Stellungnahme des Antifa AK Köln zum Brandanschlag in Duisburg-Hochheide
In der Nacht zum 10.Oktober hat ein Feuer in einem ausschließlich Roma bewohnten Wohnhaus in Duisburg-Hochhausen zu zahlreichen Verletzungen geführt. Die aus dem Schlaf gerissenen 42 Bewohner_innen konnten schlimmerem entgehen, weil sie sich auf das Häuserdach retteten. Die Polizei Duisburg kann nach ersten Ermittlungen nicht mehr leugnen, dass das Feuer gelegt worden ist. Wir sprechen allen Bewohner_innen unser Mitgefühl für dieses traumatische Erlebnis aus.
Diese Meldung reiht sich ein in eine langjährige Tradition in Duisburg. Eine Tradition zutiefst antiziganistischer und rassistischer Hetze eines wiederentdeckten reaktionären Bürgermobs.
Dass Geflüchtete hier nicht willkommen sind, drückt sich noch viel zugespitzter aus. Das zeigt das junge Phänomen aus Duisburg oder Berlin-Hellersdorf der von organisierten Neonazis und Rechtspopulist_innen begleiteten rassistischen Bürgerversammlungen, die nicht nur geistig gegen die „Fremden“ Brände stiften. Bestimmte Unterkünfte für Geflüchtete sind tagtäglich bedroht; sie werden regelmäßig beleidigt, bedroht, auf den Häuserwänden finden sich Parolen wieder, die an die Tage vor den Pogromen in Rostock-Lichtenhagen erinnern. Diese Analogie wird im Internet nicht nur befeuert, sondern einer Wiederholung der Geschichte wird regelrecht herbeigesehnt: Auf Facebook wird mittlerweile offen gefordert, die Häuser der Roma anzuzünden.
Die Polizei ist zwar anwesend, doch außer ein paar Alibi-Festnahmen unternimmt sie nicht viel. Kein Wunder, bieten deutsche Institutionen doch den Nährboden solcher Zustände. Seit Jahren skandalisieren antirassistische Initiativen die menschenunwürdigen Zustände in deutschen Unterkünften für Geflüchtete. Dank der selbstorganisierten Refugee-Proteste der letzten Jahre rückt dieses Thema zumindest wieder stark in die Öffentlichkeit; Sprachrohr sind dabei nicht irgendwelche Lokal- oder Kommunalpolitiker_innen, die stellvertretend die Geflüchteten mundtot machen und als Lippenbekenntnisse selten mehr gebacken bekommen, sondern die Betroffenen selbst. Spätestens die Aufdeckung der skandalösen Verwicklungen deutscher Geheimdienste und die mediale Aufarbeitung in Sachen NSU verdeutlicht, dass deutsche Institutionen an der mörderischen rassistischen Mobilisierung mindestens aktiv beteiligt sind. Die antirassistische und antifaschistische Demonstrationsparole „Nazis morden, der Staat schiebt ab – das ist das gleiche Rassisten-Pack!“ bewahrheitet sich selten so sehr wie im Herbst 2013.
Der Rassismus der Anwohner_innen von Duisburg-Hochheide ist kein Zufall. Er ist das Resultat einer Gesellschaftsform, die Menschen nur als verwert- und vernutzbare Quelle von Arbeitskraft kennt. Einer Gesellschaftsform, für die Menschen, die vor Krieg, vor Hunger, und vor Verfolgung flüchten, nur Überflüssige sind. Für die Bewohner_innen der stärksten Wirtschaftsstandorte sind die geflüchteten Menschen Projektionsfläche für das, was sie sich durch die Arbeitsschinderei selbst versagen mussten und deshalb hasserfüllt gewendet in der Vorstellung des „Anderen“ ausmachen. Sie erblicken in ihnen „Faulenzer“ und „Wirtschaftsflüchtlinge“. Doch Menschen fliehen, weil sie in ihrer Heimat keine Chance hatten, weil ihre Nationen im globalen Monopoly die Verlierer_innen sind. Die BRD hingegen gilt mit seinem Status als „Krisengewinner“ als besonders sicherer und damit beliebter Zufluchtsort. Seit der Euro-Krise und dem von der Regierung Merkel als „Rettung“ beschönigten unerträglichen Sozialkahlschlag in der europäischen „Peripherie“ sind neben Menschen aus Afrika und Asien auch zunehmend Europäer_innen in der Bundesrepublik auf der Suche nach einem besseren Leben. Doch willkommen sind sie hier nicht. Das sagen die europäischen Innenminster_innen so ganz direkt auf sämtlichen Konferenzen zur Flüchtlingspolitik. Deutschland stellt eine Speerspitze dar, mit jedem weiteren gekenterten Schiff vor Lampedusa wollen hier Hardliner_innen wie Innenminster Friedrich die Mauern der „Festung Europa“ direkt noch höher bauen und das Meer noch schärfer überwachen lassen.
In Zeiten, wo sich das Kapital schon längst grenzen- und schrankenlos bewegen kann, gilt dies für Menschen noch lange nicht. Die Bundesrepublik, die sich insbesondere durch Exporte und damit durch Zugriff auf andere nationale Ökonomien bereichert duldet keine Geflüchteten, deren Heimatländer sie maßgeblich mit in den Ruin treibt. Aus der gnadenlosen kapitalistischen Konkurrenz entwickelt sich ein Denken, dass jedes Leben nach Verwertbarkeit und Herkunft sortiert.
Es ist noch nicht bewiesen, dass der Brandanschlag von Duisburg-Hochheide aus der breiten rassistischen Atmosphäre in Duisburg heraus verübt worden ist. Die Polizei impliziert in ihren Aussagen, dass die Bewohner_innen des Hauses sich vielleicht doch selbst angezündet haben, weil
„Derzeit […] keine Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund“ vorliegen würden. So etwas zeigt, dass trotz Lichtenhagen und NSU die deutschen Behörden auf dem rechten Auge blind sind und noch immer zuerst die Betroffenen selbst verdächtigten, wie sie es nach dem NSU-Anschlag in Köln-Mülheim jahrelang praktiziert haben. Was auch immer die Ermittlungen der Polizei zu Tage fördern oder auch nicht: um den rassistischen Normalvollzug im Fall des Häuserbrandes von Duisburg zu finden, braucht man keinen nationalsozialistischen Brandstifter. Es bleibt dabei: diese Gesellschaft – und nicht nur ein „vermeintlicher extremer Rand“ – ist durch und durch rassistisch.