Eure Festung ist kein Paradies
Gegen den Alltag von Rassismus, Sexismus und Abschottung
Die massiven, sexualisierten Übergriffe im Zusammenhang mit den Raubdelikten an Silvester werden teilweise weit über die BRD hinaus in Medien und Politik thematisiert. Diese Übergriffe sind uneingeschränkt zu verurteilen. Sexualisierte Gewalt gegen Frauen ist jedoch, anders als die Medienberichte suggerieren, in der BRD auf der Tagesordnung. Keinesfalls bilden die Übergriffe in der Silvesternacht eine Ausnahme in der patriarchalen Kontinuität, auch nicht in Köln. Es ist erschreckend, dass Übergriffe derartig geballt im öffentlichen Raum stattfinden. Zu betrachten ist jedoch auch die Passivität der anderen Anwesenden. Sie zeigt einmal mehr deutlich, dass Gewalt an Frauen als normal, oder nicht vermeidbar angesehen wird.
Diejenigen, die nun am lautesten nach dem Schutz für Frauen schreien, ignorieren Gewalt gegen Frauen, wenn sie diese nicht ethnisieren und „Nordafrikanern und Arabern“ zuschieben können. Oftmals wehren sich eben die, die nun die Beschützer von Frauen geben, entschieden gegen deren basalste Rechte. Dazu zählen das Recht auf gleiche Entlohnung, das Recht über ihren eigenen Körper zu bestimmen, wenn es um Schwangerschaftsabbruch geht, oder die Beschränkung der Frau auf die Mutterrolle.
Entlarvend für die selbsternannten Frauenrechtler_innen ist auch die alte Forderung, auf die sich alle Sexisten einigen können, die vorgeben, Frauen vor Übergriffen zu schützen: Frauen möchten doch das Verhalten unterlassen, das Vergewaltiger ermutige. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (CDU) forderte diese Woche, Frauen sollten eine Armlänge Abstand zu Männern halten, um Übergriffen aus dem Weg zu gehen. Dies schiebt den Opfern eine Mitschuld an der Tat zu. Eine unerträglich sexistische Position- insbesondere, weil sie sich als Unterstützung ausgibt.
Diejenigen, die zu regelmäßigen, alltäglichen sexuellen Übergriffen in Deutschland schweigen, aber schreien, sobald „Nordafrikaner und Araber“ daran beteiligt sind, sind keine Frauenrechtler_innen, sondern Rassist_innen. An keinem Punkt wird dies so deutlich, wie das diesen Samstag nun Pro NRW und Pegida demonstrieren wollen, zu deren üblichem Programm ein besonders abstoßender Sexismus gehört.
Doch wie immer haben Pegida, Pro NRW und co. kein Monopol auf den Rassismus: Die Mitte der Gesellschaft eilt ihnen mit Riesenschritten entgegen. Durch die Beschreibung der Täter als „nordafrikanisch oder arabisch“ macht die Medienlandschaft kräftig Stimmung gegen ganze Bevölkerungsgruppen. Die rassistische Normalität in der BRD macht auch 2016, im neuen Jahr, keine Pause. Jeden Tag sterben Menschen vor und an den Zäunen der Festung Europa. Gleichzeitig spitzt sich die Asyldebatte hier zu Lande immer weiter rassistisch zu. Die Vorfälle kommen den Verfechter_innen einer schärferen Abschottungspolitik gerade recht. Die Gefahr vor sexualisierten Übergriffen wird auf die Menschen projiziert, die hier her vor Gewalt durch Krieg und Armut geflohen sind. Die Schuld wird in ihrer „anderen“, vermeintlich weniger aufgeklärte archaische Kultur gesucht. Dass es sich um sexistische Männer handelt und auch innerhalb der Festung Europa Gewalt an Frauen an der Tagesordnung ist, wird gewollt ausgeblendet. Es herrscht scheinbar einhelliger Konsens darüber, dass die BRD-Gesellschaft aus aufgeklärten Antisexist_innen besteht. Wenn Gewalt gegen Frauen als ein (muslimisches) Importprodukt behauptet wird, muss umso deutlicher darauf beharrt werden, dass sexistische Widerlichkeiten in Deutschland in all ihren Facetten allgegenwärtig sind.
Die Medien, welche nun die Gewalt in der Silvesternacht skandalisieren, haben nie ein Wort über die andauernden Übergriffe an Karneval oder dem Oktoberfest verloren. Wer von einer „neuen Qualität“ der Übergriffe schreibt, sollte vielleicht erst einmal einen Feitagabend auf den Kölner Ringen verbringen. Es hat sich jedoch allerdings etwas verändert: Seit der Asyldebatte sind rassistische Argumentationsmuster wieder ein Stück salonfähiger geworden. Die Erzählung von „wilden, fremden Männern“, die hierher kommen und ihren Bedürfnissen freien Lauf lassen, ist eine unverhohlene rassistische Projektion. Nun wird in diese Debatte ein Ereignis eingeordnet, was schon hunderte Male so passiert ist, es aber nie in die Öffentlichkeit geschafft hat. Neu ist hier jedoch nicht das Ereignis, sondern die Offenheit, mit der die rassistische Deutung vorgebracht werden kann. Nicht das Ereignis drängt zur Erzählung, sondern die Erzählung zum Ereignis. Dass sich extrem Rechte wie Pro NRW und Pegida nun so ermutigt fühlen liegt auch daran, dass die Mitte der Gesellschaft nach rechts rückt. Irgendwann klebt dann der Pegida Sticker auf dem bengalischen Feuer, welches dann in die Unterkunft geworfen wird – wie vergangenen Samstag in Köln Mülheim geschehen.
Unsere Antwort auf all das lautet:
Die Städte für Frauen und alle anderen, die im öffentlichen Raum von Gewalt durch Männerbanden bedroht sind, sicherer zu machen heißt, dieser Gewalt überall, an jedem Tag im Jahr entgegenzutreten. Wer von der sexualisierten Gewalt an Silvester redet, aber von männlicher Dominanz und Rassismus, von Homophobie und Transfeindlichkeit nichts hören will, ist kein Verbündeter im Kampf gegen die patriarchale Zurichtung der Gesellschaft. Betroffene von Sexismus brauchen echte Unterstützer_innen und keine falschen Freunde.
Antisexistisch aktiv sein, antirassistisch sein – Das heißt für uns, feministische Kämpfe zu unterstützen und diejenigen, die selbige für ihre rassistische Propaganda instrumentalisieren wollen, konsequent anzugreifen. Eine Gelegenheit dazu ist diesen Samstag um 12.00 Uhr am Kölner Hauptbahnhof.
Darüber hinaus heißt dass aber auch die gesellschaftlichen Strukturen zu verändern die rassitisches und sexistisches Verhalten hervorbringen oder begünstigen. Es heißt so wohl gegen die Festung Europa und sexitische Strukturen zu kämpfen, als auch Solidarität mit deren Opfern zu organisieren, die dafür sorgt, dass die Gründe ihres Leids verschwinden. Für den Kommunismus.