Internationaler Antinationalismus!

AG „Just Do It“ des Antifa AK Köln

Fünf Jahre nach Einbruch der Finanzkrise, nach den Aufständen im arabischen Raum, nach erbitterten Abwehrkämpfen in Europa gegen dramatische Verschlechterungen der Lebensund Arbeitsbedingungen, regen sich auch in der deutschen Linken wieder Debatten um die Krise. Es scheint offensichtlich zu werden, dass Teilbereichskämpfe in und gegen die Produktionsund Reproduktions-Sphäre nicht im Stande sind, den von der Troika (EZB, EU, IWF) verordneten Sparplänen Paroli zu bieten. Durch diese Erfahrung sind in den letzten Jahren verschiedenste Bewegungen aufgetreten, die nach einer gemeinsamen, gegenseitigen Bezugnahme der Kämpfe suchen. Diese transnationalen Bewegungen – ob „Occupy“ oder Arabischer Frühling – sind Beleg dafür, wie aufeinander bezogene Aktionen weitere Resonanzen entfesseln und die tradierten Vorstellungen vom politischen Terrain (die jeweilige „eigene“ Nation, der zugeordnete Verwertungsraum im Weltsystem) zumindest ideell sprengen.

Jedoch teilen die diversen Bewegungen die gleiche Problematik. Die gemeinsamen Artikulationsversuche verbleiben in Unbestimmtheit und leeren Abstraktionen. Zugleich geistert eine Ahnung von der Möglichkeit kollektiver Handlungsmacht durch viele Kämpfe. Gegen diese Idee des Aufstandes agitieren, in „der europäischen Linken“, die Vertreter des Staatsidealismus, in zwei sich gegenseitig bedingenden Polen: Die eine Richtung besagt, dass die sozialen Kämpfe nur auf einer „moralischen Grundlage“ zur Gestaltungsgröße in der Politik avancieren könnten. Gegen das aktuelle EURO-pa der Sparprogramme solle die „Idee Europa“ stark gemacht werden, und als gemeinsamer Nenner der verschiedenen Kämpfe dienen. Die andere Richtung tritt für die Politik ein, die angeblich von „bösen Gestalten“ (Banksters) ihrer wahren Kraft beraubt wurde. Für sie erscheint als Ziel der Kämpfe nur die Konstitution einer souveränen Herrschaft, die dann als Bezugsund Handlungsrahmen überhaupt erst die Möglichkeit einer sozialen Reformierung der Gesellschaft ermögliche. Im Folgenden werden wir zunächst unsere Kritik an beiden Richtungen entfalten und versuchen, ihre reaktionäre Rolle in der gegenwärtigen Diskussion um ein Programm der sozialen Offensive kurz darzustellen. Im Anschluss werden wir aus der Kritik an Staat und Kapital eine weitere Stoßrichtung für die soziale Revolte ableiten und zur Debatte stellen: Diesen Ansatz nennen wir den internationalen Antinationalismus.

Die „Idee Europa“ gegen EURO-pa

Ob in Schule, Universität oder in linken Feuilletons – die „Idee Europa“ ist eine heilige Kuh. Gerade in Zeiten von Krieg und Krisen wird Sie zur Berufungsinstanz erkoren. Der deutsche Philosoph Georg Simmel verstand in Mitten des ersten Weltkrieges genau, was es mit dieser Berufung auf die „Idee Europa“ auf sich hat und wogegen sie steht: „Die internationale Gesinnung und Wesensart […] ist ein durchaus sekundäres Gebilde,[…] und ein Feind des wurzeleigenen nationalen Wesens. Das Europäertum dagegen ist eine Idee, etwas durchaus Primäres, nicht durch Zusammensetzung oder Abstraktion erreichbar – gleichviel wie spät es auch als historische Macht auftauche. Es steht nicht zwischen den Nationen, sondern jenseits ihrer und ist deshalb mit jedem einzelnen nationalen Leben ohne weiteres verbindbar.“

Jenseits der für Nationalisten üblichen spekulativen Suche nach Differenz und Gemeinsamkeit von nationalen Identitäten erkennt Simmel in der „Idee Europa“ gerade den Nutzen, die eigene Nation gegen „den Virus“ eines um sich greifenden Internationalismus der ArbeiterInnenbewegung zu impfen. Auch heute spielt die „Idee Europa“ unter anderem diese Funktion. Zum andern besitzt die „Idee Europa“ in ihrer „Idealität“ auch in Hinblick auf die ideologische Krisenverarbeitung einen Nutzen. Der preußische Staatsphilosoph Hegel schrieb: „Der Krieg als der Zustand, in welchem mit der Eitelkeit der zeitlichen Güter und Dinge, die sonst eine erbauliche Redensart zu sein pflegt, Ernst gemacht wird, ist hiermit das Moment, worin die Idealität des Besonderen ihr Recht erhält und Wirklichkeit wird.“ Die „ideellen Güter“, der Wert Europas ist kein bloßes philosophisches Geschwätz neben der Welt; es ist eine Angelegenheit, bei denen es den europäischen Staaten, die versuchen die Krise zu meistern, schwer darauf ankommt, dass ihre Bürger die „Idee Europa“ auch als ihre Idealität anerkennen und für Sie ihrer „Eitelkeit der weltlichen Güter“ abschwören.

Aber was ist die Idee Europas überhaupt? Viel Papier ist dazu entstanden und viel Unsinn verzapft worden. Die ehrlichste Antwort gab jedoch der scheidende Präsident der europäischen Zentralbank, Jean Claude Trichet, mit seiner Beschreibung: „Unser Vorbild war der einheitliche amerikanische Markt. Wenn wir Wohlstand und Frieden wollen, so hieß es damals, dann müssen wir von den gleichen Größenvorteilen, vom gleichen Freien Markt profitieren wie die Vereinigten Staaten. So sahen es die Gründungsväter Europas. Wenn das damals zutraf, dann umso mehr heute.“
Inzwischen ist ja allgemein bekannt, dass hauptsächlich Deutschland von freien Märkten profitierte und seine Exportüberschüsse andere europäische Nationalökonomien (z.B. Griechenland) ruinierten. Damit die „Idee Europa“ weiter gilt, wird in Europa inzwischen „Deutsch gesprochen“, worunter die Verarmung der Massen für die Verwertungsmöglichkeiten des Kapitals verstanden wird.

L‘Etat pour moi

In der Krise erschallt der Ruf nach dem Staat, nicht nur von den kreditlosen AutobauerInnen oder den in der Liquiditätskrise steckenden Banken. Auch die Linke sieht sich mal wieder bestätigt. Das Finanzkapital habe mithilfe skrupelloser ParlamentarierInnen „die Politik“ verhökert. Gefangen vom Wohlwollen der „Finanzmärkte“ würden die Staaten ihrem eigentlichen Auftrag der Befriedigung des Volkswillen nicht mehr nachkommen. Neben solch recht einfach gehaltenen Erklärungsmustern finden sich selbstredend ein Haufen akademischer Ausführungen gleicher Art. Hintergrund dieser Behauptung ist ein verklärendes Bild vom „golden age of capitalism“ (Hobsbawm). Demnach war der Staatsinterventionismus, inklusive seiner ideologischen Untermauerung durch den Keynesianismus Mitte des 20 Jahrhundert, nicht Resultat der Monopolisierungstendenzen (Imperialismus), der Problematiken in der Mehrwertproduktion (Mattik) und den revoltierenden Arbeiterkämpfen (Silver); er steht für einen ominösen „Klassenkompromiss“, der auf einem für die Arbeiterklassen vorteilhaften „Kräfteverhältnis“ bestanden habe. In dieser Lesart wird nicht nur die innere Geschichtlichkeit des Kapitals verleugnet, sondern der Kampf für eine befreite Gesellschaft auf den Staat, dem Territorium seiner Niederlage, fixiert. Hiernach hätten die „ideellen Gesamtkapitalisten“ die obskure ahistorische Potenz alle Krisenproblematiken qua Souveränität für alle Ewigkeit zu bannen und die beständige Verwertung des Werts zu gewährleisten. Und so bedarf die globale Kapitalakkumulation nichts dringender als eine „wirkliche Nachfrage“ zu schaffen und neue „Führungs-technologien“ mittels „Green Capitalism“ zum Zwecke der Geldvermehrung einzuführen. Allein das die oberen Etagen von solcher Art pragmatischen Vorschlägen zur Aufrechterhaltung der Ausbeutung und Unterdrückung nichts hören wollen, lässt die Behauptung von der verblichenen Souveränität der Staatsgewalt in noch hellerem Lichte erscheinen. Solcher „linker Glaube“ an die Macht des Staates führte am 20. Oktober 2011 dazu, dass die KKE (griechische StalinistInnen) in Athen die Parlamentssitzung zur Abstimmung eines weiten Sparpakets durch ihre „Schlägerbanden“ absichern ließ. Wer die Macht im Staate erringen will, der muss den Aufstand zerschlagen.

Was tun? – Positionsbestimmung

In den letzten Jahren unternahmen einige antinationale Zusammenhänge den Versuch, international Bezüge herzustellen. Auch wenn bisher die Kapazitäten größere Initiativen nicht ermöglichten, behielten alle Versuche eine klare inhaltliche Linie bei: Abgrenzung gegenüber der staatstragenden Linken, und die Ablehnung einer sogenannten „Solidarität der Völker“. Im Sinne einer Stärkung des revolutionären Defätismus agitierten wir – lokal und überregional – gegen global agierende Unternehmen mit deutscher Anschrift oder gegen deutsche und europäischen Institutionen. Bei den Aktionen ging es darum, die Nation als unhinterfragter Bezugspunkt der Politik zu kritisieren und in symbolischer Aktionsform den vorgestellten Nutzen für das jeweilige nationale Allgemeinwohl anzugreifen. Parallel suchten wir die Kommunikation mit den Revoltierenden, was allerdings nicht immer gelang.

So wurden während zwei bundesweit ausgerufenen Aktionstage im Rahmen der Kampagne „Antifa Teheran“ der Aufstand von 2009 gegen die Islamische Republik des Iran unterstützt und zum Beispiel deutsche Firmen, die sich im Iran ihre Hände schmutzig machen, öffentlich angegriffen. Kritische Recherchen ergaben, dass die deutsche Wirtschaft mit Rückendeckung des deutschen Staates das IRI-Regime unterstützt. Zentral für diese Kampagne war dabei die Blockade des IRI-Konsulats in Frankfurt. Die Blockade, die das direkteste und weitgehendste Solidaritätssignal an die Revoltierenden im Iran sendete, was wir in dieser Situation senden konnten. Leider konnten wir in der breiten Linken keine Unterstützung finden, da „die traditionelle, linke Rezeption des politischen Falls Iran und die beschränkte Fähigkeit, auf 2009 angemessen zu antworten“ bestehen blieb.

Bei unserer Beteiligung am globalen „Eurest-Aktionstag“, der von den GenossInnen der Industrial Workes of the World organisiert worden war, sammelten wir Erfahrungen anderer Art: so erfuhren MitarbeiterInnen der Ford-Kantine in Köln direkte Unterstützung von Eurest-ArbeiterInnen von New York bis Frankfurt, die mit Aktionen weltweit ihre Solidarität mit den Ford-ArbeiterInnen bekundeten und Druck auf das Eurest und Ford Management ausübten. Vielleicht nur ein Zeichen, dass in Zeiten gewerkschaftlich organisiertem nationalem Konkurrenz-Kampf der Stammbelegschaften um Arbeitsplätze, trotzdem in Teilen der Arbeiterschaft ein Bewusstsein für die Bedeutung von Solidarität zu wecken ist. Ziel bleibt die Thematisierung einer Vernetzung
der Lohnabhängigen international entlang von transnationalen Verwertungsketten, um die Frage nach der „Produktionsmacht“ (Silver) in der „verborgenen Stätte der Verwertung“ (Marx) wieder frei zu schaufeln.

2011 wurde in Hinsicht der unberechenbaren Ausbreitung von praktischer Solidarität in Deutschland ein neuer Höhepunkt erreicht: die Räumung des linken Hausprojektes „Liebig 14“ hatte als Folge, dass sämtliche Polizeieinheiten bundesweit 24 Stunden im Alarmdienst standen. Tatsächlich knallte es nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland und darüber hinaus, spontaner denn je. Dies verstanden wir als Konsequenz auf weitere staatliche Räumungsphantasien, z.B. gegen die Roten Flora in Hamburg.
Dabei erinnerten diese solidarischen Kettenreaktionen an die internationale Reaktion auf die Dezemberrevolte 2008 in Griechenland. Die Besetzung der griechischen Botschaft in Berlin am 8. Dezember 2008, die in allen griechischen Medien erschien, die zahlreichen Aktionen und Demonstrationen verteilt auf der Weltkarte, „beflügelten“ unsere GenossInnen in Griechenland, ihren Kampf nicht aufzugeben.

Yes! Antinational solidarity!

All diese Fälle eint die Motivation, im weitesten Sinne solidarisch zu sein. Aber was bedeutet Solidarität überhaupt? Heute handelt es sich um eine unterschiedlich verwendete Wort-Hülse. Ihre linksradikale Bestimmung erweist sich, angesichts des hegemonialen Verständnisses, als problematisch. In der bürgerlichen Gesellschaft wird unter dem Solidaritätsprinzip eine interessenlose Verpflichtung auf das „Allgemeinwohl“ verstanden: frei nach dem Motto „Einer für alle, alle für einen“. Von der Abwälzung der Reproduktionskosten der ArbeiterInnen auf sie selbst in der Sozialversicherung, bis hin zur „Agenda 2010“ oder den Austerity-Maßnahmen schallt der Ruf nach „Solidarität“ immer im Sinne nationaler Pflichterfüllung für Staat und Kapital.

Unser Verständnis „antinationaler Solidarität“ steht dieser Verpflichtung auf die Nation diametral entgegen. Wir schließen an das Verständnis von Solidarität der ersten Internationalen an. Marx und Engels hatten für Sie das Grundprinzip der Solidarität aus der Notwendigkeit des internationalen Charakters der sozialen Revolution hergeleitet. Zugleich war damals klar, dass nur im Willen, den ganzen Laden aufzuheben, eine solidarische Erhebung möglich sei. In diesem Sinne sagen auch wir: „Die Umwälzung muss solidarisch sein“.

Das Prinzip Solidarität muss also radikal und umfassend (wieder)besetzt werden. Solidarität gehört aus dem isolierten Teilbereichssumpf herausgefischt, wiederbelebt und aktualisiert, so das sie von jedem reaktionären und vor allem vom nationalen Tunnelblick befreit wird.

Wir wollen nicht in einem naiven Bewegungsoptimismus verfallen, aber wir sehen in den Kämpfen immer wieder Ansatzpunkte theoretischer und politischer Radikalisierung. Der Kampf um ein besseres Leben gelingt aber eben nur als soziale Revolution. Bis dahin gilt es für uns, die Idee einer antinationalen Solidarität über die Grenzen Deutschlands und Europas hinaus Flügel zu verleihen, und weiter dem Zusammenhang von Staat, Nation und Kapital im Fokus der Kritik und Aktion zu behalten – fern ab von jeglicher reformistischen und alteingesessenen Linken Illusion.

Für eine internationale antinationale Bewegung!

10.12: Naziaufmarsch in Kalk?! – Läuft nicht!

Alle Jahre wieder… Völkischen Freaks entgegentreten.
Nazi-Aufmarsch am 10.12.11 in Köln-Kalk verhindern!

Nazis, Verfassungsschutz, „Staatskrise“. Ausgerechnet jetzt, wo in medialen und politischen Debatten der BRD die schockierte Erkenntnis kursiert, dass Nazis in Deutschland (noch immer) morden. Ausgerechnet jetzt, wo Presse und Politik der BRD immer noch den Skandal um die staatlich organisierte Schützenhilfe des Verfassungsschutzes für den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) verarbeiten. Inmitten dieser heißgekochten Situation über staatliches Versagen bei der „Überwachung“ von Rechtsradikalen planen Nazis der „Freien Kräfte Köln“ (FKK) eine Demonstration, eine „Revanche“ gegen die öffentliche Stimmung und natürlich für „Volkstreue und Vaterlandsliebe“.

7 Jahre ist’s nun her. Zuletzt trauten sich die Nazis der Kölner Region um ihren Möchtegern-Hitler Axel Reitz 2004 nach Köln-Kalk. Damals liefen etwa 150 Nazis mit unfreiwillig umgedrehten Bomberjacken und abgetüteten Springerstiefel durch Kalk und forderten „Deutschland uns Deutschen“. Weit über Tausend AntifaschistInnen und AnwohnerInnen stellten sich den Nazis in den Weg und begleiteten diese bei ihrem Spießrutenlauf, der durch Wurfangriffe und Streckenblockaden einer Tortur für die „Vaterlandstreuen“ glich. Nun wollen sie also wieder wissen.

Diesmal demonstrieren sie nicht nur für ihren üblichen Wahn von „Volk“ und „Vaterland“, sondern allen voran „gegen Polizeirepression und Medienhetze“. In solch einer öffentlich-politischen Stimmung gegen die radikale Rechte nehmen es sich die Kölner Nazis heraus, Repression und „Gewaltakte“ gegen „friedliche Nationalisten“ zum Anlass für einen Auftritt in der “Multikultihochburg” und dem „Szene-“Viertel Köln-Kalk zu nehmen. Sie relativieren damit das Treiben der NSU und inszenieren sich als unschuldige Opfer der Medienlandschaft und der staatlichen Repressionsapparate, die kürzlich eine Saalveranstaltung des Freien Netzes auflöste und einen prominenten Nazi aus den USA, David Duke, kurzzeitig festnahm.

Dabei sollten die Kölner Nazis mit ihrer Unschuldslamm-Linie den Mund nicht zu voll nehmen. Sie waren es, die beim diesjährigen Großaufmarsch in Dresden (Februar 2011) unter unbehelligter Beobachtung der Polizei minutenlang ein linkes Hausprojekt angegriffen haben. Einige Monate später (Mai 2011) waren ebenfalls Kölner Nazikader dabei, als eine (dank der Berliner Polizei) quasi geheimgehaltene Nazi-Demo in Berlin-Kreuzberg auf MigrantInnen losging. Nicht zuletzt sei der Angriff von 20 bewaffneten Nazis auf das Protestcamp am Kölner Rufolfplatz genannt (Juli 2011). Während der Staat keinen Cent scheut, um den Mythos des „Linksextremismus“ zu pflegen und auf Grundlage der „Extremismustheorie“ neben der autonomen Antifa auch breite Anti-Nazi-Bündnisse zu kriminalisieren, gerieten die FKK nur schleppend ins Visier der staatlichen Behörden; zögerlich und erst durch öffentlichen Druck von AntifaschistInnen wurden im Oktober Hausdurchsuchungen bei einigen aktiven Kölner Nazis gebilligt.

Bei solch einer Akte allein im Jahr 2011 ist es nicht wirklich verwunderlich, dass Kölner Nazis – namentlich Axel Reitz – Verbindungen zum Kern-Trio des NSU pflegte. Recherchen des Westdeutschen Rundfunks zufolge begrüßte Reitz im Jahr 2009 die Zwickauer Zelle persönlich bei einem Nazitreffen in Erftstadt. Zudem pflegte er engen Kontakt zum kürzlich verhafteten NSU-Mitglied Ralf Wohlleben sowie zum mutmaßlichen NSU-Unterstützer Bruno Gerlach. Diese Kontakte waren für den Bombenanschlag des NSU in Köln-Mülheim im Jahre 2004 mit Sicherheit relevant.

Sich dann über Repression gegenüber „friedliche Nationalisten“ aufzuregen, ist irgendetwas zwischen lachhaft und eine ungeheure Dreistigkeit – Grund genug jedenfalls, um den Auftritt des Haufen Drecks entschieden entgegenzutreten. Im bekannten „verflixten 7. Jahr“ nach der letzten Blamage wollen die Nazis ihre Schmach von Kalk wiedergutmachen. – Lasst uns diesen Versuch zum Desaster machen!

Naziaufmarsch in Kalk?! – Läuft nicht!

Heraus zur antifaschistischen Aktion!

10. Dezember 2011, 10 Uhr, Kalk-Post (U-Linie 1,9; S-Bhf: Köln Trimbornstraße)

Achtet auf aktuelle Ankündigen:

antifa-ak.org | Twitter | Facebook

Aufruf: The only PIIG’S the System! Organisiert den Vaterlandsverrat!

Aufruf als PDF

Am 3. Oktober ist es wieder soweit. Während mittlerweile auch in Europa verschiedene Formen der sozialen Auseinandersetzungen als Antwort auf die kapitalistische Reorganisierung stattfinden, zelebriert die BRD in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn die Feier der deutschen Nation.  Unter dem Motto „Freiheit.Einheit.Freude – Bewegt mehr.“ feiert sich der stolze Krisengewinner  und die „Vorzeigenation“ Europas ein ganzes Wochenende auf sämtlichen Fest- und Parademeilen selbst. Ein idealer Anlass zur antinationalen Intervention: Denn was gibt es an einem 3. Oktober besseres zu tun, als die Deutschland-Party zu stören?

Die Einheitsfeier ändert zwar nichts an der alltäglichen Ohnmacht in den Mühlen von Staat und Kapital, jedoch ist die Identifikation mit dem nationalen „Wir“ ein ideologischer Fluchtreflex vor dem Druck kapitalistischer Konkurrenz und Vereinzelung – zugleich aber ihr bestes Schmiermittel. Die umjubelte „Freiheit“ ist nichts anderes als ein gesellschaftliches Zwangsverhältnis, das die Menschen als Privateigentümer in permanente gesellschaftliche Konkurrenz zueinander versetzt. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Krisen geht die Allgegenwärtigkeit der ökonomischen Bedrohungslage des Einzelnen mit der Erfahrung einher, dass die jeweiligen Verwertungschancen  von den nationalen Reichtumsproduktionen abhängig sind. Im Moment der Krise rücken  Bevölkerung und Staat zur realen national-ökonomischen Gemeinschaft in der Weltmarktkonkurrenz zusammen. Der stinknormale Nullachtfünfzehn-Nationalismus, die Gewissheit und das Gefühl einer nationalen Zusammengehörigkeit, erlebt in den Erfahrungen der wiederkehrenden Krisentendenzen neue Bedeutung. Sie sind Ausdruck der realen Abhängigkeit des Individuums vom ökonomischen Schicksal „seines“ Staates.

Den deutschen Bienen scheint es aufgrund der ökonomischen Stellung ihres Standortes logisch, dass Aufstand oder Empörung über die miesen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Situation „unangemessen“ ist. Zum Wohle des Standorts lautet das ideologische Motto: Floriert erst das nationale Kapital, geht es uns nicht schlecht oder zumindest immer noch besser als den Anderen. Die sozialen Revolten in Europa dienen den deutschen Standortameisen nicht als Beleg für die Schadhaftigkeit der herrschenden Wirtschaftsordnung. Stattdessen erscheinen Aufstände im Umkehrschluss als Beweis für die Stimmigkeit der eigenen Nationalreligion, bestehend aus Leistung und stoischem Verzicht. Diese Askese für den Standort wird in Krisenzeiten sodann gleich zum Exportschlager und zum ethischen Leitbild für Europa.

Sirtaki und der große Krisenschlager

Die Staatspleiten der sogenannten „Schweineländer“ der europäischen Peripherie (PIIGS-States) verschaffen den Deutschen zudem einen zusätzlichen ideellen Krisengewinn. Sie scheinen zu belegen, dass die Verzichtspraxis der letzten Jahrzehnte sich bewährt und auszahlt. Die eigene Opferbereitschaft für den Standort schlägt gegenüber den PIIGS in Bestrafungsphantasien um. Sozialchauvinistische Hetze steht auf der Tagesordnung: den „Pleitegriechen“ und „faulen Südländern“ werden soziale Einschnitte an den Hals gewünscht. Die Nicht-Leistung der Überflüssig-Gemachten erscheint als „Faulheit“ und damit als Erpressung an der europäischen Gemeinschaft. Wer sich nicht in die Leistungsmaschinerie einfügt, gilt als „dekadent“. Im medialen Diskurs wird die Europäische Union als eine schicksalhaft zusammengeschweißte Gemeinschaft verklärt; dies geschieht vor dem Hintergrund einer ökonomischen und politischen Abhängigkeit der einzelnen Nationalstaaten untereinander. Zum Zwecke der Geldvermehrung tendiert die öffentliche Krisendebatte zum vollendeten Opportunismus der herrschenden Verhältnisse, zum Sozialchauvinismus erster Güte. An diese Form der ideologischen Krisenverarbeitung setzt der Rassismus á la „Pleitegriechen“ und „faule Südländer“ problemlos an. Die Finanzierungsschwierigkeit der Staatsgewalten in Europa gilt als Beweis für die nationalen Charakterzüge einer Dekadenz und Arbeitsunwilligkeit. Die „Freude“ über die elendigen Verhältnisse in der BRD geht einher mit der rassistischen Forderung, dass den „südlichen Völkern“ die Verhältnisse verpasst werden, die zu ihren defizitär ausgemachten Charakterzügen passt.

Durch die Entfaltung der Staatsschuldenkrise in Europa treten die ökonomischen Ungleichgewichte im Euroraum in den Vordergrund. Das Projekt EU war stets mit dem Anspruch verbunden, der „dynamischsten Wettbewerbsraum“ der Welt zu werden. In der Krise steht die Währungs- und Wettbewerbsunion scheinbar vor ihrem Scheitern. Die innereuropäische Konkurrenz um Wachstumsanteile funktionierte für die Exportökonomie der BRD so gut, dass die europäischen Peripheriestaaten in den Bankrott getrieben wurden.

Als größte Wirtschaft Europas und „Exportweltmeister der Herzen“ hat der deutsche Staat ein besonderes Interesse an der ökonomischen Integration der EU. Seine hervorgehobene Stellung im politischen Geschäft Europas verdankt er sich insbesondere seinem ökonomischen Gewicht. Zugleich galt für die „Führungsmächte“ in Europa (Deutschland, Frankreich) die europäische Integration gerade nur unter dem Vorbehalt der Sicherung und Ausweitung ihrer eigenen ökonomischen Vormachtstellung. Dieser Hackordnung unterwarfen sich die anderen EU-Länder jedoch gerne; durch Marktöffnung und die Nutzung des Gemeinschaftsgeldes Euro, womit sie für niedrige Zinsen Schulden aufnehmen konnten, wollten sie ihren eigenen Standort fürs Weltmarktgeschäft tauglich machen.

Die europäische Union als transnationaler Standort setzte auf die Forcierung der innereuropäischen Konkurrenz, sodass die jeweiligen Staaten die Förderung ihrer Wettbewerbsfähigkeit als selbstständiges Anliegen ihrer Politik entwickeln. Rhetorisch fand diese Übereinkunft aller EU-Staaten lange vor den Schmähungen der „Pleitegriechen“ seinen Niederschlag in der jährlichen Vergabe von Titeln wie „Wachstums-Lokomotive“ oder „Europas rote Laterne“. Jeder Aufbau einer Nation als Standort bedeutet Konkurrenz. In dieser Konkurrenz versucht jede Nation vom Wachstum der anderen Nationen zu profitieren, jedoch geht ihr Profit ebenfalls auf Kosten der anderen Nationen. Im nationalen Verzicht auf eine eigene Währung bestand zudem die Möglichkeit, das Gemeinschaftsgeld für seinen nationalen Wachstumserfolg in Anspruch zu nehmen. Doch durch die Freiheit der Haushalte konnte sich jeder Staat in einem gemeinsamen Geld verschulden und damit den anderen Euro-Staaten die Freiheit ihrer Verschuldung begrenzen. Dieser Widerspruch tritt als Staatsschuldenkrise in Erscheinung, Kern dieses Widerspruches bleibt Europa als Wettbewerbsgemeinschaft und das zu ihr gehörige Projekt des Euros. In der Krise bewegt sich die innere Einheit Europas stets in den scheinbar äußeren Gegensätzen von nationaler Vorteilsuche der jeweiligen Staaten und dem Gemeinschaftsprojekt aller EU-Staaten, „Europa“ als Weltmacht auf die Bühne der Geschichte zu heben und den Euro, als wirkendes und geltendes globales Geschäftsmittel (Weltgeld) neben den Dollar zu installieren.

Kommunismus statt EU!

Die in der Staatsschuldenkrise gespannten „Milliardenschrime“ werden als selbstlose Rettungsaktion verkauft. Jedoch basieren die ergriffenen Maßnahmen keineswegs auf etwas wie einer Solidargemeinschaft. Durch die staatliche Neujustierung sollen die europäischen Weltmachtambitionen verteidigt werden.

Die „Rettungspakte“ werden daher auch nur im Tausch gegen die finanzpolitische Souveränität über die Haushalte einzelnen Staaten gewährt. Mit der Begründung, es gelte verantwortungslose „Schuldenmacherei“ zu unterbinden, wird den zahlungsunfähigen Ländern von der Europäischen Zentralbank (EZB) in Kooperation mit der Brüsseler Kommission und dem Internationalen Währungsfond (IWF) – zusammen „Troika“ genannt – der Haushalt geführt. Jedes in finanzielle Nöte geratene Land hat von diesem Maßstab aus neuerdings kein unmittelbares Anrecht mehr auf die Nutzung des Geldes als Kreditmittel zur Wirtschaftsförderung. Die von der „Troika“ verordneten „Austeritäts-Programme“ dienen offiziell dem Ziel, den strauchelnden Ländern „Anpassungen“ zur Wiederherstellung ihrer Konkurrenzfähigkeit abzuverlangen. Tatsächlich aber verordnet die europäische Haushalts-Aufsicht ein nationales Schrumpfen, das der Entwertung des gesamten Inventars dieser Nationen so nahe kommt, wie sie ein offizieller Staatsbankrott erzwungen hätte. Der Charakter dieser Krisenlösung ist die politische Festschreibung der ökonomischen Hierarchie innerhalb der Währungsunion. Die „Rettung des Euros“ buchstabiert sich als europäische Pflicht – als Gemeinschaftsprojekt, dass die Lohnabhängigen durch die Entwertung ihrer Arbeits- und Lebensverhältnisse zu leisten haben.

Das absehbare Ergebnis der Neuordnung des europäischen Herrschaftsregimentes ist die politisch kalkulierte Verelendung breiter Teile der Bevölkerungen und die Festschreibung der Vormachtstellung der BRD in „Deutsch-Europa“. Dass bei diesem Programm die ideelle Feindschaft zwischen den Sieger- und Verlierernationen dieser Ordnung gehegt und gepflegt wird, versteht sich von selbst.

Antinationalismus muss praktisch werden!

Dieser radikalen Reorganisation der kapitalistischen Verwertung in den europäischen Ländern begegnen diverse soziale Kämpfe, die sich der neuen europäischen Rechnungsweise nicht unterwerfen wollen. Der Kampf gegen die Entwertung der Lebensordnungen gerät in Widerspruch zum herrschenden Zwang der politisch verordneten „Schuldenbremse“.

In Griechenland spitzen sich die sozialen Konflikte seit Längerem zu, sozialer Frieden ist für den Moment vergessen. Bereits seit der Dezember-Revolte 2008 stellen größere, radikale Zusammenhänge den griechischen Staat des Kapitals in Frage. Zugleich ist neben den routinierten Generalstreiks der Gewerkschaften anlässlich der EU-Spardiktate im Sommer 2011 eine bürgerliche „Empörten-Bewegung“ entstanden. Innerhalb dieser verschiedenen Bewegungen wird die soziale Krise als von „Außen“ aufgedrückt verstanden; nicht selten erscheint die Dominante Europas, die BRD, als Ausgemach des Bösen. Hierdurch übernehmen die Protestierenden die Perspektive des griechischen Staates in seiner problematischen Abhängigkeit vom Diktat der Troika als ihre zentrale Angelegenheit. In solchen Vorstellungswelten erscheint Griechenland als eine „unterdrückte Nation“, und nicht als der bürgerliche Staat in seiner Funktion des Standortmanagers für das heimische wie internationale Kapital. Staats-Imperative, wie z.B. Wachstum und Konjunktur, werden von der Protestwelle übernommen, statt deren herrschaftlichen Charakter der Kritik zu unterziehen. Eine kommunistische Agitation klagt dagegen den Irrsinn des großen Ganzen an und verlangt dessen Niedergang.

Auf den Protestcamps in Spanien spukt ein ähnlicher „Empörungs“-Geist wie in Athen. Die Klage über eine „undemokratischer“ Politik nimmt die angeblich alternativlose Durchsetzung europäischer Krisenpolitik ins Visier, der mit der Forderung nach „echter Demokratie“ und „Freiheit“ begegnet wird. Doch die Hochhaltung dieser Ideale vermag keine passende Antwort auf die europaweiten, sozialen Einschnitte zu geben. Schließlich sind es diese Ideale der bürgerlichen Ordnung selbst, die in der Krise zum Vorschein kommen. Die utopische Sehnsucht, die bürgerlichen Ideale aufzufrischen und die Nation zum Besseren zu ändern, verbleibt nur in Perspektivlosigkeit und Entmachtung. Stattdessen setzt ein antinationaler Ansatz auf die Negation bürgerlich-kapitalistischer Ordnung.

Die Riots der Vororte in England verkörpern eine andere Form von Krisenverarbeitung. Anstatt einer Verherrlichung der Ideale der bürgerlichen Ordnung vollzog sich eine Organisierung der Überflüssig-Gemachten als Bande im Aufstand. Die Reproduktionskrise der in die Elendsquartiere Verbannten fand seine absehbare Antwort im Raub und der Plünderung, im Angriff auf die Institutionen des Rassismus und Sozialchauvinismus sowie in blinder Zerstörungswut. Der britische Staat reagierte mit dem juristischen Ausnahmezustand, der unter dem Stichwort „Law and Order“ nur noch die Frage der Kapazitäten der Knäste kennt. Gegen die  Option des Bandenraubs und der weiteren autoritären Formierung ist eine kommunistische Perspektive jenseits von Ausgrenzung und Integration zu formulieren.

Jenseits von „Empörung“ und Riots steht die BRD bisher als Krisengewinner dar. Die Sozialpartnerschaft der Gewerkschaften zum „Gürtel enger schnallen“ geht einher mit der sozialchauvinistischen und rassistischen Hetze in der demokratischen Meinungsbildung. Die Verwertbarkeit des Kapitals wird als Verteidigung der eigenen nationalen Machtmittel gedacht, denn die „faulen Südländer“ machen „unseren Euro“ kaputt. Aus ihrem ideellen Anspruch auf den Euro als Mittel zur weiteren Vermehrung des nationalen Eigentums entspringt der Chauvinismus,  wenn nötig den „Südländern“ mittels Zwang zum Glück europäischer Wettbewerbsfähigkeit zu verhelfen. Eine antinationale und kommunistische Intervention richtet sich gegen die sozialchauvinistische Stimmungsmache nach „innen“ wie nach „außen“ und hält die Flamme grenzüberschreitender Solidarität gegen den Irrsinn vom einem immer schnelleren „Rennen, Rackern und Rasen“ im Hamsterrad der kapitalistischen Konkurrenz hoch.

Gegen die weitere Durchsetzung von Krisennationalismus, Leistungsterror und Standortpolitik gilt es den revolutionären Defätismus – die Einsicht, dass ein gutes Leben nur in der Niederlage der eignen Nation zu finden ist – zu stärken. Weder die reformistischen Anbiederung an den Zwangszusammenhang aus Staat und Nation, Kapital und Lohnarbeit, noch der selbstzufriedene Rückzug auf die Position der kritischen Kritiker*innen vermag die notwendigen Schritte zur Assoziation freier Individuen zu beschreiten. Erst wenn sich den Standortpolitiken kollektive Verweigerung und gemeinsame Kämpfe für die eigenen, radikalen Bedürfnisse entgegenstellen, dann steht die Krise als eine des Kapitalismus, und nicht – wie bisher – seines „unflexiblen Humankapitals“ überhaupt erst auf der Tagesordnung.

Egal ob in Athen, Madrid oder London: antinationale Kritik fokussiert immer die Mühen ideologischer Widerspruchsbereinigung sowohl in der kapitalistischen Normalität als auch in dessen Krisenverwaltung. Ohne in naiven Bewegungsoptimismus zu verfallen, ergeben sich in den Kämpfen immer wieder Ansatzpunkte theoretischer und politischer Radikalisierung. Der Kampf um ein besseres Leben gelingt eben nur als soziale Revolution. Bis dahin greifen wir den ideellen Rückhalt für Staat und Kapital an und organisieren den Vaterlandsverrat. Die Einheitsfeierlichkeiten in der alten Bundeshauptstadt sind der ideale Anlass, um der Freude und Sorge um Deutschland mit der Idee des Kommunismus zu begegnen.

Für einen internationalen Antinationalismus!

02. und 03. Oktober: Heraus auf sämtliche Partymeilen von „schwarz-rot-geil“!

Auf nach Bonn!


Der Aufruf wird unterstützt von:
autonome antifa [f] (FF/M), Basisgruppe Antifaschismus (Bremen), Redical [M] (Göttingen), Fast Forward Hannover, Gruppe Kritik & Intervention (Bielefeld), TOP B3rlin, Anarchistische Gruppe Freiburg & Gruppe C² (Wiesbaden)

Unterstützen? Dann Mail an: antifa-ak-cologne[at]riseup.net

Rosen auf den Weg gestreut. Gegen Faschismus, Rassismus und Verfassungsschutz!

Seit Jahren warnen linke und antifaschistische Initiativen vor der rassistischen Gewalt von Neonazis. Dennoch wirft die nun aufgedeckte rassistische Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) ein schockierendes Licht auf das Ausmaß rassistischer Gewalt in Deutschland – und auch auf ihre Verharmlosung. Die Morde und Attentate der NSU geschahen in einem gesellschaftlichen Klima der Ausgrenzungen, Diskriminierungen und der tagtäglichen rassistischen Gewalt. Sie bilden nur die Spitze eines Eisberges. Seit 1989 wurden nicht nur mindestens 182 rassistisch motivierte Morde in der Bundesrepublik Deutschland verübt, es gedieh auch eine allgemeine rassistische Politik von Sondergesetzen, Abschiebungen und sogenannten Integrationsdebatten. Während Studien über die „Deutschen Zustände“ jedes Jahr von Neuem belegten, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit essentieller Bestandteil der „gesellschaftlichen Mitte“ ist, rühmen sich zugleich Sprecher bundesdeutscher Repressionsorgane ihrer Abschottungspolitik an den Außengrenzen Europas und verleihen sich stolz den Titel „Festung Europa“. Als Reaktion auf die rassistische Raserei sind nicht Worte des Bedauerns gefragt, sondern eine bedingungslose Solidarität mit allen Opfern des Rassismus.

Polizeiliche Diffamierung

In einem allgemeinen rassistischen Klima erklärten die Polizeidienststellen die Opfer der faschistischen Gewalt ohne Gegenwehr zu Tätern. Rassistischen Stereotypen entsprechend wurden die Taten im Dunstkreis der „anatolischen Mafia“, „illegalem Glücksspiel“ und „Schutzgelderpressung“ verortet. Nach dem Nagelbombenanschlag der NSU auf der Keupstraße 2004 ging auch von Seiten der Polizeiwache Köln-Mülheim eine polizeiliche Diffamierung der Opfer aus. Ein rechter Hintergrund der Tat wurde während den Ermittlungen voreilig ausgeschlossen.

Dieser Fall zeigt: Solange über die gesellschaftlichen Bedingungen des Rassismus geschwiegen wird, werden weder die faschistischen Morde noch die tagtäglichen rassistischen Gewalttaten aufgeklärt.

Nazis Morden, der Staat lädt nach

Nachdem der neonazistische Hintergrund der Taten offenbar wurde, wird die in den Medien thematisierte Zusammenarbeit von Repressionsapparaten und Nazigruppen als „Panne“ oder „Versagen“ abgebucht. Das politische Tagesgeschäft läuft wie gewohnt weiter. Der Schlussstrich ist gezogen – noch bevor auch nur ein einzelner NSU-Mord oder -Anschlag vollständig aufgeklärt ist. Die Verstrickungen der Geheimdienste in den faschistischen Terror wurden bisher nur zögerlich durchleuchtet. Viele Akten, die Licht ins Dunkel hätten bringen können, sind bereits vernichtet. Als einzige Konsequenz aus dieser Reihe von „Pleiten, Pech und Pannen“ bleibt der Ruf nach weitergehenden Befugnissen für Geheimdienste und noch mehr Möglichkeiten, politische Bewegungen zu kriminalisieren.

Fehlende Akten sind für den Verfassungsschutz symptomatisch. Das zeigt auch die Geschichte der Behörde: Wie andere Institutionen der BRD wurde dieser maßgeblich von Nazis aufgebaut. Doch eine Aufarbeitung dieser Vergangenheit wird bis heute verwehrt. Dazu wäre ein Zugriff auf die historischen Unterlagen nötig. Die Archive des VS sind aber bis heute verschlossen.

Weiter aktuell bleiben Fälle in denen staatliche Geheimdienste faschistische Gewalt verharmlosen, die Täter als unpolitische Sonderlinge klassifizieren und ihre Verbindungen zu faschistischen Organisationen bewusst ignorieren. Aufgeklärt ist darum nichts, bekannt bleibt ein brauner Faden quer durch die Geschichte der Bundesrepublik.

Der Extremismus der Mitte

Doch die Zuständigen streuen der faschistischen Gewalt nicht nur Rosen auf den Weg. Sie bekämpfen zugleich jene Kräfte in der Gesellschaft, die sich Rassismus und Faschismus in den Weg stellen. Unter Bezug auf das theoretische Konzept „Extremismus“ werden antifaschistischen und antirassistischen Initiativen staatliche Gelder gekürzt und das Engagement für eine solidarische Gesellschaft kriminalisiert. Die Extremismusdoktrin der Bundesrepublik Deutschland will das politische Spektrum als ein Hufeisen verstanden wissen. Danach befänden sich an den Rändern der Gesellschaft ihre vermeintlichen negativen Extreme. Die sogenannte demokratische Mitte wiederum soll als einzig positiver und politisch legitimer Bezugspunkt verstanden werden. Unter dem Label „Extremismus“ wird faschistische Vernichtungsideologie mit linken Bestrebungen für ein gutes Leben gleichgesetzt und Rassismus und Antisemitismus zu Randphänomenen der bürgerlichen Gesellschaft verharmlost. Der staatliche Anspruch auf das Monopol politischer Willensbildung, der sich hinter der Extremismusdoktrin verbirgt, hat dabei die Funktion, stets die Weste der bürgerlichen Gesellschaft rein zu waschen.

Also wird man alles selber machen müssen: Faschismus und Rassismus bekämpfen! Verfassungsschutz auflösen!
Antifaschistische Demonstration am 17. Dezember 2011, um 15:00 Uhr in Köln-Mülheim

Die 18. Brumaire des Napoleon Bonarparte oder: Schwarz-Rot-Gold: Aufstand der Gartenzwerge

„Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“ Dies schrieb einst Karl Marx in seiner Schrift „Die 18. Brumaire des Louis Bonaparte“, bei der er den Verlauf des von Louis Bonaparte a.k.a. Napoleon III. angeführten Staatsstreich 1851 in Frankreich analysiert. Um auf das Eingangszitat zurückzukommen: Bei „pro Köln“ handelt es sich keineswegs um eine weltgeschichtliche Vereinigung. Und auch ihr dritter Anlauf in Köln, eine große Anti-Islam-Manifestation zu begehen, ist nicht als historisches Ereignis zu begreifen. Umso mehr nehmen die Versuche der „selbsternannten Bürgerbewegung“ aus der fortschreitenden autoritären Formierung der Gesellschaft die verschiedensten Formen der Lächerlichkeit an. Die Rechtspopulist*innen am Rhein wollen mit ihren europäischen Kompagnons aus Österreich, Frankreich und Belgien mit dem „Marsch der Freiheit“ (am 7. Mai) gerade für jene falsche Freiheit eintreten, die längst verwirklicht ist.

Wie die autoritäre Herrschaft des Louis Bonaparte nur das Produkt der Entwicklung der Revolution von 1848 sein konnte, so sind die Rechtspopulist*innen eben nicht das Gegenteil der „europäischen Demokratie“, sondern der radikalste Ausdruck eben dieser. Als Vorkämpfer*innen „gegen die Blockwarte der Political Correctness“ generieren sich pro Köln & friends wie gewohnt als von der Öffentlichkeit verprellte Tabubrecher*innen. Ob Sarrazin oder pro Köln – das, was sie fordern, die Missstände, die sie entdeckt haben wollen – sie alle sind etablierte Bestandteile der politischen Praxis in der Elendsschmiede BRD. Wo pro Köln eine zu lasche Einwanderungspolitik sieht, dort ist die staatliche Selektion von Migrant*innen in simple Kategorien eingeteilt: für den Standort „nützliches“ und „unnützes“ Menschenmaterial – das ist die Leitlinie europäischer Abschottungspolitik gegenüber den für das Kapital überflüssig Gemachten dieser Welt. Mit dem „Marsch der Freiheit“ wird gegen den „totalitären Ungeist der Linksextremisten“ in Köln – womit wohl nur der Antifa AK gemeint sein kann – zu Felde gezogen. Dabei ist die Extremismus-Weltanschauung längst integraler Bestandteil deutscher Innenpolitik.

Nichtsdestotrotz funktioniert die Arbeitsteilung im Bereich der Ideologieproduktion zwischen pro Köln und den etablierten Demokrat*innen wunderbar. Das Theater von Tabubrecher*innen und aufrechten Gutmenschen klappt selbst als Dauerschleife recht ordentlich. Dabei findet der inszenierte Gegensatz seine Basis darin, dass die „bürgerliche Mitte“ in ihrer Zurichtung und Disziplinierung der Kapitalressource Staatsbürger*in eher auf eine klar definierte Leitkultur für den nationalen Erfolg setzt: Sachzwangideologie, Selbstmanagement und die Nötigung zur Flexibilität. Demgegenüber legen pro Köln und deren best buddies die Latte der autoritären Formierung einfach (relativ gesehen) ein Stückchen höher. Sie versprechen ihrem Gartenzwergvolk den großen Sprung ins Reich der falschen Freiheit mit einer vorptolitischen Anspruchsberechtigung einer noch viel geschlossener definierten „natürlichen Kulturgemeinschaft“. Dieser Rassismus ist bei autoritären Gestalten wie pro Köln nicht verwunderlich. Wo die Identifikation mit dem eigenen Kollektiv zum absolut gesetzten Maßstab der Weltanschauung wird, ist der Kampf gegen Abweichler*innen und „Fremdstämmige“ notwendiger Bestandteil autoritärer Ideologie.

Dabei liegt die Radikalisierung des allgemeinen Prinzips – nach oben buckeln und nach unten treten – den herrschenden Zuständen nun wahrlich auch nicht fern. Die konformistische Rebellion, die pro Köln wieder und wieder als Farce aufführt, setzt immer wieder auf die projektive Verdrehung gesellschaftlicher Verhältnisse, die gang und gebe bei der Meinungspresse ist. Das autoritäre und rassistische Subjekt muss am Zeitschriftenstand nicht lange nach Bestätigung suchen, wenn es lesen will, dass die Ursache für die Niederlagen, Enttäuschungen und narzisstischen Kränkungen nicht in den gesellschaftlichen Umständen, sondern bei den Opfern des Systems zu suchen sind. Ein derartig rassistisches Weltbild sieht die Dinge einfach: „Was soll ich Opfer machen? Überall sind Ausländer und Sozialschmarotzer am schaffen!“

Solche rassistischen und sozialchauvinistischen Projektionsleistungen vermögen Gartenzwerge verschiedenster Couleur zu vollbringen – ob ordentliche Demokrat*innen á la Sarrazin mit ihrem Palaver von Naturalisierung sowie Kulturalisierung sozialer Verhältnisse oder die Neonazis in ihrem Antisemitismus.

Aber ob Demokrat*in oder Rechtspopulist*in – beide tanzen rund um ihr goldenes Kalb einer nationalen Leistungsgemeinschaft, deren Zwängen sich ein jede*r zu opfern hat. Ist doch „normal“. Jedoch stehen zwischen den gesellschaftlich hervorgebrachten Zwängen sowie Nöten, den autoritären Formierungen und der Ideologie der Subjekte, soziale Gefüge und politische Kämpfe. Der Auftrieb der Rechtspopulist*innen in der Nachfolge der Krise ist keine Zwangsläufigkeit, auch wenn der weitere Weg der autoritären Formierung der Gesellschaft scheinbar nur weiter soziale Verschärfungen zu kennen scheint. Selbst wenn dem Kapitalismus inzwischen jedes Glücksversprechen abhanden gekommen ist und die Tage der Idee von der bürgerlichen Gleichheit abgelaufen sind; auf eine Notwendigkeit gegen rassistisches Denken und Handeln deutet dies nicht zwingend hin. Autoritarismus und Rassismus ist den Menschen nicht qua Geburt in die Wiege gelegt, sie sind als ein Resultat einer Subjektkonstitution in der falschen Freiheit zu begreifen.

Das heißt: die unheimlich autoritäre Restauration in der BRD ist eben nicht als notwendige Konsequenz der spätbürgerlichen Demokratie hinzunehmen. Es gilt nicht nur den Rassist*innen und Rechtspopulist*innen den Kampf anzusagen, sondern auch dort Partei zu ergreifen, wo wie einst unter Louis Bonaparte die Aufhebung der Demokratie als Sicherung ihres Fortbestandes vorangetrieben wird.

Dass diese Partei nur der Kommunismus sein kann, ist dabei so selbstverständlich wie notwendig.
Und dass diese deutsche Normalität nichts weiter als ein Potpourri aus Scheisse darstellt, auch.