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmacht, so bleibt nichts anderes als jeden Nationalismus grundlegend abzulehnen und zu bekämpfen.

Eins, zwei, drei – Nazi frei?

Es ist richtig und wichtig der extremen Rechten in Köln und anderswo keinen Raum für ihre Propaganda zu geben und weiter die Aufklärung über Pro Köln auszudehnen. Dabei darf es aber keinesfalls darum gehen sich alle paar Monate an den Aufklärungsresistenten abzuarbeiten. Ziel ist es, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, in dem es FaschistInnen nicht möglich ist im öffentlichen Raum schadlos in Erscheinung zu treten. Dass neonazistisches Denken und Handeln in nicht wenigen Punkten eine Zuspitzung alltäglich vorhandener grundlegender Strukturen und Einstellungsmuster darstellt, muss immer wieder betont werden. Zu diesen zählen zum Beispiel Patriarchat, Rassismus, Antisemitismus, Rassismus, Autoritäts- und Leistungsdenken, Konkurrenz-, Elite- wie Verwertungsdenken, heterosexistische Nominierung und „Behinderten“-Feindlichkeit. Sie bilden den gesellschaftlichen Nährboden, aus dem heraus neofaschistisches Handeln und Denken entsteht bzw. gefördert oder zumindest geduldet wird. Dass im Kampf gegen extrem rechte Bestrebungen der deutsche Staat und seine Repräsentanten für uns keine Partner sein können, ist allein schon deshalb eine Notwendigkeit, da dieser/diese selber die rechten Strukturen und Einstellungen verursachen, fördern oder reproduzieren. Dem Staats-„Antifaschismus“ geht es bei seiner „Bekämpfung“ der neonazistischen Bewegung letztendlich vor allem um eine Entlastung von deutscher Schuld, die für „das bessere Deutschland“ den Weg für weitere Angriffskriege und deutsche Verbrechen bereiten. Ein Leben ohne Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus ist nur jenseits der kapitalistischen Verwertungsmaschinerie möglich. Das Leben innerhalb derselben wird immer durch die sachliche Gewalt der kapitalistischen Logik durchdrungen sein und die kritisierten Strukturen und Bewegungen hervorbringen. Dabei bedarf die Kritik der kapitalistischen Produktionsverhältnisse der vermittelnden politischen Praxis, die die radikale Kritik der bestehenden Verhältnisse in all ihren Ansätzen zum zentralen Punkt macht. Daher muss der Kampf gegen Pro Köln immer im Kontext der Kriegserklärung an jene Verhältnisse aus denen heraus diese „Bewegung“ überhaupt erst erwachsen konnte, geführt werden.

Wir treten ein für eine Gesellschaft frei von Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus!

(1)Innerhalb einer kapitalistischen Ausbeutungsgesellschaft ist die Lohnarbeit für die Mehrheit der Bevölkerung die einzige Möglichkeit des Lebensunterhalt-Erwerbs. Wir distanzieren uns entschieden von jedwedem Arbeits-Fetischismus, der die entfremdete Tätigkeit (Arbeit) als ein menschliches Bedürfnis definiert.

(2) („Bürgerbegehren“ gegen den Moscheebau in Ehrenfeld)

(3) Unter Anderem kooperieren sie mit der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und den Jungen Nationaldemokraten (JN). So führte sie zusammen mit NPD, JN und Freien Kameradschaften am 15. März 2003 zwei Kundgebungen mit Aufzügen unter dem Motto „Keine Groß-Moschee nach Chorweiler“ und „Keine Groß-Moschee nach Köln-Mülheim“ durch. Auf diesen Kundgebungen wurden u. A. EinwanderInnenfeindliche Parolen, wie „Ali, Mehmet, Mustafa – Zurück nach Ankara“ skandiert.

(4)(Drittstaaten-Regelung)

(5) Auszug aus der Erklärung der RZ (Revolutionäre Zellen) zum 1986 verübten Sprengstoffanschlages aufs AZR

(6) Aus der „Objektiv“ Nr.2

(7) Die gängige Praxis internationaler Finanzunternehmen nach dem Aufkauf von Firmen anschließenden die nicht rentabler Geschäftsbereiche zu schließen und den rationalisierten rentablen Kerngeschäfts-Bereich wieder zu veräußern, entspringt nicht einer ominöser „Bösartigkeit“ dieser Unternehmen sondern einer sich verschärfenden Wettbewerbssituation bei gleichseitig niedrig werdender Profitrate.

Kein Vergeben – Kein Vergessen!

Vor 68 Jahren in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten in ganz Deutschland und Österreich Synagogen und jüdische Einrichtungen. In Köln wurden alle sechs Synagogen in dieser Nacht angegriffen und über 500 Jüdinnen und Juden von der Gestapo nach Dachau verschleppt. Die Pogrome richteten sich auch gegen jüdische Cafés, Gaststätten, Geschäfte und Einrichtungen. Kölner Jüdinnen und Juden wurden aus ihren Geschäften gejagt und in ihren Wohnungen verprügelt – einer wurde totgeschlagen. In „Judenhäusern“ und Internierungslagern, wie dem Messelager in Deutz, wurden sie zusammengepfercht. Am 12. November wurden unter Görings Leitung die vollständige Enteignung der jüdischen Bevölkerung und ihr faktischer Ausschluss aus dem öffentlichen Leben beschlossen. So mussten bis zum Jahresende die verbliebenen jüdischen Geschäftsleute ihre Betriebe schließen. Jüdinnen und Juden wurde der Besuch von öffentlichen Veranstaltungen wie Theater, Kinos, Konzerten oder Ausstellungen verboten. Jüdische Einrichtungen wurden geschlossen oder durch Arisierungen von Deutschen übernommen. Die Masse der Bevölkerung schaute den Pogromen und den anschließenden Verfolgungsmaßnahmen schweigend zu.

Der 9. November 1938 kam nicht unerwartet, plötzlich oder gar aufgrund des von den Nazis bis heute als Rechtfertigung herangezogenen Attentats auf den deutschen Botschafter in Paris. Schon am 1. April 1933 fanden in Köln Boykottage gegen Jüdinnen und Juden statt, bei denen diese gedemütigt, misshandelt und durch die Stadt getrieben wurden. Zwischen 1933 und 1937 wurden Jüdinnen und Juden durch Gesetze aus fast allen Berufen gedrängt. 1935 wurden die so genannten Nürnberger Rassegesetze verabschiedet. Durch verschiedene Verordnungen verschärfte sich im Laufe des Jahres 1938 die Lebenssituation für Jüdinnen und Juden in allen gesellschaftlichen Bereichen: Registrierungsmaßnahmen von Vermögen, Meldepflichten für jüdische Gewerbebetriebe, Zwang zum Namenszusatz „Sarah“ für alle Jüdinnen und den Zusatz „Israel“ für alle Juden, Berufsverbote für jüdische Ärztinnen und Ärzte, Kennzeichnung aller Pässe jüdischer Bürgerinnen und Bürger mit einem „J“ und die Ausweisung hunderter Jüdinnen und Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit, die meist schon seit Jahrzehnten in Köln gelebt hatten. Begleitet wurden diese Maßnahmen von einer massiv antisemitischen Propaganda, die bei vielen Deutschen auf Zustimmung traf. Als das von der NSDAP und staatlichen Stellen inszenierte Pogrom am 9. November 1938 losbrach, haben es alle mitbekommen, doch fast niemand aus der Bevölkerung hat Widerstand geleistet. Innerhalb von vier Tagen wurden im ganzen Land fast 8.000 jüdische Geschäfte geplündert und zerstört, 267 Synagogen wurden niedergebrannt oder gesprengt. Zeitgleich wurden über 25.000 Jüdinnen und Juden verhaftet. Während mindestens 91 von ihnen sofort ermordet wurden, deportierten die Nazis weitere 3.000 in Konzentrationslager, wo die meisten später einen qualvollen Tod durch Zwangsarbeit starben oder in den Gaskammern ermordet wurden. Von den 1933 in Köln lebenden 750.000 Menschen waren rund 20.000 Menschen jüdischen Glaubens. Neben Bethäusern und Gemeindezentren unterhielten sie Kindergärten und Schulen, Krankenhäuser und Altenheime, Kulturvereine und Sportclubs. Nach dem Krieg waren alle Synagogen und jüdischen Einrichtungen in Köln zerstört. Von diesen 20.000 Jüdinnen und Juden schafften nicht einamal 50, sich zu verstecken um von dem antisemitischen Wahn verschont zu bleiben.

Gegen „Deutsche Normalitäten“!

Nach 68 Jahren wird von der politischen Klasse die „neue deutsche Normalität“ verkündet. Bundespräsident Horst Köhler erklärte 2005 vor dem israelischen Parlament zwar, dass „die Verantwortung für die Shoah […] Teil der deutschen Identität “ sei, gleichzeitig vollzieht sich jedoch im deutschen erinnerungspolitischen Diskurs eine Relativierung der Shoah. So verkündete derselbe am 8. Mai 2005: „Wir trauern um alle Opfer Deutschlands…“ Schon längst sind die Relationen zwischen Täter und Opfer im Diskurs verschwommen. Die grassierende Dekontextualisierung hat Jede und Jeden, der/die persönliches Leid erfahren hat in die Opfer-Kategorie verschoben. Organisatorisch und praktisch wird dieser Revisionismus durch das Projekt „Zentrum gegen Vertreibung“ vorangetrieben, das in Zusammenarbeit der Deutschen Regierung und des Bundes der Vertriebenen geplant wurde. In diesem Projekt wird durch die Aufrechnung der umgesiedelten Deutschen aus den osteuropäischen Ländern sowie mit vielen weiteren Tote aus verschieden Ländern in verschieden Zeiten mit den entsetzlichen Verbrechen deutscher Täter und Täterinnen über 6 Millionen jüdischen Opfer die Shoah relativiert. An die Stelle der Leugnung deutscher Verbrechen tritt heute verstärkt die Verklärung deutscher TäterInnen zu Opfern. Entgegen dem Geschichtsrevisionismus „neuer deutscher Art“ wollen wir heute deutlich sagen, dass deutsche TäterInnen keine Opfer waren und für uns auch niemals sein werden. In Zeiten des „deutschen Opfertums“ blüht der Antisemitismus in der deutschen Bevölkerung wieder verstärkt auf. Heute tragen die Alt- und Neu-Nazis ihren antisemitischen Vernichtungswahn wieder auf die Straßen. So versuchen Nazis auch in NRW seit Jahren mit provokanten Aufmärschen und Aktionen die Gedenkveranstaltungen am 9. November zu stören und für ihre antisemitische Propaganda zu missbrauchen. 2004 marschierten sie unter dem Motto „Gegen einseitige Vergangenheitsbewältigung“ durch Leverkusen und verhöhnten die Opfer der Shoah mit Rufen wie „Die schönsten Nächte sind aus Kristall“. 2005 wollten die Nazis einen Fackelmarsch vor der Synagoge in der Roonstraße veranstalten, welcher durch die Polizei und Gerichte kurzfristig verboten wurde. In Zeiten von Anschlägen auf Synagogen, Schändungen von Gedenkstätten und jüdischen Friedhöfen müssen wir die Erinnerung an die historischen Verbrechen vom November 1938 wach halten. Der 9. November steht für die Brandstiftung und Zerstörung von Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen, für die Verschleppung von tausenden Menschen in die Konzentrations- und Vernichtungslager , für die Entrechtung von Menschen jüdischen Glaubens durch Sondergesetze und Ghettoisierung, für den organisierten Raub jüdischen Eigentums durch die Praxis der „Arisierungen“. Große Teile der Kölner Bevölkerung hatten sich damals an der Vernichtung der Juden in Europa beteiligt, davon profitiert oder geschwiegen. Wir rufen auf zu einer antifaschistischen Demonstration gegen die neue alte Deutsch-Tümelei, gegen Geschichtsrevisionismus und jegliche Form der Relativierung oder Umkehrung deutscher Schuld an der Shoah.

Antisemitismus bekämpfen! Nie wieder Faschismus!