Die Reaktion in der Redaktion

Zur Berichterstattung im Rechtsruck

Im Rechtsruck normalisieren sich rechte Stichworte und Positionen zunehmend. Warum nicht alles, was der rechte Rand von sich gibt, einfach abgedruckt werden sollte, und warum dies oftmals trotzdem passiert, berichten wir in einem Kommentar in die Sommerpause.

Ein selten thematisierter, jedoch weitreichender Effekt des Rechtsrucks ist die veränderte Darstellung völkischer und sonstiger rechtsradikaler Parteien und Gruppierungen in den Medien. Diese Transformation verdeutlicht sich in einer zunehmend unkritischen Rezeption rechtsradikaler Positionen. Als Folge dieser Rezeption gliedern die Medien solche Positionen immer weiter in die politische Debatte ein.

Der Rechtsruck und die damit verbundene Vorherrschaft rechter Stichworte normalisiert und legitimiert autoritäre Positionen. Dieser Prozess geht auch an den Redaktionen nicht spurlos vorbei. In den verschiedenen Presseorganen haben diese Aufwind, wie die jüngste Debatte um die Legitimität des Sterbenlassens im Mittelmeer, angestoßen von Miriam Lau in der Zeit, zeigte.

Die Presse büßt zeitgleich im Rahmen des rechten verschwörungstheoretischen Angriffs auf ihre Berichterstattung („Lügenpresse“) auch ihre liebgewonnene Deutungshoheit teilweise ein. Die Schreiber*innen verwechseln den rechten Angriff mit einer (dringend notwendigen) Medienkritik. Um den besorgten Bürger zu besänftigen, wird das Abdrucken und Darstellen von dessen Ressentiments als Antwort geliefert. Der Abdruck, den das Abdrucken in der Gesellschaft hinterlässt, ist die legitime Teilnahme von völkischen, rassistischen Positionen an der gesellschaftlichen Debatte. Dies ist ein großer, von der radikalen Rechten sehnlich erwarteter Schritt auf der Stufenleiter zur Normalisierung und zum politischen Erfolg. Es entsteht eine Darstellung der rechten Akteur*innen, die sich ob der Nähe zu ihnen differenziert gibt, aber letztlich verharmlosend ist. Wer sich in die kritische Auseinandersetzung mit deren Ideologie und Politik begibt, kann hierzu nicht die Rechten selbst fragen, sondern sollte sich an die kritischen Forscher*innen wenden, die diese Ideologie und ihre gesellschaftlichen Grundlagen analysiert haben.

Der Lokalteil

Das diese Tendenz nicht nur in den großen Redaktionen der Republik stattfindet, sondern auch den journalistischen Nachwuchs bewegt, zeigt ein lokales Kölner Beispiel. Die Kölner Studierendenzeitung (KSZ) macht in ihrer aktuellen Aufgabe auf mit einem Artikel über studentische Verbindungen. Zwar geht die KSZ mit erkennbar kritischem Anspruch an die Sache heran, scheitert aber bei der Umsetzung. Kritiker*innen der Verbindungen kommen nur kurz zu Wort, den überwiegenden Teil der Darstellung liefern die Verbindungsstudenten selbst. Continue reading

Nein zum Polizeigesetz NRW!

Warmup-Demo in Köln am Freitag, 22. Juni um 18 Uhr Roncalliplatz (Dom): Erst für eine Gesellschaft ohne Überwachung und Kontrolle demonstrieren und danach: Reclaim Zülpicher Platz! Reclaim the Streets! FB-Event

Die Autoritäre Formierung durchbrechen!

Gegen Sicherheitswahn, Staat und Kapital

Kurze Zeit, nachdem in Bayern das schärfste deutsche Polizeigesetz seit dem NS verabschiedet wurde, soll nun NRW folgen. Das neue Gesetz ist Ausdruck einer fortschreitenden Militarisierung, der Ausstattung der Staatsmacht mit geheimdienstlichen Kompetenzen und ein weitreichender Abbau bürgerlicher Rechte.

Dass dies gerade jetzt geschieht, ist wenig verwunderlich, so ist die formal als „Terrorabwehr“ verkaufte Reformierung doch eine direkte Folge aus der rechten Diskursverschiebung der letzten Jahre: Seit dem Durchmarsch der immer stärker faschistoid auftretenden AfD durch Talkshows, Stadträte und schließlich Parlamente hat sich der Rahmen des politisch sag- und durchsetzbaren derart verschoben, dass man getrost von einer autoritären Formierung in Staat und Gesellschaft reden kann. Mit der dürftigen Argumentation, man müsse den Nazis in Nadelstreifen „den Wind aus den Segeln nehmen“, üben sich die bürgerlichen Parteien schlicht darin, die Forderungen der Rechten, den grassierenden Rassismus und eben auch ihren Autoritarismus in Gesetzesform zu gießen.

In Zeiten der Krise, des Ausnahmezustands, beweist der bürgerliche Staat, mit welcher Leichtigkeit im Zweifelsfall grundrechtlich verbriefte Rechte abgeschafft werden und wie relativ die sogenannte „gesellschaftliche Mitte“ eigentlich ist: Zur Gewährleistung des Kernziels bürgerlicher Herrschaft, der Absicherung des kapitalistischen Normalvollzuges, ist fast jedes Mittel recht. Damit das System von Ausbeutung, Unterdrückung und Konkurrenz weiterhin wie geschmiert läuft, rüstet der Gewaltmonopolist seine Fußtruppen vorsorglich auf, die Gelegenheit ist selten günstig: Die diffusen Ängste vor Geflüchteten in Teilen der Bevölkerung werden aufgegriffen, verstärkt und schließlich genutzt, um damit unliebsame Vorhaben und den eigenen Sicherheitswahn begründen zu können.
Mit den neuen Befugnissen und Ausrüstung kann die Polizei also noch effektiver ihrer Hauptaufgabe nachkommen: Der Verteidigung des Status quo, der bürgerlichen Freiheit. Mit dem, was man sich unter diesem Begriff eigentlich vorstellen möchte, hat der real existierende Neoliberalismus allerdings wenig gemein: Hier ist die Freiheit vor allem jene zu Konkurrenz und Wettbewerb unter Anerkennung des Privateigentums. Dieses muss gegen die abgesichert werden, die im kapitalistischen Hauen und Stechen leer ausgehen und/oder diesen Zustand schlichtweg nicht hinnehmen möchten.

Das neue Polizeigesetz ist also vor allem auch ein Angriff auf Alle, welche nicht den Rückfall in die Barbarei herbeisehnen, sondern das Gegenteil:

Es dient dazu, emanzipatorische und kritische Praxis noch mehr zu kriminalisieren als bisher. Es soll insofern eine weitere Hürde darstellen, die den Kampf für eine andere, solidarische Gesellschaft weiter erschweren soll. Wir als radikale Linke dürfen uns allerdings von solchen veränderten Verhältnissen nicht einschüchtern lassen: Stattdessen gilt es, den Widerstand gegen Autoritarismus und Rechtsruck gerade dann aufrecht zu erhalten und zu verstärken, wenn dieser fortschreitet und sich konkret in solchen Gesetzen, Polizeigewalt und anderen Angriffen niederschlägt.

Am 7.7. auf die Straße gegen die autoritäre Formierung und für eine Gesellschaft jenseits von Kapital, Staat und Polizei!

Infos zur Demo: no-polizeigesetz-nrw.de

Infos zu unserem Block auf der Demo folgen…

Das neue Polizeigesetz umfasst:

  • IDENTITÄTSFESTELLUNG: Eine Identitätsfeststellung kann zukünftig 7 Tage Knast anstatt von bisher einem bedeuten.
  • POLIZEIGEWAHRSAM: Angebliche „Gefährder“ können ohne das ein Richter darüber entscheiden muss für einen Monat in den Knast.
  • SCHLEIERFAHNDUNG: Die Polizei darf ohne Begründung oder Anlass zukünftig Personalien kontrollieren und Menschen durchsuchen.
  • QUELLEN-TKÜ: Telefonate, Webseiten-Besuche und Messenger-Kommunikation dürfen zukünftig ohne Wissen der betroffenen mitgehört und mitgelesen werden. (Auch verschlüsselte Chats wie Signal oder Threema)
  • AUFENTHALTS UND KONTAKTVERBOTE: „Gefährdern“ soll zukünftig der Aufenthalt an bestimmten Orten / Städten oder der Kontakt mit bestimmten Personen oder Personengruppen für bis zu 3 Monate durch die Polizei untersagt werden können.
  • FUßFESSELN: „Gefährder“ dürfen zukünftig, ohne das sie von einem Gericht verurteilt wurden von der Polizei mit einer Fußfessel überwacht werden.
  • TASER: Das Waffenarsenal der Polizei soll um Distanzelektroimpulsgeräte, auch Taser genannt, erweitert werden.
  • VIDEOÜBERWACHUNG: Öffentliche Plätze dürften mit Videokameras überwacht werden, wenn die Polizei denkt, das dort Straftaten vorbereitet werden können.
  • DROHENDE GEFAHR: Einführung des neuen Begriffs als Grundlage für weiterreichende Kontroll- und Überwachungsbefugnisse für Polizisten in NRW.

25 Jahre nach dem Mordanschlag von Solingen

Erinnern heisst dem Rechtsruck entgegentreten

Gedenkdemonstration am Samstag, 26. Mai 2018 in Solingen
Zugtreffpunkt aus Köln: 10 Uhr Köln Hbf (Vorhalle)

Unmittelbar nach der deutschen Einheit führte eine rassistische Medien- und Gewaltkampagne zur Abschaffung des Grundrechts auf Asyl. Neonazis, Bürger*innen und die etablierten Parteien zogen an einem Strang und verkündeten unisono, dass in Deutschland kein Platz mehr sei für Asylsuchende. Noch während des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen vereinbarten CDU/CSU, FDP und SPD die Grundgesetzänderung.

Am 26. Mai 1993 wurde schließlich der Grundgesetzartikel 16 gestrichen, der – als politisches Bekenntnis nach dem Nationalsozialismus –, allen “politisch Verfolgten” einen Rechtsanspruch auf Asyl eingeräumt hatte. Ersetzt wurde er durch den Abschiebe-Artikel 16a.

Die Neonazis und BrandstifterInnen sahen sich in ihrer Mobmentalität bestärkt. Sie feierten die Entscheidung des deutschen Staates drei Tage später mit einem Brandanschlag auf das Haus der Solinger Familie Genç. Dabei starben fünf Menschen: Hatice Genç, Hülya Genç, Saime Genç, Gürsün İnce und Gülüstan Öztürk. Vierzehn weitere wurden teils schwer verletzt. Der Rechtsruck, der zuvor durch die Gesellschaft gegangen war, und der von der Bundesregierung nicht nur nicht aufgehalten, sondern aktiv befeuert worden war, hatte Todesopfer gefordert.

Heute geht abermals ein Rechtsruck durch die Gesellschaft. Im Rahmen der jüngsten Fluchtbewegungen, welche u.a. durch den Bürgerkrieg in Syrien hervorgerufen werden, suchen tausende, die heimatlos geworden sind, Schutz in Europa. Ihnen begegnet jedoch ein gesellschaftliches Bündnis, welches von den Eliten bis zum zündelnden Mob auf der Straße reicht. Dieses Bündnis macht ihnen auf die unterschiedlichste Art und Weise klar, dass sie nicht erwünscht sind. Ist es die CDU/CSU, deren Vertreter*innen öffentlich verkünden, dass „der Islam“ nicht zu Deutschland gehört und die noch schärfere Abschiebegesetze fordert, oder AfD und Pegida, die aus ihrer Nähe zu völkischen Positionen keinen Hehl mehr machen, der Rassismus zieht sich tief durch die Mitte der Gesellschaft. Das System der Abgrenzung sorgt andauernd für tausendfaches Sterben an den europäischen Außengrenzen. Eine ähnliche Stimmung hat vor 25 Jahren das Leben Hatice Genç, Hülya Genç, Saime Genç, Gürsün İnce und Gülüstan Öztürk gekostet. Ihr Andenken zu ehren, heißt die Bedingungen zu beseitigen, dass ein solcher Mord jemals wieder passieren kann.

Ein breites Bündnis linker und antirassistischer Gruppen veranstaltet daher am 26. Mai 2018 eine Gedenkdemonstration in Solingen-Mitte. Zu der Demo, die um 12.00 Uhr am Südpark startet, rufen auch zahlreiche Antifa-Gruppen und NIKA NRW auf.

Young, Urban, Successful? Fuck the system from below!

Ein Beitrag des Antifa AK Köln zur Debatte um neue (alte) Klassenpolitik im Rahmen des Frauen*kampftages 2018

Langfassung des am 7.3.2018 im ND erschienen Texts: Feminismus von unten.

English Translation on beyondeurope.net

Im Rahmen ihrer Zeit-Campus-Kolumne jung und konservativ veröffentlichte Diana Kinnert im Oktober 2017 einen Text mit dem Titel Feministinnen, dankt dem Kapitalismus. Diana Kinnert ist jung, konservativ, CDU-Mitglied und der Meinung, dass die Tatsache, dass große Modelinien „I‘m a Feminist“ auf T-Shirts drucken, Ausdruck eines marktwirtschaftlichen Siegescodes, eines Kultursiegs des Feminismus sei. Sie argumentiert: „Kommt der Einsatz für eine politische Forderung noch so spät und sei er noch so unedel, weil er sich letztlich an wohliger Massenkompatibilität und geglättetem Kommerz ausrichtet, steht er nicht für einen Kultursieg – eingebettet in die Mechanismen der Marktwirtschaft?“

Um zu begreifen, dass Kapitalismus, Patriarchat und weibliche Ausbeutung sich gegenseitig bedingen, reicht alleine ein Blick auf die Näherinnen* in Bangladesch, die die T-Shirts produzieren, die Diana Kinnert dann für 15 Euro kaufen und den Siegeszug des Kapitalismus postulieren kann. Dass eine CDUlerin nicht für die Überwindung des Wirtschaftssystems schreibt, ist mindestens erwartbar, dass sie Popkultur mit sozialen Kämpfen verwechselt, ist respektlos und unerträglich. Der Artikel lehrt dabei weniger über die Aktualität des Feminismus, dafür umso mehr über die gegenwärtige Ausprägung der Marktgläubigkeit und der sich damit immer weiter verbreiteten Ansicht, dass jede*r sein Schicksal verdiene und die damit „nicht nur die Behauptung von der Hellsichtigkeit der blinden Natur, sondern auch die von der Gerechtigkeit des gegenwärtigen Wirtschaftssystems ein[schließt].“ (Max Horkheimer)

#girlboss

Diese Entwicklung manifestiert sich im gegenwärtigen Neoliberalismus in Form eines liberal-individualistischen Fortschrittsverständnisses, das nicht mehr die Zunahme von Gleichheit, sondern den Aufbau einer Leistungsgesellschaft fokussiert und damit weder klassenbewusst noch antikapitalistisch ist. Über die Einspeisung in den Kapitalismus verliert der Feminismus jedoch seine subversive Kraft. Frauen haben bereits im Zuge des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus einen einzigartigen Prozess der Degradierung erlitten, der für die Akkumulation des Kapitals von grundlegender Bedeutung war und bis heute geblieben ist (vgl. Silvia Federici). Vor allem im Silicon Valley wird die Kopplung aus Liberalismus und Feminismus deutlich. Das Ergebnis ist ein Feminismus, der die Lohnarbeit als ultimative Befreiung propagiert, „empowerment“ wird zum Sinnbild für die institutionalisierte Ermächtigung zur doppelten Selbstausbeutung. Continue reading

Pure Vernunft darf niemals siegen

Feministische Revue gegen Sitte, Anstand und Moral mit dem Tippel Orchestra Berlin

Samstag, 3. März 2018, LC 36 (Ludolf-Camphausen-Straße 36)
19 Uhr Einlass | 20 Uhr Beginn

Das Private ist politisch. So lautet eine der klassischen Forderungen der Frauen*bewegung. Probleme des Sexuallebens standen von Anfang an im Mittelpunkt: Die freie Liebe bzw. die Sprengung der Schranken bürgerlicher Ehe- und Liebesmoral waren früh schon Programmpunkte der Frauen*bewegung. Zu offensichtlich hängt der Kampf um Empfängnisverhütung und Abtreibung einerseits mit der Sexualität der Frau*, andererseits mit ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Emanzipation zusammen.

Anlässlich von 50 Jahren sexueller Revolution und dem Frauen*kampftag 2018 wollen wir einen festlichen Abend mit euch verbringen und das thematisieren, was angesichts der aktuellen autoritären Formierungen und den Ausdifferenzierungen im Kapitalismus als mit der Muttermilch erworbene Ideologie auftritt: Sitte, Anstand und Moral im Sinne eines bürgerlichen Glücksversprechen der Liebe in Zweisamkeit.

Halten wir für prüden Schwachsinn: Kann Liebe doch im Sinne einer eigenständigen Quelle des Guten, für eine Entwicklung tragfähiger sozialer Beziehungen verwendet werden, steht sie dem Idealisieren und dann so neidisch wie gierig zerstört zu werden gegenüber. Continue reading