Privatisierung des „Abschiebegeschäfts“

Die Privatisierungswelle macht auch vor der Flüchtlingsversorgung und der Abschiebepraxis nicht halt. Das Geschäft mit der Abschiebung floriert mittlerweile in der BRD. „Professionell und effizient“ sind die Schlagworte unter denen Überwachungs- und Versorgungsbereiche in die Hände von privaten Anbietern gelegt werden. Ziele sind Teile der Bewachung und Organisation von so genannten Ausreisezentren sowie Gefängnissen und Unterkünften, aber auch die Versorgung, Betreuung und den Transport von Flüchtlingen auszulagern. 40 bis 50 % der Personalausgaben, so rechnen wissenschaftliche VertreterInnen der Sicherheitsbranche vor, ließen sich mit einem Outsourcing einsparen.

Kötter Security

Kötter Security ist eine Sicherheitsfirma, die im Auftrag von staatlichen und privaten Unternehmen arbeitet. Beispielsweise in Köln ist sie für die Sicherheitsgewährung im Flughafen Köln/Bonn zuständig. In der JVA Büren stellt Kötter Security 50% des Überwachungspersonals und übernimmt die Aufgaben der Schließer, die Türen innerhalb und die Knasteingangstore für die Häftlinge zu öffnen und zu schließen. Da Kötter Security auch MigrantInnen einstellt, kommt es zu der Situation, dass in Büren MigrantInnen für 8,00 € die Stunde bewachen, während die Gefangenen für 2,00 € Stundenlohn arbeiten. Von den 2,00 € wird allerdings fast die Hälfte einbehalten, um die „entstandenen Kosten“ der Inhaftierung und Abschiebung zu finanzieren. Auf einer Security Messe empfahl sich Kötter Security damit, dass sie bereits die Infrastruktur besäßen, um Knäste komplett in privater Regie zu übernehmen. Um sich auf diesem Gebiet weiter zu profilieren, gründete Kötter Security eigens einen so genannten Sicherheitsbeirat, in dem so illustre Persönlichkeiten wie General a.D. Ulrich Wegener, Gründer der GSG9, Dr. Peter Frisch, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Hubertus Grützner, ehemaliger Bundesvorsitzender des Bundesgrenzschutzverbandes sitzen.

Der Sicherheitsbeirat soll sich bei der Politik dafür einsetzten, weitere Bereiche der Gefängniswirtschaft zu privatisieren. 2004 wurde in Hünfeld der Grundstein für das bundesweit erste teilweise privat geplante, gebaute und betriebene Gefängnis gelegt.

European Homecare

Neben Kötter Security ist ein weiteres expandierendes privates Unternehmen mit der Versorgung von Insassen in der JVA Büren betraut. Seit dem 1.1.2003 wird die psychosoziale Betreuung der Abschiebehäftlinge in Büren durch die private Firma European Homecare, vormals Kote & Mrosek durchgeführt. Zuvor war dies jahrelang Aufgabe des Deutschen Roten Kreuz (DRK).

Die psychosoziale Betreuung war eingerichtet worden, nachdem Häftlinge mehrmals revoltiert hatten und ist somit als so genannte Befriedungsmaßnahme zu beurteilen. Die Arbeit der hauptamtlichen BetreuerInnen besteht demnach im Wesentlichen aus psychosozialer Beratung, also klassischer Sozialarbeit, zusätzlich werden Freizeitmaßnahmen wie Koch- oder Deutschkurse angeboten. Zur Zeit werden vier Menschen mit je einer halben Stelle beschäftigt, die alle schon für das DRK gearbeitet haben. Nach wie vor ist es den MitarbeiterInnen aber nicht erlaubt, rechtliche Hinweise oder Beratung zu geben sowie Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.

Die Sorgen vieler Häftlinge, wie sie aus dem Abschiebegefängnis herauskommen oder die Suche nach Möglichkeiten einer Verhinderung der Abschiebung bleiben somit unbeantwortet. Es geht in der psychosozialen Betreuung ausschließlich um das subjektive psychische Wohlbefinden der Eingesperrten.

Warum aber wurde die private Dienstleitungsfirma European Homecare mit diese Beratung betraut und nicht mehr das DRK? Ein Unterschied zwischen DRK und European Homecare besteht in der Vergütung. European Homecare hat den Zuschlag für die Betreuung in Büren bekommen, weil sie mit 12,90 € pro Tag und InsassIn deutlich unter dem Angebot des DRK von 17,- € blieb.

European Homecare übernimmt neben der psychosozialen Beratung in Abschiebegefängnissen auch die so genannte „Rückkehrberatung“ in elf deutschen und vier österreichischen Erstaufnahmestellen und Wohnheimen für MigrantInnen. In der „Rückkehrberatung“ geht es laut eigener Aussage von European Homecare auf ihrer Homepage darum, den MigrantInnen Informationen über ihre Lage und eine so genannte „realistische Einschätzung der Perspektiven“ aufzuzeigen. So soll zum Beispiel die berufliche Qualifikation der zu Betreuenden evaluiert und ermittelt werden, um herauszufinden ob sich die jeweilige Ausbildung dazu eignet in der BRD beruflich Fuß zu fassen. Hauptsächlich dient die „Rückkehrberatung“ allerdings dazu die Annahme zu erlangen, dass eine Ausreise für die MigrantInnen die richtige und einzige Alternative darstellt.

Neben der Beratung ist European Homecare auch im Immobiliengeschäft tätig und bietet den Service Immobilien in Asylunterkünfte umzubauen. Weitere Dienstleistungen sind z.B. die „Unterbringung sozialer Randgruppen“, die Verpflegung von Flüchtlingswohnheimen und Ausreisezentren, „Beschaffung von Einrichtungsgegenständen“, „Verwaltungssoftware“, und die allgemeine Projektberatung.

Ein regionales Beispiel für die Arbeit der EHC ist die psychosoziale Betreuung auf dem Transitgelände des Düsseldorfer Flughafens, auf dem MigrantInnen 19 Tage lang festgehalten werden können bis sie einen Asylantrag stellen dürfen oder abgeschoben werden.

Psychoterror als „Beratung“

Die „rückkehrorientierte Beratung“, die den MigrantInnen verdeutlichen soll, dass es für sie keine Bleiberechtsperspektive in Deutschland gibt, ist keine Beratung. Denn eine Beratung ist prinzipiell ergebnisoffen und darauf ausgerichtet, mit den AdressatInnen verschiedene Handlungsalternativen zu erarbeiten. Die so genannte Beratung in Abschiebeknästen und Ausreisezentren hat jedoch nur ein Ziel: die schnellstmögliche Ausreise. Dass sie eher Verhöre sind und psychischen Druck aufbauen sollen, zeigt die Tatsache, dass die VerhörerInnen in polizeilichen Verhörmethoden geschult werden.

Die Privatisierung von Gefängnissen und Abschiebezentren sichert durch die praktizierte „Effizienz“ die Gewinne der Firmen im „Flüchtlingsgeschäft“. Was diese angebliche Effizienz hervorzubringen vermag, zeigte sich bereits im Februar 2002 in der Nähe von London. Dort brach 3 Monate nach der Fertigstellung eines „Immigration Detention Centres“ ein verheerendes Feuer aus, weil an der Sprinkleranlage gespart worden war. Die Feuerwehr durfte erst auf das Gelände, nachdem die Polizei es umstellt hatte, damit keiner der 385 Flüchtlinge davonkommen konnte. Mehrere Menschen wurden verletzt oder verloren ihr gesamtes Hab und Gut. Dass im Folgenden dreizehn Flüchtlinge angeklagt wurden und nicht der private Betreiber des Abschiebegefängnisses, obgleich die Feuerwehr erhebliche Sicherheitsmängel in der Nachuntersuchung feststellte, ist Programm des „effizienten Flüchtlingsgeschäfts“.

Abschaffen!

Neben den Effizienz- und Kostenfragen ergeben sich aus der Privatisierung für Bund und Länder zahlreiche Vorteile daraus, ein privates Unternehmen zu beschäftigen. Ein abhängiges Dienstleistungsunternehmen stellt keine lästigen menschenrechtlichen Fragen oder plädiert gar für die Einhaltung von Mindeststandards. Eine Privatfirma lässt auch sicherlich keine öffentliche Kritik an katastrophalen Zuständen in Gefängnissen und Ausreiselagern verlauten. Darüber hinaus kann die Verantwortung für eskalierende Situationen und Vorfälle abgeschoben und als Versagen der Unternehmen ausgelegt werden. Skandalös genug, dass Flüchtlinge gegängelt werden durch Meldeauflagen, eingesperrt werden dafür, dass sie ein selbst bestimmtes, uneingeschränktes Leben führen wollen und abgeschoben werden in Länder, wo ihnen Folter, Vergewaltigung und Mord drohen. Dass durch die Privatisierung von Gefängnissen mit dem Leid der MigrantInnen auch noch Geld verdient wird, private Firmen an der rassistischen Gesetzgebung mit verdienen und das Leben der gefangenen MigrantInnen bis zu letzt der kapitalistische Verwertungslogik ausgesetzt wird, ist zum Kotzen!

In diesem Sinne:

Solidarität muss praktisch werden!