Redebeitrag auf der Kundgebung „Platz für Sorge“ am 8.3.2021

Wir dokumentieren im folgenden unseren Redebeitrag den wir am 8.3.2021 auf der Kundgebung „Platz für Sorge“ gehalten haben.

 

Heraus zum internationalen Frauenkampftag – für einen antikapitalistischen Feminismus!

»Wir schlafen, wo die alten Menschen schlafen, wir essen, wo sie essen. Wir bereiten Essen zu, räumen auf, putzen, waschen, bügeln, wechseln Windeln, verabreichen Medikamente, gehen mit ihnen spazieren und sprechen mit ihnen. Es gibt kein Entkommen.«

Dieses Zitat einer bulgarischen Hauspflegerin verdeutlicht recht bezeichnend die Rolle von Sorge- und Pflegearbeit in unserer Gesellschaft. Im Kapitalismus spielen Bedürfnisse nur insofern ein Rolle, als sie für die Herstellung einer flexiblen und optimal einsetzbaren Arbeitskraft, die möglichst viel leisten kann, von Bedeutung sind. Sorgearbeit wird häufig nicht wertgeschätzt und finanziell kaum unterstützt. Dies gilt insbesondere in der derzeitigen Krise sozialer Reproduktion, die wir als einen zugespitzten Widerspruch zwischen Profitsteigerung und Reproduktion der Arbeitskraft verstehen. Mit Reproduktion meinen wir all diejenigen Tätigkeiten wie Waschen, Kochen, Heilen, Kindererziehen usw., welche für die Wiederherstellung der Arbeiter*innen notwendig sind. Diese Krise der sozialen Reproduktion hat viele Facetten auf die ich im folgenden eingehen werde.

In den letzten 30-40 Jahren wurden verschiedene sozialstaatliche Errungenschaften abgebaut, städtischer Wohnraum privatisiert, Sozialhilfen gekürzt oder der Kündigungsschutz ruiniert. In anderen Bereichen hat der Staat aber nicht weniger, sondern mehr in Infrastrukturen investiert, welche die Anforderungen an die Haus- und Sorgearbeit zumindest zeitlich deutlich reduziert, in dem z.B. Kitas und Kindergärten ausgebaut wurden. Nur weil es in (West-) Deutschland jetzt mehr Kitas gibt, heißt das allerdings nicht, dass Frauen jetzt weniger Arbeit hätten. Im Gegenteil, so sollen sie neben Reproduktionsarbeit auch Lohnarbeit nachgehen, sind also mit einer ständigen Doppelbelastung konfrontiert.
Der Fokus auf Familienpolitik mit Angeboten wie Elterngeld und Co. schafft genau die Infrastruktur, die dafür sorgt, dass auch Frauen z.B. nach der Geburt möglichst schnell wieder produktiv sind sein können.
Vorstellungen von Familie, Erziehung und Schwangerschaft werden in die neoliberalen Bestrebungen eingepasst.
Erziehungsarbeit etwa ist zunehmend vom Anspruch nach Optimierung geprägt, d.h. im Klartext: möglichst effizient, in kurzer Zeit die Arbeitskräfte von morgen heranziehen. Das zeigt sich einerseits in der Familie, aber vor allem in Kitas so, dass die gleiche Anzahl an Erzieherinnen immer mehr Kinder betreuen sollen und das nach den bestmöglichen Maßstäben. Weiterlesen

Frauen*kampftag 2020: Der Feminismus der Chefs endet, wo der Streik beginnt!

frauen*streik 2020 banner antifa ak

Seit über 100 Jahren gehen Frauen am 8. März für ihre Rechte auf die Straße. Am internationalen Frauenkampftag stehen Frauen für Gleichberechtigung, sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung und gesamtgesellschaftliche Emanzipation auf. Am 08. März 1857 organisierten New Yorker Textilarbeiter*innen sich zu einem spontanen Streik und gingen gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen auf die Straße. Auch heute im Jahr 2020 arbeiten Frauen in der Textilbranche unter unmenschlichen Bedingungen und sie streiken, wie zum Beispiel in Pakistan, Bangladesch und Indien.

In den letzten Jahren sind Frauenstreiks zu einer globalen Bewegung geworden. Im Oktober 2016 streikten Frauen in Argentinien, sie protestierten so gegen die anhaltende Gewalt, gegen brutale Femizide und sexualisierte Gewalt an Frauen. Auch in Polen haben Frauen im Jahr 2016 mit einem Streik eine weitere Verschärfung des Abtreibungsrechts verhindert und in Spanien gingen 2018 über 5 Millionen Frauen auf die Straße.

Die Frauenbewegung hat viele Themen: Frauen kämpfen gegen sexualisierte Gewalt auf der Straße und am Arbeitsplatz, für sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung, gegen unbezahlte Hausarbeit und ökonomische Abhängigkeiten. Der Kapitalismus spaltet die Einheit aus Produktion und Reproduktion in ein binäres System aus männlich (produktiv) und reproduktiv (weiblich). Somit stehen kämpfende Frauen an Seite mit allen Queers und Non-Binarys, die tagtäglich für Sichtbarkeit und Anerkennung kämpfen zusammen gegen die Spaltungen zwischen uns, die der Kapitalismus systematisch produziert. Ob Frauen und Geschlechterkampf, Klassenkampf, Klimabewegung und Kampf gegen den Faschismus.

Auch die neue Generation der Klimabewegung, die überwiegend jung/weiblich ist, macht seit über einem Jahr weltweit mit den Schüler*innen von Fridays for Future laut auf sich aufmerksam. Die Frauen- und Klimagerechtigkeitsbewegungen haben einen notwendigen Systemwechsel wieder auf die Agenda gesetzt. Die Kämpfe gegen Patriarchat und Klimakrise verdeutlichen, dass deren Ursachen in der Logik des Kapitals verankert sind und diese radikal in Frage gestellt werden muss. Denn der Klimawandel ist ein Ergebnis des Kapitalismus und spiegelt sich auch in der globalen Klassengesellschaft: Er trifft die ärmsten Menschen am härtsten, wobei Frauen hiervon besonders betroffen sind.

Petitionen an Politiker*innen und Unternehmen, ein grün angestrichener Kapitalismus und Popfeminismus können nicht ausreichen und tragen im Gegenteil zu einem neoliberalen Weiter-So bei. Wie unsere Genoss*innen von TOP Berlin sagen:

Dadurch gerät aus dem Blick, wo das Hauptproblem in unserer Wirtschaftsordnung liegt: Marktwirtschaft, oder besser: neoliberaler Kapitalismus. Ein weltweites System, indem nicht vernünftig, weil eben nicht bedürfnisorientiert darüber entschieden wird, was die große Mehrheit der Menschen unter Rücksicht auf die Umwelt benötigt, sondern nur produziert wird, was Geld einbringt.

Denn während Pop-Feminismus und Green Capitalism marktkonform bleiben, werden im Rahmen des globalen Rechtsrucks reaktionäre Positionen wieder salonfähig. Antifeminismus, Klimawandelleugnung oder nationale Abschottung (Heimatschutz) sind wesentliche Elemente dieser faschistischen Ideologie.
Um diese rechten Ideologien zu verteidigen bedarf es Feindbildern von außen, wie Migrant*innen, die globalen Frauenbewegungen oder die Schüler*innen von Fridays für Future. Dieser Hass äußert sich terroristisch, wie in Halle oder Hanau, durch Kommentare im Internet, oder Femizide.
Die autoritäre Formierung ist das Ergebnis von verwertungsorientierten Gesellschaftsverhältnissen, die die sozialen Konflikte zwischen oben und unten weiter zuspitzen. Daher ist es notwendig feministische, antirassistische und ökologische Kämpfe zusammenzuführen um der gewaltvollen Struktur und ihren faschistischen Vertretern geschlossen entgegenzutreten, wie es zum Beispiel Millionen von indischen Frauen an dem Generalstreik gegen den Faschisten Modi im Januar gezeigt haben.

Um den Weg in eine feministische, klimagerechte Gesellschaft zu ebnen müssen wir die gegenwärtigen Arbeits-, Lebens-, Produktions und Reproduktionsweisen radikal umwälzen.

Wir rufen zum politischen Streik auf!
Wir streiken für Klimagerechtigkeit und ein Ende der neokolonialen Produktionsweisen!
Wir streiken für eine klare Positionierung gegen die Autoritäre Formierung, eine immer weiter nach rechts rückende Gesellschaft. Ob Klimagerechtigkeits-, Feminismus- oder Antifabewegung: Bolsonaro, Trump, Modi, AfD, sind unsere gemeinsamen Feinde! Wenn wir am 6. und 8. März streiken, dann in Solidarität mit all jenen die von Rassismus, Abschottung und Sexismus betroffen sind. In Hanau, Delhi, auf Lesbos und auf der Straße in Köln. Für einen Feminismus, der Grenzen einreißt, den Rechtsruck angreift und für ein globales Zusammenleben der nächsten Generationen kämpft, statt globale Verwüstung, Kriege und Flucht.

Aktionen und Termine zum Frauen*kampftag 2020 in Köln:

„Wenn wir streiken steht die Welt still!“

Heraus zum internationalen Frauen*streik!

In Köln sind wir Teil des Frauen*streikbündnis Köln. Unter dem Motto „Feminstisch. Queer. Antirassistisch.“ treffen wir uns dort seit Mitte November mit unterschiedlichen Frauenorganisationen und anderen Aktivistinnen*, um lokale Aktionen rund um den Frauen*streik am 8. März zu organisieren und planen. Seit Januar gibt es verschiedene Veranstaltungen mit Analysen und Perspektiven auf und um den Frauen*streik von uns. Als nächstes steht am 23. Februar ein Inputveranstaltung in den materialistischen Feminismus mit der Basisgruppe Antifaschismus aus Bremen an. Ankündigung und alle Infos hierzu folgen.

Reasons for Resistance
Frauen* sind in den am geringsten entlohnten Sektoren noch immer völlig überrepräsentiert. Sie erhalten durchschnittlich 21% weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen. Sie verbringen durchschnittlich 164 Minuten am Tag mit Putzen, Kochen oder Bügeln, Männer gerade einmal 90 Minuten. Gewalt gegen Frauen* wird nach wie vor in den meisten Fällen im häuslichen Umfeld durch den Partner oder Ex-Partner verübt. Gut zwei Drittel der betroffenen Frauen* tragen psychische Störungen, wie Depressionen und Schlafstörungen davon.
Diese plakativen Ungleichheitsverhältnisse sind Grund genug, dass sich derzeit weltweit Frauen* organisieren, um dem Patriarchat den Kampf anzusagen. Wir wollen diese grausamen alltäglichen Konflikte auf die gesellschaftlichen Verhältnisse zurückführen, die diese Zustände erst ermöglichen. Wir sind als Subjekte gesellschaftlich bestimmt und nur über eine Bestimmung der Verhältnisse wird es uns möglich sein diese zu überwinden. Am 8. März wollen wir streiken, um gegen die Herrschaft des Patriarchats in all seinen Facetten mobil zu machen und das zusammen zu überwinden, was zusammen gehört: Für einen antikapitalistischen Feminismus! Für einen feministischen Antikapitalismus!

Aktuelle Infos zum Frauen*streik in Köln gibt es unter: frauenstreik-koeln.org oder bei Facebook.

Kurzes Radio-Interview mit Köln Campus zum Streik:

Young, Urban, Successful? Fuck the system from below!

Ein Beitrag des Antifa AK Köln zur Debatte um neue (alte) Klassenpolitik im Rahmen des Frauen*kampftages 2018

Langfassung des am 7.3.2018 im ND erschienen Texts: Feminismus von unten.

English Translation on beyondeurope.net

Im Rahmen ihrer Zeit-Campus-Kolumne jung und konservativ veröffentlichte Diana Kinnert im Oktober 2017 einen Text mit dem Titel Feministinnen, dankt dem Kapitalismus. Diana Kinnert ist jung, konservativ, CDU-Mitglied und der Meinung, dass die Tatsache, dass große Modelinien „I‘m a Feminist“ auf T-Shirts drucken, Ausdruck eines marktwirtschaftlichen Siegescodes, eines Kultursiegs des Feminismus sei. Sie argumentiert: „Kommt der Einsatz für eine politische Forderung noch so spät und sei er noch so unedel, weil er sich letztlich an wohliger Massenkompatibilität und geglättetem Kommerz ausrichtet, steht er nicht für einen Kultursieg – eingebettet in die Mechanismen der Marktwirtschaft?“

Um zu begreifen, dass Kapitalismus, Patriarchat und weibliche Ausbeutung sich gegenseitig bedingen, reicht alleine ein Blick auf die Näherinnen* in Bangladesch, die die T-Shirts produzieren, die Diana Kinnert dann für 15 Euro kaufen und den Siegeszug des Kapitalismus postulieren kann. Dass eine CDUlerin nicht für die Überwindung des Wirtschaftssystems schreibt, ist mindestens erwartbar, dass sie Popkultur mit sozialen Kämpfen verwechselt, ist respektlos und unerträglich. Der Artikel lehrt dabei weniger über die Aktualität des Feminismus, dafür umso mehr über die gegenwärtige Ausprägung der Marktgläubigkeit und der sich damit immer weiter verbreiteten Ansicht, dass jede*r sein Schicksal verdiene und die damit „nicht nur die Behauptung von der Hellsichtigkeit der blinden Natur, sondern auch die von der Gerechtigkeit des gegenwärtigen Wirtschaftssystems ein[schließt].“ (Max Horkheimer)

#girlboss

Diese Entwicklung manifestiert sich im gegenwärtigen Neoliberalismus in Form eines liberal-individualistischen Fortschrittsverständnisses, das nicht mehr die Zunahme von Gleichheit, sondern den Aufbau einer Leistungsgesellschaft fokussiert und damit weder klassenbewusst noch antikapitalistisch ist. Über die Einspeisung in den Kapitalismus verliert der Feminismus jedoch seine subversive Kraft. Frauen haben bereits im Zuge des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus einen einzigartigen Prozess der Degradierung erlitten, der für die Akkumulation des Kapitals von grundlegender Bedeutung war und bis heute geblieben ist (vgl. Silvia Federici). Vor allem im Silicon Valley wird die Kopplung aus Liberalismus und Feminismus deutlich. Das Ergebnis ist ein Feminismus, der die Lohnarbeit als ultimative Befreiung propagiert, „empowerment“ wird zum Sinnbild für die institutionalisierte Ermächtigung zur doppelten Selbstausbeutung. Weiterlesen

Heraus zur Frauen*kampftag Demonstration in Köln

Bundesweite Demo: Samstag, 12.03.2016, 13 Uhr Dom, Köln

Update: Kompletter Aufruf ist jetzt hier lesbar.

In die Offensive gegen Nation, Kapital und Patriarchat!

Plakat des Antifa AK zum Frauen*kampftag 2016

Plakat des Antifa AK zum Frauen*kampftag 2016

Nach Silvester nutzten die, die sexuelle Gewalt gegen Frauen* normalerweise ignorieren und verharmlosen, dankbar die Gelegenheit, Ihren Kulturalismus unter „progressiven“ Vorzeichen voll auszuleben, halten sie Feminist*innen, den eigentlichen Erkämpfer*innen und Verteidiger*innen von Frauen*rechten vor, sie sollten sich in der Frage von Zuwanderung, Islam und co. endlich „mal positionieren“. Implizit schwingt in diesem Vergleich immer eine Drohung mit. Es ist die Drohung der Macht, das Erkämpfte rückgängig zu machen und Frauen* zurück an ihren „angestammten“ Platz zu verweisen.

Wir sind parteiisch mit allen Frauen*, die sexuelle Gewalt erleiden und solidarisch mit allen Frauen*, die sie bekämpfen. Wir wenden uns gegen die Ethnisierung von Sexismus, welche nach Silvester in Köln massiv betrieben wurde. Wir wollen das Patriarchat als das kenntlich machen und angreifen, was es ist: Als ein Machtverhältnis, das auch in der BRD und dem restlichen Teil des „aufgeklärten Westens“ an der Tagesordnung ist. Als tragende Säule der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, das mit dieser in untrennbarer gegenseitiger Vermittlung steht. Patriarchat und Kapitalismus können nicht einzeln analysiert werden, sondern nur zusammen gedacht und bekämpft werden.

Wir stehen ein für eine feministische Perspektive, die auf die endgültige Überwindung des Patriarchats abzielt. Die Überwindung des Systems, welches Silvia Federici als „Lohnpatriarchat“ bezeichnete, bedeutet ein besseres Leben für alle Menschen- er bedeutet eine humanere Gesellschaft, in der Geschlechterrollen für niemanden mehr über den Zugang zu lebensnotwendigen Ressourcen und Glück entscheiden.

Für einen feministischen Antikapitalismus- für einen antikapitalistischen Feminismus! Zusammen denken, was zusammen gehört – In die Offensive gegen Nation, Kapital und Patriarchat! Making feminism a threat again!

Infos zur Demo auf der Website des Demobündnisses: reclaimfeminism.org

Weitere Argumente: