DE*NATIONALIZE!

EUROPA.DEUTSCHLAND.KÖLN ALLES SCHEIßE!

DE*NATIONALIZE!

Am 9. Mai 2009, dem Europatag, wird es wieder heißen, dass „die demokratischen Kräfte, die Kölner Zivilgesellschaft, den Rassist_innenkongress nicht hinnehmen wollen“. Die „demokratischen Kräfte Deutschlands“ zeigen sich geläutert und darum gelte es den „guten Nationalismus“ der bundesrepublikanischen Deutschen gegen den „bösen Nationalismus“, welcher am 8. Mai 1945 in Form NS-Deutschlands untergegangen ist, zu verteidigen. So wie die Deutschen 60 Jahre lang ihre BRD-Verfassung gehütet und vor 20 Jahren die Mauer niedergerungen haben, soll nun Köln wieder durch die Kölner_innen vor den „Braunen“ gerettet werden.

60 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs scheint die Nation Deutschland ihre Niederlage aufgearbeitet zu haben und die deutsch-nationale Identität im neuen Licht zu erstrahlen. Das nationale Wir wird gegen die Rechtspopulist_innen in Stellung gebracht, zur Verdauung der Schuld am 2. Weltkrieg animiert und als Garant für die Überwindung von Finanzund Wirtschaftskrise präsentiert. Ganz nach dem Motto „Wir, die Deutschen, haben gelernt und können stolz auf uns sein“, wird mit der Vergangenheit abgerechnet und die eigene Stellung innerhalb Europas gesichert.

Deutschland? Nie Wieder!

Der 8. Mai steht in diesem Kontext als umgedeuteter geschichtlicher Moment. Der Tag der Befreiung, das offizielle Ende des Nationalsozialismus und damit das Ende eines deutschen Verbrechens mit universellem Ausmaß, wird zur europäischen Katastrophe umgedeutet, aus der die Notwendigkeit für ein geeintes Europa, für Frieden und Kooperation im „alten Kontinent“ entstanden sei. Der Zweite Weltkrieg und damit auch die Shoa – wird somit zum Gründungsmythos der Europäischen Union. Diese rückblickenden Sinnstiftungen des 1. und 2. Weltkrieges sind ein Projekt, um eine nationale europäische Identität zu begründen. Gleichzeitig nutzt Deutschland die Gelegenheit, um die Schuld an den beiden Kriegen und die Erinnerung an die deutschen Verbrechen in einem europäischen Zusammenhang zu entwirklichen.

Die verallgemeinerten Leiden während des 2. Weltkrieges, der Verzicht auf eine Differenzierung zwischen deutschen Verbrechen und alliierten Kriegsmaßnahmen, bilden den Kitt dieser deutsch-nationalen Geschichtsumdeutungen. So werden deutsche Täter_innen, wahlweise als tote Zivilbevölkerung durch alliierte Bombenangriffe, als „Vertriebene aus angestammten Gebieten“ oder als das „Teilungsvolk“ des Kalten Krieges unter die Opfer-Kategorie subsumiert.

Die Umdeutung der Niederlage im 2. Weltkrieg ist die Grundlage für den neuen ideologischen Identitätsaufbau Deutschlands und dessen Verortung innerhalb Europas. Die Schrecken der Kriege sollen erinnerungspolitisch als Begründung einer „Schicksalsgemeinschaft Europa“ dienen und eine Zusammengehörigkeit formulieren, die sich in gemeinsamen wirtschaftlichen, politischen, ideologischen und kulturellen Formen manifestieren würde.

Die neue Heimat Europa verraten!

Diese vermeintliche Zusammengehörigkeit, die in der Parole der Nation der Nationen mündet, soll wie jeder Nationalismus über nichts weiter hinwegtrösten, als dass den meisten Menschen nur der Mist der permanenten Selbstverwertung als „Humankapital“ auf dem Markte bleibt. Die Identifikation mit dem „nationalen Wir“ verspricht den in Konkurrenz zueinander Stehenden und durch die blinden MarktgesetzeBeherrschten, eine selbstbestimmte Politik gegen die täglichen Ohnmachtserfahrungen. Dabei ist die Identifikation mit dem nationalen Kollektiv für den Standort von Vorteil, er erhöht die Leistungsbereitschaft seiner Bürger_innen und garantiert so einen Wettbewerbsvorteil für die eigene Nation. Dieser Wettbewerbsvorteil ist für die jeweiligen Staaten auch nötig, schließlich hängt ihre Souveränität von der Akkumulationsfähigkeit ihres nationalen Wirtschaftsraums einschließlich des Weltmarkterfolges ab.

Die Europäische Union ist insofern eine Zweckgemeinschaft konkurrierender Nationen. Die Gründung der Montanunion 1952 und die weitere Institutionalisierung des europäischen Rahmens in Bereichen der Währungs-, Handelsund Wettbewerbspolitik manifestierte die Notwendigkeit von wirtschaftlicher Kooperation innerhalb kapitalistischer Konkurrenz.

Die einzelnen Staaten übertragen ihre Konkurrenzbestrebungen, die sie einzeln nicht verwirklichen können, auf Europa, um in der Welt als Global Player Stellung zu nehmen. Gleichzeitig wird auch der Wettbewerb nach innen vorangetrieben, damit aus der innereuropäischen Konkurrenz ein hohes Niveau entsteht. Den einzelnen Staaten kommt die Funktion zu, die Verträge und Vorgaben der E.U. durchzusetzen, um den gemeinsamen Wettbewerb und dessen Zielsetzung zu sichern.

Ideologisch wird das Projekt Wettbewerbsgemeinschaft Europa durch die Propagierung eines neuen „weltoffenen“ europäischen Nationalismus flankiert. Der aus der Geschichte zusammengeschweißten Nation wird die Propagierung eines „europäischen Kapitalismus“ als Gegensatz zum „US-amerikanischen Turbokapitalismus“ und der „Barbarei des Orients“ hinzugefügt. Die Staaten der E.U. verstehen sich als weltpolitische Vorbildsmodelle von perfekt demokratisch funktionierenden Nationalstaaten. Europa steht somit nicht nur für Frieden, sondern auch für eine abendländische Kultur und sozialverträglich geordneten Kapitalismus. Gerade der Krisengewinner und Exportweltmeister BRD möchte sein Modell der sozialen Marktwirtschaft für Europa und der ganze Welt als Exportschlager verkaufen. Ordnungspolitisch geht es dabei um die Sicherung der Massenloyalität auch unter der Lohnarbeiterschaft, egal welcher So-
zialabbau auch ansteht und wie sich die Weltmarktkonkurrenz auch verschärft die Europäer_innen eng verschweißt mit ihren europäischen Nationen gegen die „Heuschreckenglobalisierung“.

Es ist dieser „europäische Aufklärungsnationalismus“, der selbst die autoritären und antiamerikanischen Versatzstücke liefert, den die Rechtspopulist_innen in ihr Nationenverständnis eines „europäischen Abendlandes“ eingliedern. Das „nationale Wir“ von dem aus Rechtspopulist_innen agieren wird von den demokratischen, zivilgesellschaftlichen Akteur_innen frei Haus geliefert, ohne dass ihr Nationenverständnis durch das der Rechtspopulist_innen ernsthaft gefährdet würde.

„Die Bekämpfung des Rassismus mit den Mitteln der Demokratie ist wie das Löschen des Feuers mit den Mitteln des Brandstifters“

Wer also vom Rechtspopulismus spricht, darf von der Demokratie nicht schweigen. Die Mehrheit der Gegner_innen der rechtpopulistischen Bewegung erklären ihre Gegnerschaft zumeist mit den Stichworten Rassismus und Demokratie. Der Rassismus der Rechtspopulist_innen wird dabei immer wieder explizit oder implizit als Gegensatz zur demokratischbürgerlichen Ordnung dargestellt. Jedoch ist es der demokratische Normalbetrieb, der die nationalistische Ideologie und somit den Rassismus hervorbringt. Das antirassistische Selbstbild der Demokratie ist bloß die Folge der Unterscheidung zwischen den Rassismen, die als unzeitgemäß gelten und solchen, die in der Demokratie anerkannt und üblich sind. So gilt die Unterscheidung zwischen „Inländern“ und „Ausländern“ nicht als Rassismus. Die Ungleichbehandlung von Menschen durch das Staatsbürgerschaftsrecht und die Ausländergesetzgebung gilt in der Demokratie als bloßer politischer Nachvollzug, als eine Verrechtlichung von Phänomenen, die ihren Grund in einer dem Staatsbürgerkollektiv „gemeinsamen Kultur“ und „Identität“ hätten.

Die Toten in den Gewässern vor Lampedusa und Gibraltar sind nicht das Werk von Le Pen oder Haider. Die Abschottung Europas an seinen Außengrenzen mit all ihren mörderischen Folgen geht auf das Konto des demokratischen, rassistischen und nationalistischen Normalbetriebs in Europa. Der Forderung nach der faktischen Abschaffung des Asylgesetzes 1993 haben Nazis zwar auf den Straßen Nachdruck verliehen, die Forderung aufgestellt haben aber Schröder und Lafontaine.

Demokratischer Rassismus und Nationalismus entspringen dabei aus der tagtäglichen innergesellschaftlichen Konkurrenz. Die internationale Konkurrenz zwischen „heimischem“ und „migrantischem“ Fachpersonal ist nur eine Erscheinungsweise ein und desselben Kapitalverhältnisses, das die Mehrheit der Menschen weltweit für die Kapitalverwertung überflüssig und zu Empfänger_innen von Unterhaltsleistungen oder humanitären Hilfsaktionen macht.

Die nationale Identifikation entsteht als Reaktion auf die grundlegenden Bedrohungslagen bürgerlicher Individualität unter dem ständigen Verwertungsdruck, also aus Futterneid und Konkurrenzzwang. Das „nationale Wir“ verspricht zwar keinen unmittelbaren ökonomischen Effekt, bereits die symbolische Demütigung der „Anderen“ wirkt versichernd. Sie verschafft den Menschen, die in der kapitalistischen Konkurrenz tagein tagaus herumgeschubst werden, die beruhigende Gewissheit, eine Identität und ein paar Wurzeln zu haben.

Gleichzeitig ist den demokratischen Nationalist_innen durch die gesellschaftliche Wirklichkeit von Privateigentum und Daseinssicherung gelehrt, dass ein gutes Leben im Kapitalismus, nur als stets gefährdetes Privileg zu haben ist. Die konkurrierenden Individuen und Belegschaften bilden als Staatsvolk eine „objektive Schicksalsgemeinschaft“. Die individuellen und betrieblichen Chancen im globalen Konkurrenzkampf hängen von der ökonomischen Potenz des Staates ab, was sich an Währung, Subventionen, etc. zeigen lässt. Darum ziehen demokratischer Staat und verstaatlichtes Individuum an einem Strang, wenn es darum geht, den Kreis der Anspruchsberechtigten zu beschränken und die Pflichten der Zugehörigkeit zu erhöhen.

„Der gute Demokrat bietet Verdrängung, der böse Populist Entladung.“

Den nationalen Demokrat_innen, egal ob Europäer_innen oder Deutsche, geht es in ihrer Politik darum, den Standort wettbewerbsfähig zu halten und im offenen Meinungsaustausch der politischen Vermittlung die optimalsten Strukturbedingungen des Standorts für die Verwertung des Kapitals zu finden.

Die Demokratie bietet die Verdrängung der Ohnmacht der Einzelnen durch den Verweis darauf, dass der Staat dafür gerade stehe, dass es in der sozialen Marktwirtschaft „gerecht“ und „geordnet“ vor sich gehe und jede/r sein/ihr Kuchenstück an der Reichtumsverteilung bekomme. Das Geschäft der autoritären Rechtspopulist_innen liegt darin begründet, dass die Kuchenstücke, die zu verteilen sind, kleiner werden und die so genannte Krise des Sozialstaats sich in Ein-Euro-Jobs und anderen Erniedrigungsformen manifestiert. Die Verdrängung der Ohnmacht funktioniert kaum noch, dafür macht der Rechtspopulismus nicht die Krise im Verwertungszusammenhang sondern das „alte Establishment“ verantwortlich. So hätten die Politiker_innen „ihr Volk“ an „Heuschrecken“ und EU-Zentralismus verkauft und die angebliche Souveränität von Politik über Staat und Kapital aufgegeben. Der Rechtspopulismus ist insofern eine konformistische Rebellion gegen die „alten Autoritäten“, die nicht mehr im Stande sind, ihr Versprechen von Sozialpartnerschaft und sozialer Gerechtigkeit zu erneuern. Das Programm, das Rechtsaußen bietet, ist das „nationale Wir“ gegen „die Anderen“ in Stellung zu bringen und die nationalen Privilegien durch den autoritären Staat durchzusetzten. Die angebliche Souveränität der Politik verspricht der autoritäre Populismus mit dem Mittel einer „Volksdemokratie“ herzustellen.

Der vermeintliche Gegensatz von Demokratie und Rassismus bekommt seine gesellschaftspolitische Entsprechung in dem konstruierten Gegensatz von Zivilgesellschaft und Rechtspopulismus. Gerade linke und linksliberale Kreise huldigen der liberalen bürgerlichen Gesellschaftsordnung und ihren Akteur_innen, wenn es darum geht, sie gegen das „schlimmere Übel“ zu verteidigen.

Dabei geht es längst nicht darum, ob staatlich verbriefte Bürgerrechte in Gefahr sind, also die Formierung einer autoritären Gesellschaftsordnung vor der Tür steht, denn diese Formierung wird schließlich von selbigen zivilgesellschaftlichen Akteur_innen tagtäglich toleriert oder sogar vorangetrieben, sondern um die Machtphantasien der staatsfixierten Linken.

Zivilgesellschaft definiert sich nach Dafürhalten jener Linken und anderen Befürwortern aus politischen und sozialen Oppositionen zu den Übeln, die der tagtägliche kapitalistische Wahnsinn so bereithält. Diese Unstimmigkeiten mit den herrschenden Zuständen werden sodann zu potenziellen Systemgegnerschaften verklärt, die sich bei der richtigen Agitation und Propaganda einfach freisetzen ließen. Dabei erhält jene ominöse Zivilgesellschaft einen Sonderstatus in den linken Staatsinterventionen. So solle die Zivilgesellschaft als Gegenspieler zu den „Bonzen und ihrem Staate“ in Erscheinung treten. Denn egal ob es gerade gegen die „Finanzhaie an der Wall Street“ oder die Nationalsozialist_innen von der NPD geht, die Zivilgesellschaft ist dazu da, den bürgerlichen Staat an seine (vermeintlichen) Aufgaben zu erinnern: Die Einhaltung seiner eigenen Rechtsgrundlagen, die Sicherung seiner Souveränität, die Erhaltung der repräsentativen Demokratie, also damit auch die Versicherung für die kapitalistischen Produktionsverhältnisse.

Dass jenen zivilgesellschaftlichen Akteur_innen überhaupt diese Machtressourcen zugesprochen werden, liegt an den uneingestandenen Funktionen der Akteur_innen, die sie in der „nationalen Schicksalsgemeinschaft“ ausfüllen. Gerade in der BRD sind Bourgeoisie und Proletariat durch die sozialen Transfersysteme objektiv im internationalen Wettbewerb und ideologisch untermauert zusammengeschweißt zu einer „nationalen Gemeinschaft“.

Die Befindlichkeiten der nationalen Arbeitskraft muss in den Interessen der Wirtschaftszweige berücksichtigt werden. Diekonkurrierenden Interessenstandpunkte zwischen Lohnarbeit und Kapital sind, um Erfolg zu haben, an die

Nationalökonomie als Ganzes geknüpft. Somit sind jene beliebten zivilgesellschaftlichen Akteur_innen schlicht staatsnahe Interessenverbände, die in Deutschland für Deutschland ihren Geschäften nachgehen.

„Denn he hält m’r zesamme, Ejal, wat och passeet. En uns’rem Veedel.“

Nicht der „Anti-Islam-Kongress“ von pro Köln ist der Skandal, den es selbstverständlich zu verhindern gilt! Nein, der eigentliche Skandal ist jenes gesellschaftliche Gefüge von Staat, Nation und Kapital, das den tagtäglichen rassistischen und nationalistischen Wahnsinn produziert, und für dessen Verhärtung „pro Köln“, „FPÖ“, „Vlaams Belang“, „Lega Nord“ und wie die Organisationen der Arschlöcher alle heißen mögen, einstehen. Es ist vollkommen klar, dass zwischen den verschiedenen Nationalismen Differenzen bestehen, die auch für eine Migrantin, Jüdin oder Linke, die von Nazis bedroht und angegriffen wird, den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen können. Jedoch die Idealisierung von Staat und Nation in Form der Beschwörung von Demokratie und Zivilgesellschaft trägt mit zur nationalen Identifikation bei.

Der Antifa AK Köln ruft dazu auf, sich am Wochenende des 8. bis 10. Mai der „kölschen Volksfront“ für Demokratie und bessere Nation zu verweigern. Testen wir am 8. Mai die Toleranz der Kölner Jecken und tragen unsere Kritik am staatsbürgerlichen Geschichtsrevisionismus, dem Abfeiern der Nationen Europa, Deutschland und des Teufelskreises von Staat und Kapital auf die Straße. Das zweite Wochenende im Mai wird genug Gelegenheiten bieten, um mit den Rechtspopulist_innen Spiel, Spaß und Freude zu erleben!

antifa ak köln

DE*NATIONALIZE!
EUROPA.DEUTSCHLAND.KÖLN – ALLES SCHEIßE!

linksradikale Demonstration
08 | 05 | 2009
19h Köln Hbf

Für Deutschland keinen Finger krumm!

Gegen Arbeitswahn, Zwangsarbeit und Elendslohn!

„Diese Gesellschaft: ist insofern obszön, als sie einen erstickenden Überfluss an Waren produziert und schamlos zur Schau stellt, während sie draußen ihre Opfer der Lebenschancen beraubt; obszön, weil sie sich und ihre Mülleimer vollstopft, während sie die kärglichen Nahrungsmittel in den Gebieten ihrer Aggression vergiftet und niederbrennt; obszön in den Worten und dem Lächeln ihrer Politiker und Unterhalter; in ihren Gebeten, ihrer Ignoranz und in der Weisheit ihrer gehüteten Intellektuellen.“
(Marcuse – Versuch über die Befreiung)

Bild, Westerwelle und Sloterdijk haben Eines richtig erkannt: Wer arbeitet, der ist ein „Depp der Nation“. Längst entspricht für einen Teil der proletarisierten Individuen ihr erbärmliches Auskommen genau jenem vom Staat verbrieften Anspruch auf Elendsstatus in der Armutsverwaltung von Hartz IV. Jedoch, der Jammer über den tristen Alltag in der Armut wandelt sich auch in Zeiten globaler Wirtschaftskrisen keineswegs in Argumente gegen die kapitalistische Vergesellschaftung. Der Rotz über die vernichteten bürgerlichen Existenzen verbleibt in „moralischen Empörungen“ und der Sehnsucht nach den „Goldenen Zeiten“ von staatlich umhegter Vollbeschäftigung. Das materielle Auskommen der Lohnabhängigen war nie der Zweck einer Produktion, die sich dem alleinigen Imperativ des Profits verschreibt. Selbst in der verherrlichten fordistischen Phase des Kapitalismus war „gesichertes Auskommen“ nur jenen StaatsbürgerInnen vorbehalten, die nicht zu den Kolonnen des Subproletariats, z.B. „Gastarbeitern“, zählten oder nicht in der Peripherie der kapitalistischen Zentren arbeiteten . Im Kapitalismus ist das Lebensschicksal der ArbeiterInnen für den Profit der Unternehmen zu schuften. Die Lohnzahlungen und somit die bürgerlichen Existenzen waren immer nur gewahrt, insofern sich für die Unternehmen ein Plus in der Bilanz abzeichnete.
Der Kapitalismus produziert notwendigerweise seine Krisen, da sie jener Normalvollzug der Konsolidierung der Märkte sind. „Marktbereinigungen“, egal ob in Krise oder Aufschwung, bedeuteten immer das Aus für die Player auf den Märkten, die der Konkurrenz nicht gewachsen sind. Die neue Massenarmut und Desintegration größerer Teile der Lohnabhängigen aus der bürgerlichen Gesellschaft, finden ihre Ursachen nicht im Mangel an Ressourcen im Lande des Exportweltmeisters, sondern im Überfluss an Waren und Kapital. Der dem Kapitalismus immanente Widerspruch, dass mehr Maschinen und mehr Wissen unter kapitalistischer Regie relativ zu mehr Armut, Krankheit und Konkurrenz führen, bestimmt die Ideologie der Pflege an der vorgestellten Gemeinschaft der Nation. Wo dem Rad der Kapitalakkumulation neuer Schwung verpasst werden soll, muss sich dem berühmt berüchtigten Sachzwang unterworfen werden und immer neue „Notwendigkeiten“ vom Armut, Niedriglohnsektor und staatlicher Zwangsarbeit geraten in die Programme der Gruppen, Parteien und Institutionen, die die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse nicht in Frage stellen wollen. Statt das Hohelied auf Staat, Nation und Lohnarbeit mit zu singen, gilt es den Antagonismus zu Herrschaft und Ausbeutung zu denken und zu praktizieren.

Für den Standort schuften, einfach Wahnsinn!
Die Anrufungen des Staates als vermeintlicher Retter in der Not des kapitalistischen Elends, sind so paradox wie alltäglich. Der Staat, der mittels seiner Gewalt die Bedürftigen von den Gütern ihrer Verlangen trennt, der mit seinem Recht auf Privateigentum (an Produktionsmitteln) die Bedingungen für die kapitalistische Konkurrenz erst setzt, ist gerade die Instanz in den nationalen Anrufungen von Politik und DGB-Gewerkschaften, die das gute Leben gewährleisten soll; obwohl seine Gesellschaftsordnung genau dieses ständig verhindert. Der Staat selbst hängt jedoch wie ein Süchtiger an der Nadel der Kapitalakkumulation seines nationalen Unternehmertums. Durch seine Festlegung, dass alle Waren gegen Geld getauscht werden müssen, muss er selbst seine Ausgaben durch direkte oder indirekte steuerliche Abschöpfungen aus dem kapitalistischen Betrieb decken. So sehr er gewillt ist, das Kapital vor sich selbst zu schützen und durch seine allgemeine Gewalt die Ordnung der Ausbeutung aufrecht zu erhalten, so sehr ist seine eigene Reproduktion an das Funktionieren der kapitalistischen Reproduktion, also letztendlich auf die Profitproduktion, festgelegt. Auf dem Weltmarkt trifft er seinesgleichen und in ihnen die anderen Agenten des Weltmarktes erkennt er seine Aufgabe, den Standort konkurrenzfähig zu halten. Ständig ist der Staat bedacht Anlagemöglichkeiten, Investitionsanreize, Subventionen und derlei für das Kapital bereit zu halten, denn seine Regulationsmöglichkeiten hängen von der gesamtökonomischen Bilanz des Standortes ab: Es geht ihm nicht um Surpluspunkte in der Beliebtheitsskala seiner Bevölkerung, sondern um den Erfolg in der Weltmarktkonkurrenz.
Der Ruf, der Staat möge das „gemeinsame, nationale Schicksal“ zum Besseren wenden, muss notwendigerweise der Konkurrenzfähigkeit im globalen Hauen und Stechen des Weltmarktes Rechnung tragen. Null Prozent Forderungen der IG-Metall sind kein Verrat der Führung, sondern Ergebnis der gewerkschaftlichen Festlegungen auf die national-staatliche Politik, die nichts anderes ist, als die Anpassung an die Sachzwänge des Kapitals. Die Zustimmungen zu Lohnverzicht, Mehrarbeit sowie für die staatsorganisierte Zwangsarbeit der Überflüssigen sind Ausdruck des kapitalistische Leistungswahns, der für die materiellen Sorgen und Nöten der Menschen wenig, aber für den Erfolg der Nation sehr viel übrig hat. Die Hoffnung auf den Retter in der Not wandelt sich in der Krise zum „notwendigen“ persönlichen „Opfer“ für die „nationalen Gemeinschaft“. Solange es „gerecht“ zugeht, also auch Josef Ackermann einen Pfennig für das „nationale Heil“ übrig hat, wird der Kampf um die Reproduktionsbedingungen der Ware Arbeitskraft zu Seiten der Unternehmer hin aufgelöst.

Die Herrschaft der falschen Freiheit!
„Eliane steckt das Handy weg, stützt sich gegen eine Wand und bricht tot zusammen. Herzstillstand. Die Krankenschwester des Unternehmens ist sofort da und versucht, die junge Frau wiederzubeleben. Ohne Erfolg. Auch die später eintreffenden Rettungssanitäter sind machtlos.Die junge Frau war gerade aus dem Büro ihrer Personalleiterin gekommen und hatte ihrem Mann von dem Gespräch erzählt, voller Verzweiflung. Das Gespräch war heftig. Eliane wollte wissen, warum sie den versprochenen Posten nicht bekommen hatte und die Personalleiterin antwortete, ihre Arbeit sei ausgezeichnet – aber nicht genug für eine Beförderung. Sie müsse noch mehr arbeiten. Dabei war sie bereits in Behandlung wegen chronischer Müdigkeit.“ (Burnout, Depression, Karoshi geöhren zum Alltag kapitalistischer Arbeit – Bericht aus Frankfurter Rundschau)

Lohnarbeit bedeutet für die überwiegende Mehrheit der Menschen in der BRD die Quintessenz bürgerlicher Freiheit. Da sie frei von Produktionsmitteln sind, steht zwischen der Befriedigung ihrer Bedürfnisse und den dazu benötigten Güter die Geldschranke, die das gesellschaftliche Verhältnis von Privateigentümern vermittelt. Die Menschen ohne größere Besitztümer genießen die bürgerliche Freiheit, ihre Arbeitskraft als Ware zum Verkauf anzubieten. Durch sie schaffen sie Eigentum für andere und ein tristes Dasein als Mittellose für sich selbst.

Zum Mittel ihrer Konkurrenz richten sich die Unternehmer die Quelle ihres Reichtums -die Arbeit -her. Sie steigern die Produktivität der Arbeit, um über die Lohnstückkosten ihre Produktionspreise zu senken, andere Anbieter zu unterbieten und deren Gewinne für sich einkassieren zu können. Als Maßstab des „technischen Fortschritts“ dient ihr rechnerischer Vergleich zwischen „Arbeit“ und „Kapital“ als austauschbare „Kostenfaktoren“: Der Kapitaleinsatz muss Arbeitskosten sparen; deren kostspielige Minderung sichert den Konkurrenzerfolg. Im Zeichen dieser Rechnung, die die Nicht-Arbeit als Gewinnquelle verbucht, treibt das Kapital die Produktivität der Arbeit in die Höhe, macht seine wirkliche Reichtumsquelle ergiebiger und mindert sie zugleich. Ausgerechnet durch weniger Arbeit soll sich mehr Kapital rentieren. Die Ursache materiellen Mangels ist daher auch nicht die Unverfügbarkeit von Gütern, sondern Arbeitsplatzmangel oder schlechte Bezahlung.
Nicht nur die Unternehmer richten ihre Reichtumsquelle her, auch der bürgerliche Staat richtet seine Bevölkerung zur Lohnarbeit zu. Sowohl Arbeitsmarkt als auch die bürgerliche Reproduktionsordnung werden von Staate zum Zweck des Ausbaus und der Sicherung der Kapitalakkumulation umhegt. Mittels Arbeitsschutz, Tarifautonomie oder Selektion in Schule und Universität setzt der Staat zentrale Verbindlichkeiten, wann wer wie arbeiten darf. Sein Schutz der Familie und der Kinder sichert dem Arbeitsmarkt die nötige Bevölkerung und seine Krankenhäuser sorgen sich um die Wiederverwertbarkeit der Ware Arbeitskraft. Er legt per Staatszwang die Kosten für die Existenz der Reservearmee der Arbeitskräfte sowie der Überflüssigen der Warenproduktion auf die Arbeitenden um. Er nivelliert oder fördert partielles Eigeninteresse im Lande immer unter dem Diktat des national-ökonomischen Gesamtnutzens. Er hält den Laden im Schuss und am Laufen.

„Arbeit soll das Land regieren!“ (CDU, NPD oder DIE.Linke)
In dem Maße wie der Kostenfaktor Arbeit aus den Werkshallen verschwand, so stieg die Anzahl derer, die weder einen Beruf noch einen Job am heiß umkämpften Markt ergattern konnten. Unter dem Stichwort „Neoliberalismus“ verschärfte sich die Zurichtung der Lohnarbeitsverhältnisse und der Staat baute die Reproduktionsordnung sowie den Arbeitsmarkt zum Zwecke der Verbilligung der Ware Arbeitskraft um. Eine Elendsökonomie wurde nach und nach eingerichtet, die zwar für die Arbeitenden kaum oder gar nicht mehr die Existenz zu sichern vermag, aber die Produktivität der Arbeit, dank Verbilligung des Kostenfaktors Arbeit, steigert. Leiharbeit ist eines jener „Instrumente auf dem Arbeitsmarkt“, dessen sich Regierungen von Gelb bis Rot rühmen, um die notwendige „Flexibilität“ in Fragen des Hire and Fire und der Entgeldregelungen zu bedienen. Hartz IV bietet als Abstellgleis von der Warenproduktion den Überflüssigen ein Leben in Saus und Braus zwischen Penny, Lidl und den Zwangsmaßnahmen der Argen. Derweil rechnet das Herrschaftspersonal der BRD und ihre gehüteten Intellektuellen den entrechteten und verächtlich gemachten Wesen Tag auf Tag aufs Neue vor, dass ihre bloße Existenz eine „spätrömische Dekadenz“ sondergleichen sei.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund mischt fleißig bei der Installation und Betreuung der Elendsökonomie mit. Tarifverträge mit der Leiharbeitsbranche und ein Hurra auf Ein-Euro-Jobs zeigen, wohin der Geist der „sozialen Gerechtigkeit“ zu kommen vermag. Beseelt vom Geiste der Gerechtigkeit, hat es der DGB bei der Bewältigung des Widerspruchs, dass ihr Klientel von dem zu leben hat, was ihre Subsumtion unter der kapitalistischen Rentabilitätsrechnung abwirft, denkbar weit gebracht. Sie hat im Ringen mit den Unternehmern ein ausgedehntes und ausgefeiltes System der Lohn- und Leistungsgerechtigkeit mitinstalliert, das auch für die Ärmsten der Armen zumindest noch die „Chancengerechtigkeit“ im Angebot des Elends führt. In jeder Tragödie spielt der DGB seine Rolle emsig mit: Läuft der Laden, darf man sich über eine bescheidene Lohnerhöhung freuen – und muss ansonsten die Klappe halten, weil die Gewerkschaft im Gegenzug den Betriebsfrieden bzw. „sozialen Frieden“ zusichert. Läuft der Laden nicht, dann schwört der DGB sein Klientel auf die unhintergehbaren Sachzwänge ein, die leider Maßhalten, ja Verzicht verlangen.
Und der Chor der Erniedrigten und Entwürdigten stimmt am Fließband der Warenproduktion fleißig mit ein. Verrat an der „Opfergemeinschaft der Nation“ seien jene Mittellosen, die wagten auf den Arbeitsmarkt sich ungenügend feilzubieten. Arbeit als Strafe Gottes – einst christliche Verklärung feudaler Gesellschaftsordnung – gewinnt im Wettlauf auf der Treppe abwärts neue Begeisterung. Ein-Euro Jobs und weitere „Integrationsmaßnahmen“ der ARGEN dienen längst als Strafe an überflüssigen Arbeitskräften zum Zwecke der Abschreckung jener, die noch stramm in Lohn und Brot stehen. Die Armut der Einen wird zum vermeintlichen Beleg des Wohlstands der Anderen. Die Armut erscheint verdoppelt: Zum Einen ist sie wirklich vorhanden und zum Anderen ist sie Gegenstand der Betreuung und Umhegung von NGO´s und dem Staatsapparat. „Armuts-Charity Veranstatlungen“ und Opernbälle für Obdachlose sind zuallererst ideologisches Beischiff für die Vorstellung der „gerechten“ Hackordnung innerhalb der Gesellschaft. Die Almosenfütterungen der überflüssigen Massen, durch ehrenamtliche Einrichtungen wie z.B. der Tafel e.V., tun zudem ihr christliches Beiwerk, dass jener staatsbürgerliche Anspruch auf Existenzminimum zu einer Frage der Abfallkostenbilanzierung von REWE und ALDI wird.

Versuche die Befreiung!
Es ist an der antikapitalistischen Linken Vorschläge zu entwickeln, wie eine sozialrevolutionäre Dynamik von sozialen Kämpfen aussehen könnte. Klar ist, dass die Kämpfe um die Reproduktionsbedingungen der Ware Arbeitskraft in ihren Anliegen und der Form nach meist auf das Schweinesystem gemünzt bleiben. Daher gilt es den staatstragenden Forderungen von DGB oder Linkspartei eine klare Absage zu erteilen. So sehr auch ein, zwei Euro mehr für der/die Einzelne zu befürworten ist, so bleibt die Abschaffung der Lohnarbeit das sozialrevolutionäre Ziel. Statt einen verbalradikalen Antikapitalismus zu predigen, gilt es sich auf die Suche nach Formen kollektiver Widerstandspraxis, Aneignung und Subversion zu machen.
Die fortschreitende Desintegration der Lohnabhängigen führt zu politischen Zurichtungen, die mehr und mehr auf Repression gedrillt sind. Gerade die daraus erwachsenden Konflikte bergen in sich die Möglichkeit, dem ungestörten Funktionieren der ganzen Scheiße hier und dort ein paar Sandkörner ins Getriebe zu pusten. Doch der Weg zur Verweigerung von Zwängen und Kontrollen kann nur über die Einsicht vollbracht werden, dass die Huldigungen von Staat, Nation und Lohnarbeit notwendiger ideologischer Bestandteil des kapitalistischen Betriebs sind. Statt die Leute dort abzuholen, wo sie mit ihren Köpfen doch ständig gegen die Wand laufen, gilt es die wahnsinnigen Züge dieser Gesellschaft, die Ausdruck des Widerspruch zwischen den zur Befreiung verfügbaren Ressourcen und ihrer Verwendung zur Verewigung der Knechtschaft sind, offen zu legen. Wo Revolution nicht auf der Tagesordnung stehen kann, sollte zumindest versucht werden den jetzigen Trott der Verhältnisse, die alltäglichen Routine und deren repressive Konformität zu untergraben. Die Subversion wäre zu denken und zu praktizieren. Subversive Praxis kann niemals für alle Zeit und jeden Ort bestimmt sein. In den konkreten Konflikten in den Argen, im Betrieb oder anderen Kämpfe um die Reproduktionsbedingungen kann sie nur entfaltet werden. So zielt der Versuch die gesellschaftliche Moral aufzulösen auf den Zusammenbruch der Arbeitsdisziplin, das Bummeln, zunehmenden Ungehorsam gegenüber Regeln und Vorschriften, wilde Streiks, Boykotts und Akten der Unbotmäßigkeit.

Mit der antistaatlichen, sozialrevolutionären Kampagne „Kein Finger krumm für Deutschland“ möchten wir zumindest einen Beitrag dazu leisten, dass ein neuer Geist des Ungehorsams wieder in die Köpfe und Kämpfe einzieht. Anlässe und Orte finden sich allemal: Leiharbeitsmessen, der tägliche kleine Kampf an der Arge oder im Betrieb. Dort wo der Kitt von Ideologie und kapitalistischer Vergesellschaftung bröckelt, kann ruhig mal der Vorschlaghammer gezückt werden. Das erste Mai Wochenende bietet zwei Gelegenheiten jenseits von Staatsfrömmigkeit und Arbeitsfetischismus auf die Straße zu gehen. Am 30. April rufen linksradikale Gruppen zu einer Großdemonstration nach Frankfurt am Main auf: „Endlich wird die Arbeit knapp! Kapitalismus abwracken!“. Tags drauf erlebt der Ruhrpott seinen ersten Euromayday, und lädt herzlich dazu ein Formen des Protestes gegen die Prekarisierung der Lebensverhältnisse auf die Straße zu bringen.

Nieder mit der Lohnarbeit! Hoch die soziale Revolution!

Alles muss man sel­ber ma­chen! Für ein Au­to­no­mes Zen­trum statt Po­li­tik, Staat und Po­li­zei!

Auf­ruf: Alles muss man sel­ber ma­chen! Für ein Au­to­no­mes Zen­trum statt Po­li­tik, Staat und Po­li­zei!

Die Be­set­zung frem­den Ei­gen­tums ist – mit wel­chem Ziel auch immer – il­le­gal und nicht hin­nehm­bar. In­so­fern kann sie auch kei­nes­falls ak­zep­tier­te Basis für po­li­ti­sche For­de­run­gen sein! Die Stadt un­ter­stützt dem­zu­fol­ge die Ei­gen­tü­me­rin, die von den Be­set­zern das so­for­ti­ge Ver­las­sen des Ge­bäu­des for­dert und keine Dul­dung zu­las­sen will. Es wird des­halb auch kei­nes­falls städ­ti­sche Un­ter­stüt­zung oder Fi­nanz­hil­fe für ein Pro­jekt in der ehe­ma­li­gen KHD-​Kan­ti­ne geben. Im Üb­ri­gen steht es frei, in Köln kul­tu­rel­le In­itia­ti­ven zu star­ten. Al­ler­dings lässt die ak­tu­el­le Haus­halts­la­ge der Stadt keine För­de­rung neuer Pro­jek­te zu.“ (Jür­gen Ro­ters Ober­bür­ger­meis­ter von Köln)

Die Krise lässt den Ge­gen­satz von Wert und Ge­brauchs­wert noch deut­li­cher her­vor­tre­ten, etwa im Bild des ame­ri­ka­ni­schen Po­li­zis­ten, der durch ein ver­las­se­nes Haus pa­trouil­liert, um si­cher­zu­stel­len, dass seine bank­rot­ten Be­woh­ner tat­säch­lich aus­ge­zo­gen sind und nun unter einer Brü­cke oder in einer der vie­len neuen Zelt­städ­te ihr Da­sein fris­ten. Eine Ge­sell­schaft, in der die be­waff­ne­te Staats­macht dafür sorgt, dass ein Haus sei­nen mensch­li­chen Zweck nicht er­füllt, ist of­fen­kun­dig ver­rückt, und so­bald die Pro­le­ta­ri­sier­ten im Bild die­ses Po­li­zis­ten das Wesen der Ge­sell­schaft er­ken­nen, könn­te die Ge­schich­te eine un­er­war­te­te Wen­dung neh­men.“ (Kos­mo­pro­let Nr. 2)

Der Zeit­punkt der Räu­mung des Au­to­no­men Zen­trums Köln rückt näher. Der Ei­gen­tü­mer des Ob­jek­tes sowie die ho­heit­li­che Re­prä­sen­tanz der Un­ter­drü­ckungs­ord­nung (auch De­mo­kra­tie ge­nannt) in Köln haben Ihr Ur­teil ge­fällt, die „Be­set­ze­rIn­nen“ der Wies­berg­str. 44 sol­len mit­tels Po­li­zei­ge­walt aus dem Ge­bäu­de ge­schleift, ge­schla­gen und ge­tre­ten wer­den. In zwei Mo­na­ten haben ver­schie­de­ne Linke und links­al­ter­na­ti­ve Grup­pen es ge­schafft ein seit Jah­ren von einer win­di­gen Brief­kas­ten­fir­ma der Stadt­spar­kas­se zum Ver­fall frei­ge­ge­be­nes Ge­bäu­de wie­der mit Leben zu fül­len. Zwei In­ter­es­sen­stand­punk­te ste­hen sich damit un­ver­söhn­lich ge­gen­ein­an­der. Beide be­an­spru­chen den Ge­brauchs­wert des Ob­jek­tes für sich. Die einen wol­len das Haus für un­ter­schied­lichs­te Zwe­cke nut­zen. Für sie hat der Ort den Ge­brauchs­wert dort Par­tys zu fei­ern und po­li­ti­sche sowie kul­tu­rel­len Ver­an­stal­tun­gen durch zu füh­ren. Die an­de­re Seite hat eben­falls ganz hand­fes­te ma­te­ri­el­le In­ter­es­sen, als po­ten­zi­el­ler Be­bau­ungs­ort für Im­mo­bi­li­en zu­ge­schnit­ten auf die ge­ho­be­nen „Mit­tel­schicht“, fin­det sich ihr Ge­brauchs­wert als In­dus­trieb­ra­che, die eines Tages ein „gutes Ge­schäft“ wird, also als Tausch­wert fun­gie­ren kann.

Wäre es so schlicht und ein­fach, wäre es ge­wiss eine Freu­de, wenn eines Tages die Damen und Her­ren Spar­kas­sen­di­rek­to­ren vor­bei­kä­men und das Ob­jekt mit ihren Hin­tern für ihre In­ter­es­sen „be­set­zen“ wür­den. Je­doch in der Welt des Pri­vat­ei­gen­tums brau­chen sich die Ei­gen­tü­mer lei­der keine Arschtrit­te ab­ho­len, diese heik­le An­ge­le­gen­heit be­sorgt der Staat für sie. Schließ­lich hat er al­lein durch seine Ge­walt die Frei­heit und Gleich­heit der bür­ger­li­chen Ge­sell­schafts­ord­nung ge­stif­tet. Er ver­pflich­tet die öko­no­mi­sche Kon­kur­renz unter Re­spek­tie­rung des Pri­vat­ei­gen­tums ab­zu­wi­ckeln: jeder wird ge­zwun­gen, die aus­schlie­ßen­de Ver­fü­gung über den Reich­tum der Ge­sell­schaft an­zu­er­ken­nen und zum Prin­zip sei­nes öko­no­mi­schen Han­delns zu ma­chen. Das Pri­vat­ei­gen­tum, die aus­schlie­ßen­de Ver­fü­gung über den Reich­tum der Ge­sell­schaft, von dem an­de­re in ihrer Exis­tenz ab­hän­gig sind, also Ge­brauch ma­chen müs­sen, ist die Grund­la­ge des in­di­vi­du­el­len Nut­zens und damit auch Scha­dens. Ihm ver­dankt sich die mo­der­ne Form der Armut, die sich selbst als Mit­tel frem­den Ei­gen­tums er­hal­ten muss, des­sen Wachs­tum selbst­ver­ständ­lich dem Staat am Her­zen liegt.

Der Staat schreibt sich selbst das Mo­no­pol auf die An­wen­dung von Ge­walt zu, um das Leben sei­ner In­sas­sin­nen und In­sas­sen zu or­ga­ni­sie­ren und den Wa­ren­aus­tausch zu re­geln. Er be­greift sich als die In­stanz, die als ein­zi­ge in die­ser Ge­sell­schaft Ge­walt an­wen­den darf. Im Be­wusst­sein der bür­ger­li­chen De­mo­kra­tie stellt sich Ge­walt so­zu­sa­gen immer als le­gi­tim und/oder not­wen­dig dar, wenn sie vom Staat aus­geht, und immer als falsch und il­le­gi­tim, wenn an­de­re sie für sich in An­spruch neh­men. Die Un­ter­schei­dung zwi­schen le­ga­ler, weil staat­li­cher, und il­le­ga­ler, weil nicht staat­li­cher, Ge­walt ver­weist auf den pri­mär zu kri­ti­sie­ren­den Nor­mal­zu­stand des per­ma­nen­ten Ge­walt­ver­hält­nis­ses im bür­ger­li­chen Staat.​Eigent­lich je­doch ist die De­mo­kra­tie aus Sicht des Staa­tes fried­lich und die An­wen­dung von Ge­walt wird ihm nur durch in­ne­re oder äu­ße­re Fein­de auf­ge­zwun­gen. Ge­walt dient also nach die­sem Ver­ständ­nis le­dig­lich als not­wen­di­ges Mit­tel zur Auf­recht­er­hal­tung der staat­li­chen Ord­nung und damit dem Schutz sei­ner Bür­ge­rin­nen und Bür­ger, ver­kauft wird das dann als Ge­walt­frei­heit.

Das der ehe­ma­li­ge Po­li­zei­prä­si­dent und jet­zi­ge Ober­bür­ger­meis­ter auf die „Stö­ren­frie­de“ im Au­to­no­men Zen­trum we­ni­ger gut für die Damen und Her­ren Ei­gen­tü­mer stets gut zu spre­chen ist, liegt nicht an den Cha­rak­ter­de­fi­zi­ten der Per­son Ro­ters, viel­mehr sind diese Vorr­aus­set­zung für die pflicht­ge­mä­ße Er­fül­lung sei­nen „Amtes“. Der Ruf nach an­de­ren po­li­ti­schen Per­so­nal ist dem­nach so ab­surd, wie der nach einer „bes­se­ren po­li­ti­schen Lö­sung“. Po­li­tik ist ein not­wen­di­ger Be­stand­teil der heu­ti­gen Ge­sell­schafts­for­ma­ti­on. Sie ist selbst ein Aus­druck des bür­ger­li­chen Staa­tes, wel­cher sich wie­der­um nur durch Po­li­tik kon­sti­tu­ie­ren kann. So ist das Wesen von Po­li­tik schon immer die Auf­recht­er­hal­tung der ka­pi­ta­lis­ti­schen Ge­sell­schaft bzw. das Rin­gen um die rich­ti­ge Staats­form und -​ver­wal­tung, egal, wie gut oder schlecht es auch die je­wei­li­gen Per­so­nen mei­nen. Das Par­la­ment oder der Stadt­rat ist nur eine spe­zi­el­le Form der Re­prä­sen­ta­ti­on von Herr­schaft, die mit­tels des Wahl­ak­tes die Il­lu­si­on der Selbst­be­stim­mung der Be­herrsch­ten auf­recht­er­hält. Zur Wahr­neh­mung die­ser Funk­ti­on be­darf es zwar der Prä­senz der tat­säch­li­chen ge­sell­schaft­li­chen Macht im Par­la­ment, nicht aber un­be­dingt der tat­säch­li­chen Macht des Par­la­ments. Der kom­men­de Po­li­zei­ein­satz in Köln-​Kalk ver­deut­licht viel­leicht die Tat­sa­che, dass so­wohl re­ak­tio­nä­re und kon­ser­va­ti­ve als auch so­zi­al­de­mo­kra­ti­sche und links­al­ter­na­ti­ve Po­li­tik nur auf die beste aller mög­li­chen staat­li­chen Ver­wal­tungs­for­men der bür­ger­lich-​ka­pi­ta­lis­ti­schen Wa­ren­pro­duk­ti­on hin­aus­lau­fen kann. Wo die „Haus­halts­lö­cher“ ge­stopft wer­den sol­len, da geht es nicht nur den Ärms­ten der Armen an den Kra­gen, da hat selbst der „rote Ro­ters“ kein Herz für „Be­set­zer“ mehr.

Da Bit­ten und Bet­teln noch nie un­se­re Stär­ke waren, wir die Schutz­män­ner und Frau­en des Ei­gen­tums ver­ach­ten und auf das eke­li­ge und schleim­trie­fen­de Ge­schäft der bür­ger­li­chen Po­li­tik mal so Null Bock haben, rufen wir zur De­mons­tra­ti­on am Sams­tag nach der Räu­mung des Au­to­no­men Zen­trum Kölns auf. Schließ­lich muss man alles sel­ber ma­chen, also den Staat, die Po­li­zei und die Po­li­tik ab­schaf­fen, denn dann steht einem Aqua­ri­um mit Tanz­flä­che ge­wiss nichts mehr im Wege.

De­mons­tra­ti­on am Sams­tag nach der Räu­mung des Au­to­no­men Zen­trum Köln um 15 Uhr auf der Dom­plat­te (di­rekt beim HBF Köln). Im An­schluss an die De­mons­tra­ti­on wer­den ab 18 Uhr in der Köl­ner In­nen­stadt Re­claim the Streets Ak­tio­nen statt­fin­den. (Mehr Infos dazu hier: http://​reclaim.​blogsport.​eu/​)

Für ein Au­to­no­mes Zen­trum! Für die Ab­schaf­fung von Po­li­zei, Staat und Po­li­tik!

Sup­por­ters:

An­ti­fa AK Köln, An­ti­fa Bonn/Rhein-​Sieg, An­ar­chis­ti­sches Forum Köln, AK An­ti­fa Aa­chen, An­ti­fa Wunstorf, Al­ter­na­ti­ve Liste Uni Köln, Banda si­nis­tra Er­lan­gen

Gute Arbeit! Das umsGanze!-Bündnis gratuliert zur Krise

Die Öffentlichkeit blickt mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination auf die Entwicklung der Konjunkturdaten. Fachthemen von »Börsianern« und anderen Wirtschaftsmeteorologen wie Aktienindizes, Staatsschuldenstände und Kreditrisiken berauschen das Publikum. Wenn selbst in Europa Banken pleite gehen und Staaten zahlungsunfähig werden – und nicht nur in »Schwarzafrika« oder wo sonst der Pfeffer wächst –, dann verbreiten sich sogar hierzulande Zweifel an der »Nachhaltigkeit« der herrschenden Gesellschaftsordnung. Doch auch in weniger krisenhaften Zeiten ist der Kapitalismus Quell beständiger Unsicherheit, Armut und Erpressung. Die derzeitige Krise ist kein bloßer Betriebsunfall, sondern Resultat der allgemeinen Prinzipien kapitalistischer Verwertung. Die Tendenz zu übergreifenden ökonomischen Krisen ist im Kapitalismus selbst angelegt. Eine über anonyme Märkte vermittelte und gerade deshalb gnadenlose Konkurrenz zwingt das Kapital immer wieder zu riskanten, in der Regel kreditfinanzierten Investitionen, die sich im Nachhinein als unrentabel erweisen können. Das gilt für einzelne Kapitale, und um ein vielfaches verstärkt auch für ganze Branchen und Volkswirtschaften. Staat, Kapital und Lohnarbeit sind die grundlegenden Formen dieses Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisses. Es wird tagtäglich von Menschenhand reproduziert, und kann deshalb auch von Menschenhand überwunden werden. Im Interesse einer nüchternen Lagebeurteilung rekapitulieren wir die gegenwärtigen Glanzleistungen der kapitalistischen Ordnung.

Immobilien und Obdachlosigkeit

Die akute globale Finanzkrise begann 2007 mit dem massenhaften Preisverfall amerikanischer Immobilien, die zuvor als sichere, weil »wertgedeckte« Investitionen angesehen wurden. Dadurch verloren zugleich die Hypothekenkredite, mit denen diese Immobilien finanziert worden waren, ihren sichernden »Gegenwert«. Kreditzinsen stiegen, und immer mehr Schuldner konnten ihre monatlichen Raten nicht mehr bezahlen. Die eingeleiteten Zwangsverkäufe führten Hunderttausende in die Obdachlosigkeit, während der fallende Marktwert ihrer Häuser nicht mehr ausreichte, um die aufgenommenen Schulden zu begleichen. Der Logik des Kapitalismus folgend, warten diese Häuser nun unbewohnt auf steigende Immobilienpreise, während ihre ehemaligen Eigentümer ihr Dasein in Zeltstädten fristen dürfen. Das umsGanze!-Bündnis gratuliert zur tollen Leistung des Privateigentums, nützliche Häuser vor wohnraumbedürftigen Menschen zu bewahren. Sauber!

Weltwirtschaftskrise und Systemrelevanz

Die amerikanische Immobilienkrise entwickelte sich zur Weltwirtschaftskrise, weil die Hypothekenbanken ihre – nun ausfallgefährdeten – Immobilien-Schuldtitel zu Wertpapieren gebündelt, und als vermeintlich sichere und renditeträchtige Anlageform an Banken in aller Welt verkauft hatten. Als klar wurde, dass es um die Zahlungsfähigkeit von Millionen Hypothekenschuldnern nicht zum besten steht, versuchten diese Banken, ihre plötzlich ebenfalls ausfallgefährdeten Wertpapiere umgehend abzustoßen, wodurch deren Kurse verfielen. Banken, die ihre Gewinnerwartungen maßgeblich auf diesen Wertpapierhandel gegründet hatten oder direkt an der Immobilienfinanzierung beteiligt waren, drohte damit ebenfalls die Zahlungsunfähigkeit. Der Kreditmarkt schrumpfte schlagartig. Im September 2008 begann mit der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers das große Bankensterben, weit über 100 Banken folgten alleine in den Vereinigten Staaten. Doch nicht alle insolventen Banken und Immobilienfinanzierer gingen bankrott. Die amerikanische Regierung handelte nach dem Prinzip »too big to fail«, und rettete 2008 Bear Sterns, Freddy Mac und Fanny Mae. Die Bundesregierung erkannte ebenfalls die »Systemrelevanz« der deutschen Hypo Real Estate, und verstaatlichte sie im Oktober 2009. Systemrelevant sind Banken, weil sie die Vergabe von Krediten organisieren, und so den kapitalistischen Unternehmen die Möglichkeit verschaffen, ihre Produktion schneller auszuweiten, als laufende Gewinne oder gar Verluste dies sonst zuließen. Eine tolle Leistung des Kapitalismus, die Produktion nützlicher Güter nur dann in Gang zu setzen, wenn das Kapital ausreichenden Profit erwartet, und nicht für die schnöden Bedürfnisse simpler Menschen!

Abwrackprämie und Freiheit

Um zu verhindern, dass dem Bankensterben eine Unternehmensster​ben folgt, verabschiedete man sich von den Glaubenssätzen liberaler Wirtschaftspolitik. Statt weiter auf die »Selbstheilungskräfte des Marktes« zu vertrauen, wurde mittels »Abwrackprämie« und anderer Konjunkturprogramme der Umsatz nationaler Schlüsselindustrien gestützt. Klamme deutsche Unternehmen bekamen im Zweifelsfall unbegrenzt staatliche Bürgschaften und Kredite zugebilligt. Zur Finanzierung dieser Maßnahmen bedurfte es der Erhöhung der Staatsschulden. Zur Beruhigung der Finanzmärkte wurde gleichzeitig ein hartes »Sparpaket« aufgelegt. Die Freiheit des Politischen erschöpfte sich also einmal mehr im Dienst am Standort. Das umsGanze!-Bündnis gratuliert zur pragmatischen Einsicht, dass das wirtschaftspolitische Geschwätz von gestern dabei niemanden mehr interessieren muss.

Wachstum und Gier

Während Regierungen zur Rettung nationaler Geschäftsbanken und Konzerne über Nacht Milliardensummen aufbrachten, suchte die Öffentlichkeit nach Schuldigen für die Misere. Die Bundeskanzlerin sah »Gier, verantwortungslose Spekulation und Missmanagement im Finanzsektor«. Die zuvor als Leistungsträger hofierten »tüchtigen« und »risikofreudigen« Manager galten schlagartig als maß- und heimatlose Zocker. Während sich die schwarz-rote Bundesregierung vor der Krise noch das Ziel gesetzt hatte, »überflüssige Regulierung abzubauen«, fordert nun ausgerechnet schwarz-gelb mehr »Regulation auf den Finanzmärkten, also die Regulierung der Finanzmarktprodukte und auch der Institutionen« (Merkel 2010). Es ist eine ideologische Großleistung, einerseits größtmögliches kapitalistisches Wachstum zu fordern, die dafür notwendige Skrupellosigkeit aber zu verurteilten. Das umsGanze!-Bündnis gratuliert der politischen Führung für diese Lektion in bürgerlicher Moral.

Sirtaki und Standort

Nicht alle Staaten stemmen die Krisenlasten wie Deutschland auf der Basis, Exportweltmeister zu sein. Griechenland etwa bekam nach seinem Eintritt in die Währungsunion im Jahr 2001 zu spüren, dass sein nationales Kapital mit der europäischen Konkurrenz nicht mithalten konnte. Die mittelständisch geprägte griechische Industrie verlor im verschärften Wettbewerb, so dass Griechenland immer mehr zum Absatzmarkt ausländischer Kapitale verkam. Der folgende, massive Anstieg des Haushaltsdefizits wurde jahrelang durch einfallsreiche Bilanzierungstricks kaschiert. Lediglich als »Finanzplatz« konnte Griechenland seine Einnahmen erhöhen, dank der neuen, vergleichsweise stabilen Euro-Währung. Doch aufgrund massiv einbrechender Staatseinnahmen im Zuge der aktuellen Krise kamen zunehmend Zweifel an der tatsächlichen Zahlungsfähigkeit Griechenlands auf. Das erschütterte vor allem die Nachfrage nach griechischer Staatsanleihen auf den internationalen Finanzmärkten, durch die dieser Staat sein Haushaltsdefizit ausgleichen und alte Staatsschulden refinanzieren musste. Aus Furcht, ein griechischer Staatsbankrott könne die europäische Währung und damit den Bestand der europäischen Freihandelszone gefährden, halfen EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) mit Krediten und Bürgschaften aus. In der deutschen Öffentlichkeit wurde dieses milliardenschwere »Hilfspaket« als ungerechte Unterstützung fauler Bilanzbetrüger wahrgenommen, die Ouzo und Sirtaki lieber mögen als ehrliche Arbeit. Auf jeden Fall eine Spitzenleistung kapitalistischer Konkurrenz, dass die steigende Produktivität eines Landes andere Länder und Regionen in die Armut stürzen kann. Wenigstens im Prinzip können so aber auch entwickelte Staaten wieder in ökonomisches Niemandsland verwandelt werden. Herzlichen Glückwunsch dazu!

Arbeit und Ausbeutung

Nach verbreiteter Meinung kommt im Kapitalismus zu Wohlstand, wer im Schweiße seines Angesichts schaffen geht. Tatsächlich aber liegt die Quelle von Reichtum in dieser Gesellschaft in der Ausbeutung fremder Arbeitskraft für den eigenen privaten Vorteil. Kurz: Reich kann nur werden, wer andere für sich arbeiten lässt. Solche Lohnarbeit wird nur dann in Gang gesetzt, wenn sie sich fürs Kapital absehbar lohnt, d.h. wenn ihr Produkt mehr wert ist, als für dessen Herstellung an Lohn und Grundkosten aufgewendet werden muss. Ausbeutung ist im Kapitalismus also gerade kein Betrug an Lohnabhängigen, sondern Folge der derzeit herrschenden Ordnung gesellschaftlicher Arbeit. Auch hier wieder Hut ab! Produziert wird nicht nach den Bedürfnissen aller, sondern für den Profit weniger. Ansonsten bleiben die in dieser Gesellschaft Lohnabhängigen von Arbeit und Lohn getrennt, und damit von ihrem Lebensunterhalt.

Verwertungszwang und falsche Gegensätze

Der Zwang zur Verwertung, das »Geld verdienen des Geldes wegen« und das primäre staatliche Wirtschaftsziel kapitalistischen Wachstums sind die bestimmenden Prinzipien der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung. Wie gesehen, stoßen Staat und Kapital dabei immer wieder an systemische Grenzen. Man sollte sich die Dummheit ersparen, ausgerechnet die dann notwendigen Versuche der Krisenbewältigung für die Krise selbst verantwortlich zu machen. Nicht (Neo-)Liberalismus oder Keynesianismus sind ursächlich für das gegenwärtige Übel, weder ein »zu viel an Markt« noch ein »zu viel an Staat«. Der grundsätzliche Fehler ist, dass im Kapitalismus der Zweck der gesellschaftlichen Produktion die Vermehrung des privaten Profits ist. Grund für die tägliche Misere sind weder »überhöhte Lohnkosten zu Lasten der nationalen Konkurrenzfähigkeit«, noch andererseits eine »zu geringe Kaufkraft der Lohnabhängigen« infolge zu geringer Löhne. Grund ist der Zwang der bürgerlichen Freiheit, das eigene Fortkommen gegen andere erringen zu müssen. Auch dazu herzlichen Glückwunsch!

Falsche Ordnung und das schöne Leben
»Selbstbestimmung«, das abstrakte Ideal der bürgerlichen Gesellschaft, ist nur im Rahmen einer bewussten und unmittelbar gesellschaftlichen Produktion des gesellschaftlichen Reichtums zu verwirklichen. Erst dann nämlich unterläge sie nicht mehr dem Diktat des Privateigentums und seiner staatlichen Ordnungsmacht. Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der Bedürfnisse und Genüsse Einzelner nicht länger in Widerspruch zu Bedürfnissen und Genüssen aller stehen. Das schöne Leben ist nur gegen die herrschende Gesellschaftsordnung zu verwirklichen, gegen den Verwertungszwang des Kapitals und gegen den Staat.

»…ums Ganze!«
Kommunistisches Bündnis
www.umsganze.de

Fight the game! Rassismus, Islamismus, Nationalismus und Kapitalismus bekämpfen!

Face the players! Europäische Patrioten verjagen!
Für das Wochenende vom 19. bis 21. September 2008 lädt die extrem rechte Bürgerbewegung pro Köln die europäische Rechte zu einem »Anti-Islam-Kongress« nach Köln ein. Die angekündigten TeilnehmerInnen des Kongresses gleichen einem Line-up des Grauens: So sollen angeblich mehrere »Patriotische Gäste« aus der BRD, wie Harald Neubauer (Herausgeber von Nation & Europa) oder der Bundestagsabgeordnete Henryk Nitzsche (ehemals CDU) sowie aus den europäischen Ländern: die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), der belgische Vlaams Belang, der Front National (FN) aus Frankreich, Alsace d’abord (Das Elsass zuerst), Die Freiheitlichen aus Südtirol, die British National Party (BNP) aus England, die Lega Nord aus Italien sowie extreme Rechte aus dem ehemaligen Jugoslawien, Ungarn usw. ihr Stelldichein geben.

Die extreme Rechte jubelt bereits im Vorfeld, dass »Deutschland eine solche Veranstaltung von rechts noch nie gesehen habe!«. Und ganz Unrecht haben sie nicht: Die Dimension ist nicht nur eine neue durch die erwartete Teilnahme extremer Rechter aus ganz Europa, sondern auch die Thematik »Anti-Islam« scheint den Kern des Zeitgeistes zu treffen. Die Ressentiments gegen MuslimInnen nehmen in den letzten Jahren in Europa immer weiter zu. Laut Heitmeyer-Studie aus dem Jahre 2006 würden zweiundzwanzig Prozent der Befragten am liebsten gar keine MuslimInnen in Deutschland haben und dreiunddreißig Prozent fühlten sich durch die vielen MuslimInnen manchmal wie Fremde im eigenen Land. So wundert es kaum, dass die extreme Rechte das Thema für sich entdeckt hat und nun um im Namen einer vermeintlichen Islamkritik ihre rassistischen Plattitüden von sich gibt. Ganz neu ist die Begeisterung der Rechten für das Thema »Anti-Islam« jedoch nicht: Bereits 1983 feierte z.B. Jean-Marie Le Pen (FN) seinen politischen Durchbruch und seine ersten Wahlerfolge mit Bedrohungsvorstellungen, die sich um den Islam drehten.

Inzwischen ist vor allem Anti-Moscheebau zu einem Thema der extrem Rechten in Europa geworden. Moscheen werden als »Unterschlupf für Islamisten« bezeichnet, die über kurz oder lang die Herrschaft übernehmen wollten und die eigene »christlich-abendländische Kultur« sei durch »muslimische Überfremdung« bedroht. Auch in anderen europäischen Ländern werben extrem rechte und (post)-faschistische Parteien usw. mit anti-islamischen Parolen. So fordert die FPÖ ein Verbot für Minarette und ihr Vorsitzender Strache spricht davon, dass der Kampf der Kulturen bereits begonnen habe und der Islamismus der Faschismus des 21. Jahrhunderts sei.

»Anti-Islam« als Thema hat Hochkonjunktur; den rechten Gruppierungen geht es aber nicht darum, sich kritisch mit dem Islam auseinanderzusetzen, sondern auf diesem Wege rassistische und nationalistische Inhalte zu transportieren und die Bevölkerung an sich zu binden. Fatal ist allerdings, dass bei einem Teil der Bevölkerung Europas diese »Anti-Islam-Kampagnen« auf Zustimmung stoßen. Diesen zunehmenden gesellschaftlichen Ressentiments gegenüber dem muslimischen Bevölkerungsanteil sowie der Ausweitung rechtspopulistischer Elemente im politischen Geschäft Europas scheinen weder das kaum noch wahrzunehmende links-liberale Bürgertum noch die antifaschistische Bewegung etwas entgegen setzen zu können. Diverse Gegenmobilisierungen zu Aktionen der extremen Rechten, welche sich gegen den »Islam« richteten, verliefen eher zurückhaltend oder gar nicht. Die Ursache liegt weniger an den spezifischen Akteuren der extremen Rechten, als an der politischen Bewertung der »Anti-Islam-Kampagnen«. Die Kritik am Islamismus sowie die Kritik an Antisemitismus und Patriarchat im Kontext des Islams scheinen mit einer antirassistischen Positionsbestimmung unvereinbar zu sein. Vor allem dann, wenn eine Kritik zum Phänomen rassistischer Hetze, codiert in einer vermeintlichen Islamkritik, Stellung beziehen soll.

No racism!

Jeder Rassismus basiert auf der Konstruktion grundlegender Wesensunterscheidungen angeblicher Kollektividentitäten im Schema eines »Anderen« und eines »Selbst«. Diese Identitäten entstehen aus Macht- bzw. Nicht-Machtpositionen innerhalb gesellschaftlicher Widersprüche, wie dem Lohnarbeitsverhältnis, Patriarchat oder der möglichen oder unmöglichen Wahrnehmung »sozialer Rechte« (Bildung, Gesundheit usw.).

Die verschiedenen Rassismen sind durch ihre historische Entstehung, ihre ideologische Herleitung, sowie in ihren gesellschaftlichen Funktionen unterschiedlich. Der moderne Antisemitismus ist mit dem postkolonialen Rassismus nicht identisch, auch wenn beide ihren grundlegenden Ursprung in der Durchdringung der gesellschaftlichen Sphären durch das kapitalistische Wertprinzip haben. Die als »Andere« Konstruierten erscheinen als die willenlosen Objekte des Marktes, als Verkörperung des Gebrauchswerts, als gezähmte und doch unzähmbare Natur, während die »Juden« als mächtige Repräsentanten des Marktes, als Verkörperung des Tauschwertes, erscheinen. Die dominierenden Ausdrucksformen des Rassismus haben in den letzten Jahren in Europa eine »Modernisierung« erfahren. Anfang der 1990er Jahre war noch der »klassische« biologistische und völkische Rassismus selbst in der so genannten Mitte der Gesellschaft vorhanden. Im Rahmen der Transnationalisierung der Kapital-Akkumulation (»Globalisierung«) nahmen Wohlstandschauvinismus sowie Standortnationalismus zu. Dass »Ausländer die Arbeitsplätze wegnehmen und unsere Sozialsysteme unterwandern«, wusste spätestens im Rahmen der Debatte um die Abschaffung des Asylgesetzes 1993 auch der/die letzte GenossIn innerhalb der SPD. Die Kulturalisierung des Selbst und der Anderen wurde fast hegemonial.

Soziale Konflikte werden als »Kampf der Kulturen« gedeutet. Im Namen einer »multikulturellen Gesellschaft« wird eine staatliche »Fremdkulturalisierung«, wie im jüngsten Beispiel Schäubles Islamkonferenz zu sehen, vorangetrieben. Gleichzeitig zeichnet sich eine stärker werdende Eigenkulturalisierung in migrantischen Gemeinschaften ab. Innerhalb dieser Gemeinschaften ist der vorherrschende Trend der Identitätspolitiken weit weg von einem emanzipatorischen Anspruch im Sinne einer sozialen und rechtlichen Gleichstellung.

Stattdessen sind vermehrt rückschrittliche Autarkievorstellungen zu beobachten, die einen Rückfall hinter das bürgerliche Recht darstellen. Auch bei der »Islam-Debatte« ist der kulturalistische Rassismus die häufigste Folie für die Auseinandersetzung mit »dem Islam«. Die muslimische Bevölkerung wird nicht als durch die gesellschaftlichen Verhältnisse geprägte Subjekte anerkannt, sondern trotz unterschiedlichster Migrationshintergründe, religiöser Zugehörigkeit (SchiitIn, SunnitIn, AlevitIn, usw.), usw. als »die Moslems« konstruiert. Der Islam erscheint damit als einheitliche Formation, der in all seinen Differenzen und Unvereinbarkeiten ein in sich identisches Wesen trage.

Die Ressentiments gegenüber der muslimischen Bevölkerung bekommen im Vergleich zum völkischen Rassismus der 1990er Jahre eine neue Dimension insofern der völkische Rassismus sich auf Konstruktionen von Volk und Rasse berief, welche scheinbar immer unvereinbar mit dem Gleichheitspostulat der bürgerlichen Gesellschaft waren. Im Vergleich dazu konstruiert die neue Form des antimuslimischen Vorurteils gerade »das Fremde« als den Gegensatz zur bürgerlichen Gesellschaft. Der »Islam« gilt als das zu »Integrierende«, ja sonst womöglich »Terroristische«, gegen das das Selbst in Form des »Westens« und seiner »Errungenschaften« in Stellung gebracht wird. So bieten jene Ressentiments selbst liberalen Kreisen Anknüpfungspunkte für eine offensive Forderung nach Ungleichbehandlung und Aberkennung bürgerlicher Rechte bei MuslimInnen. Die »demokratische Mitte« kann ohne Schwierigkeiten verfassungsmäßige Grundrechte der BRD unter der Losung der Integrationsfähigkeit als Privilegien verteilen und muss sich ihres Zynismus, der sich in dem Abbau und gleichzeitigen Hochhalten dieser Rechte widerspiegelt, nicht vergegenwärtigen. Eine kulturalistische Metamorphose der Gesellschaftsbilder findet statt, in der Individuen samt ihrer Lebenslagen und Probleme zum Schweigen gebracht sind und eine systematische Zuweisung von sozial schlechter gestellten Positionen vollkommen unhinterfragt bleibt. Die verschiedensten sozialen Phänomene werden zu Repräsentanten der homogenisierten Kollektivblöcke (Islam, Westen) verwandelt.

No place to hide for idiots!

Die so genannte Kritik am Islamismus ist meistens überhaupt keine Kritik. Eine radikale Kritik des Islamismus als reaktionärer politischer Bewegung muss im marxschen Sinne des Wortes radikal sein, also den Ansatzpunkt in den gesellschaftlichen Verhältnissen und nicht in den Seufzern (Koran-Versen) verorten. Es geht nicht darum, im Namen einer bedrängten Kultur das Ziel, die Emanzipation des Menschen, zu verdrängen, sondern den Weg dorthin klarer zu sehen. Es bedarf noch nicht einmal des dialektischen Materialismus um zur Auffassung zu gelangen, dass Religiöses in den realen weltlichen Vorgängen zu bewerten und zu kritisieren ist.

Die Theorien, denen Islam als Religion und der Islamismus als politisch-soziale Bewegung einerlei sind, die dadurch den historischen und gesellschaftlichen Gehalt des Islamismus einfach liquidieren, ohne ihn wirklich zu kritisieren, werden außer platter Polemik und Bejubelung aus der falschen Ecke (Nazis usw.) wenig erreichen. Von den islamischen Religionen führt kein notwendiger Weg in die Politik. So lehnen viele Gläubige die direkte Allianz mit der Politik, die sie als Institutionalisierung weltlicher Herrschaft und deren Interessen sehen, um der religiösen Reinheit willen ab.

Der Islamismus ist als politisches Phänomen nur im Kontext eines modernen Nationalismus und in seiner historischen Besonderheit zu erfassen. Erst im Zuge und als reaktionäre Antwort auf die gesellschaftlichen Veränderungen in der Phase des klassischen Imperialismus (Ende 19. / Anfang 20. Jahrhunderts) entwickelte sich der Islamismus. Die transnationale »Umma« wurde die anti-okzidentale Version des »freien Weltenbürgers«. Die Ordnungspolitik des Islamismus im Inneren wie im Äußeren hat seine Entsprechung im verzerrten Spiegelbild des bürgerlichen Staates. Die Popularität gewinnt der Islamismus primär als soziale und nicht als religiöse Bewegung. Er mobilisiert als Sozialbewegung eine gemeinschaftliche Identität, die versucht, jede Individualität auszumerzen. So propagiert der Islamismus eine »organische« Staatsordnung, der an die Stelle von Klassenauseinandersetzungen eine korporativistische Arbeitsdiktatur setzt. Der Koran ist für IslamistInnen sakrosankt, also in keinerlei Hinsicht verhandel- oder relativierbar. Er gilt als das unmittelbar von Gott stammende Wort, als die absolute Wahrheit und somit als einziger Maßstab jedweden Tuns. Somit stellt sich die Formierung des Islamismus zur politischen Bewegung als das Ende der Politik und ihre negative Aufhebung in einer romantisierten, kulturell homogenen Zwangsgemeinschaft (Umma) dar, weil jedwede Relativierung oder Revidierung von Positionen im politischen Kontext als Abweichung und Desertion vom Wort Gottes gilt.

Ebenso gelten die Scharia – die Rechtsbestimmung aus dem Vorderen Orient des achten Jahrhunderts – und die darin fixierten Geschlechterrollen als das wortwörtlich von Gott bestimmte Gesetz. Die Umsetzung dieser durch die Institutionalisierung der Scharia, welche das Ende der sozialen Ungleichheit verspricht, verdeutlicht dabei jedoch nicht die Verwirklichung der Religion Islam. Das konstruierte »Wesen« wird also nicht zum »Dasein«. Stattdessen zeigt es die Krise des Islams als Religion, der gefangen in feudalistischen Normen und Ordnungsvorstellungen längst vergangener Zeiten keine Antworten auf die sozio-ökonomischen Veränderungen (Kolonialismus, Kapitalisierung zuvor feudalistisch organisierter Lebensräume) zu finden vermag.

Die Kritik des Islamismus muss eine Kritik am Rassismus in der Kritik am Islamismus beinhalten; also eine Kritik jenseits des kulturalistischen Mainstreams sein und die Waffe auf jene Verhältnisse richten, die diese reaktionäre Bewegung erst ermöglichten.

Rechtpopulismus meets Neoliberalismus

Klassisch rechtspopulistische Parteien sind und waren in den letzten Jahren an der Macht in mehreren europäischen Ländern. Beispiele sind Berlusconis Bündnis Volk der Freiheit (ODL) oder die Regierungsbeteiligung der FPÖ unter Haider in Österreich. Gleichzeitig generieren sich in Europa immer mehr Politiker durch Polarisierung und rechte Rhetorik, die dem Rechtspopulismus entlehnt ist. Die polnischen Kaczy?ski-Brüder, aber auch Nicolas Sarkozy bedienen sich Methoden des Rechtspopulismus und bekommen reichlich Zuspruch aus den Bevölkerungen. Die rechtsnationale Schweizer Volkspartei (SVP) ist durch den Populismus von Christoph Blocher ebenfalls zur stärksten Partei avanciert. Rechtspopulismus ist somit längst kein Phänomen mehr, das auf (post-)faschistische Parteien oder Bewegungen begrenzbar wäre, vielmehr scheint der Rechtspopulismus, wenn auch noch nicht in der BRD, so doch in Europa ein adäquates Krisenbewältigungs-Konzept für die bürgerliche Ordnung zu bieten. Alle diese verschiedenen Rechtspopulismen in Europa haben ihren Ursprung in den Krisenphänomenen sozialer und ökonomischer Art der letzten Jahrzehnte.

Die Abwendung von Konzepten des Welfare-States, Staatssozialismus oder sozialdemokratischem Korporatismus hin zum so genannten Neoliberalismus hat die Krisen auf politischer und sozialer Ebene verschärft und zu einem Kontroll- und Legitimationsverlust der politischen Systeme geführt. Eine allgemeine Krise traditioneller Parteistrukturen und Gewerkschaften durch den Bedeutungsverlust des Korporatismus und eine stärker werdende Entsolidarisierung verstärken diese Legitimationskrise. Entgegen ihrem Auftreten, ob inhaltlich oder propagandistisch, sind rechtspopulistische Akteure und Strukturen keine Opposition gegen das herrschende System, sondern stabilisierender Faktor. Wie sehr sich auch RechtspopulistInnen anti-elitär präsentieren, ihr Antielitarismus bezieht sich, wenn überhaupt, nur gegen eine »politische Klasse« und nie auf gesamtgesellschaftliche Machtverhältnisse. Gerade die propagandistischen Elemente des Rechtspopulismus wie Nationalismus, Rassismus, Elitarismus und Sozialneid bieten eine verstärkte Bindung an die jeweiligen Nationenkonstrukte. Politische Themen wie Zuwanderungs-Beschränkungen, soziale Ausgrenzung, »innere Sicherheit« oder Anti-Islam und kulturalistischer Rassismus gestatten es, rechtspopulistische Themen im Mainstream zu etablieren. Der Rechtspopulismus ist insofern ein umsichtig modernisierter Rechtsradikalismus in liberaler Erscheinung.

Insbesondere erlaubt der Rückgriff der extrem Rechten in Europa auf politische Theorien der Zwischenkriegszeit und Vorbilder bei der wirtschaftsliberalen amerikanischen Rechten, im Gegensatz zu bisherigen historischen Vorbildern aus dem europäischen Faschismus, den Modernisierungsprozess hin zum Rechtspopulismus und somit zur gesellschaftlichen Relevanz zu vollziehen.

Der Rechtspopulismus bietet die ideologische Verbindung von Wirtschaftsliberalismus und Nationalismus, welche in Zeiten der offensichtlich werdenden sozialen Krise und eines erstarkten Nationalismus sich als zeitgemäßes Gesellschaftsmodell verkaufen lässt. Die Regierungsbeteiligung von Alleanza Nazionale in Italien oder FPÖ in Österreich verdeutlicht, dass (Post)-Faschismus und Rechtspopulismus mit einem neoliberalen Programm verbunden werden können. Dies zeigt, dass es sich beim Rechtspopulismus nicht um eine Gegenbewegung zum neoliberal geordneten Kapitalismus handelt, sondern er sich zum Neoliberalismus komplementär verhält. Die volkstümlich inszenierten Proteste der RechtspopulistInnen gegen das »politische Establishment« sind kein Beleg für den Anspruch der Errichtung einer »Volksgemeinschaft« á la NSDAP, sondern der forcierten Transformation spät-bürgerlicher Ordnung hin zu einer autoritären Staatsordnung, die vermehrt durch sozialdarwinistische Ordnungsstrukturen und rassistische Ausgrenzungsmuster versucht, die soziale Krise zu bewältigen.

In diesem Sinne ist die Kampfansage an die reaktionäre Bewegung des Rechtspopulismus ebenfalls ein Aufruf, die Perspektive der sozialen Emanzipation wieder zum Tagesgeschäft zu machen.

Let´s change the climate!

Dort, wo sich Reaktionäre jedweder Art formieren, gilt es, alle Formen des Widerstandes anzuwenden. Ein Leben ohne Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus und Patriarchat ist nur jenseits der kapitalistischen Verwertungsmaschinerie möglich. Das Leben innerhalb derselben wird immer durch die sachliche Gewalt der kapitalistischen Logik durchdrungen sein und die kritisierten Strukturen und Bewegungen hervorbringen. Dabei bedarf die Kritik der kapitalistischen Produktionsverhältnisse der vermittelnden politischen Praxis, die die radikale Kritik der bestehenden Verhältnisse in all ihren Ansätzen zum zentralen Punkt macht. Daher muss der Widerstand gegen den »Anti-Islamkongress« im Kontext einer Kriegserklärung an jene Verhältnisse, aus denen heraus jene Bewegungen wie die der extremen Rechten überhaupt erst erwachsen konnten, geführt werden.

Wir rufen dazu auf, nicht nur die Waffe der Kritik vom 5. bis 7. September 2008 in Köln bei der Antifa-Debatten-Konferenz »Feel the Difference?!« zu schleifen und die Kritik der Waffen am Wochenende 19. bis 21. September nach Köln zu tragen. Am Abend des 19. September wird unter dem Motto: »Fight the Game! – Rassismus, Nationalismus, Islamismus und Kapitalismus bekämpfen!« die Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen auf die Straße getragen.

Am Samstag den 20. September 2008, rufen wir dazu auf, sich an den Großblockaden vor dem Kongresszentrum zu beteiligen und jede Möglichkeit, die sich bietet, mit allen Aktionsformen zu nutzen, um den RassistInnenkongress zu verhindern.

Wir treten ein für eine Gesellschaft frei von allen Widerlichkeiten wie: Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus, Islamismus und Patriarchat!

Den Aufruf unterstützen: Antifa Mönchengladbach, Antifa Siegen, Antifa Westerwald, Theorie.Organisation.Praxis Berlin (TOP Berlin), Antifaschistische Linke Kitzingen (ALK), Antifa Main-Tauber, AK-Antifa Belzig, Antifaschistische Linke Münster, Alternative Liste Uni Köln, Ökologische Linke Köln, Multikullturelles Zentrum Trier, Kanak Attak, Autonome Antifa Frankfurt, StudentInnen-Ausschuss der Vollversammlung (StAVV-HumF) Uni Köln, attac campus Bochum, redical m, Antifa Lindau, Antifa Lemgo