Was sich in zahlreichen Städten Englands abspielt, erinnert an Deutschland in den 90ern: Moscheen werden angegriffen, Geflüchtetenunterkünfte in Brand gesetzt und People of Color auf offener Straße überfallen. Die Polizei hat die Lage – ob willentlich oder nicht – oft nicht im Griff und nur das beherzte Eingreifen von Antifaschist*innen konnte verhindern, das bisher niemand zu Tode gekommen ist. Als Anlass herhalten musste der von einem 17-Jährigen begangene 3-fache Mord in Southport nahe Liverpool. Auch wenn über die Hintergründe der Tat noch wenig genaueres bekannt ist, wird über die Motive und Identität des Täters entsprechend geraunt. Schnell war man sich auf Social Media sicher, dass es sich um einen islamistischen Anschlag handelt und jetzt wo mit Nigel Farage’s Reform Party eine weitere Partei rechts von den Tories im Parlament sitzt, können die Faschist*innen sich dort auf entsprechende Rückendeckung verlassen.
Die Faschos machen aber klar, dass Southport der Anlass, aber nicht der Grund für die Gewalttaten sind. Die FaschistInnen reagieren auf eine Medienkampagne die sich gegen rassifizierte Messerkriminalität, Geflüchtete die in kleinen Booten auf die Insel kommen und Palästinenser*innen richtet. Die Losung des Mobs formulierte English Defense League Gründer und Nazi-Posterboy Tommy Robinson: „Take back Britain“. Es ist kein Zufall, dass sich diese Kampagne an „Take Back Control“ aus dem Brexit Referendum anlehnt. Das Referendum versprach das Land wieder in die Hände der „einfachen Leute“ zu geben, weg von den „Bürokraten aus Brüssel“. Das die Einkommen weiterhin sinken, die Mieten weiter steigen und auch die multikulturelle Identität britischer Städte sich damit nicht einfach zurückdrehen ließen, lässt den Brexit als Niederlage erscheinen. Die rassistische Wut muss sich also einen neuen Fokus geben.
Die extreme Rechte kann sich dabei auf die Politiker beider großer Parteien verlassen, die Sicherung der Grenzen waren für Tories und Labour eines der zentralen Wahlkampfthemen und auch wenn Keir Stamer jetzt den menschenverachtenden Plan zur Deportierung nach Ruanda abgeschafft hat, will er mit einem neuen Grenzsicherungsprogramm die Boote aufhalten. Die Polizei soll auch unter Labour für Law & Order sorgen, was das konkret heißt, konnte man vor ein paar Wochen am Flughafen in Manchester sehen, wo ein Bulle einen am bodenliegenden Mann erst gegen den Kopf trat und anschließend draufstampfte.
Einen ersten Testlauf machte Tommy Robinson Ende letzten Jahres bei einem Gegenprotest zu einer pro–palästinensischen Demo in London, unter rassistischen Sprüchen wie „This is London, not Londonistan“, versuchte er mit seinem Mob aus rechten Hooligans, Teilnehmer*innen anzugreifen.
Das sich die Parteien jetzt wieder von dem Mob distanzieren, Stamer will sogar die Einrichtung einer anti-rechtsextremen Polizeieinheit, sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass der Fascho-Mob nur das hässliche Symptom rassistischer Stimmungsmache ist. Wer ihnen den Boden entziehen will, muss Fortress Britain, Austeritätspolitik und den rassistischen Meinungsmachern an den Kragen. Kurzfristig will aber vor allem der antifaschistische Widerstand organisiert werden: Das in den britischen Städten Gewerkschafter*innnen und Antifas, linke Parlamentsabgeordnete und Antirassist*innen zusammen auf die Straße gehen, ist trotz der finsteren Lage ermutigend. Machen wir uns nichts vor: Was dort passiert kann auch uns blühen! Die Melange aus autoritärer Sparpolitik, die zur systematischen Verarmung der allermeisten führt ist der dankbarste Boden für rechte Politik. Und diese beschränkt sich im Zweifel nie auf’s reden alleine.
Dagegen hilft nur eins: Get organized! Gegen die autoritäre Formierung und die Politik die ihn ermöglicht! Pogrome verhindern bevor sie entstehen!