„Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System“
Dieser Satz, von Michael Schumann auf dem ausserordentlichen Parteitag der SED/PDS im Dezember 1989formuliert, ist seitdem zum Symbol geworden für die Selbsttransformation der SED zur PDS und schließlich zur Linkspartei. Aber nicht nur für die parlamentarische Linke war der Epochenbruch ’89 einschneidend: Auch für die außerparlamentarische und radikale Linke markiert ‚die Wende‘ eine Zäsur.
Was aber war das, was da 1989 – vor nun 25 Jahren – endgültig untergegangen und politisch wie ökonomisch abgewickelt wurde? Was bedeutet es für die heutige radikale Linke, sich nach 1989 – ja nach 1939 – noch oder wieder als kommunistisch bezeichnen? Was machen wir mit dem uneingelösten Versprechen der Oktoberevolution im noch-nicht untergegangenen Kapitalismus? Wie gehen wir um mit neostalinistischen und autoritären Ansätzen, wenn wir die Tragödie des Stalinismus nicht als Farce wiederholen wollen?
Die Reihe wird unterstützt von: Jugendclub Courage Köln e.V., Interventionistische Linke Köln, Antifa AK Köln, Naturfreunde Köln-Kalk, queergestellt, Gesprächskreis Geschichte der Rosa Luxemburg Stiftung und der Rosa Luxemburg Stiftung NRW
Veranstaltungsreihe im November und Dezember in Köln
- Do, 20. Nov: Die Gegenwart der kommunistischen Vergangenheit – und ihre Zukunft [mit Bini Adamczak]
- Do, 27. Nov: Die Vergangenheit, die nicht vergeht – Die deutsche Linke & der lange Schatten des Stalinismus [mit Christoph Jünke]
- Di, 2. Dez: Die Niederlage in der Niederlage
Warum der Stalinismus der revolutionären Arbeiterbewegung das Genick gebrochen hat [mit Felix Klopotek] - Dez: Film: „Die Sonne, die uns täuscht“ (1994)
Die Gegenwart der kommunistischen Vergangenheit – und ihre Zukunft
Do 20.11. 2014, 19 Uhr // Naturfreundehaus Kalk, Kapellenstrasse 9a
mit Bini Adamczak (Berlin)
Bini Adamczak verfolgt die Fehler und Schrecken des Stalinismus vom Hitler-Stalin-Pakt, über die Schauprozesse bis zurück zur Oktoberrevolution.
Wie in in ihrem Buch ‚Gestern Morgen‘ geht es dabei um Trauerarbeit die auf die Zukunft zielt. Die Geschichte von Oktoberrevolution und Stalinismus zeigt sie dabei auch anhand der jeweiligen Sexualpolitik – als Befreiungsakt in der Revolution und als Backlash autoritärer Männerphantasien unter Stalin: Denn die Russische Revolution war – auch – eine queer-feministische Revolution. Sie brachte die Legalisierung von Abtreibung und Homosex sowie erste tapsige Schritte zur Auflösung der Familie. 1922 erklärte ein sowjetisches Gericht die Ehe zwischen einer Cisfrau und einem Transmann für rechtens mit dem simplen Hinweis, sie sei einvernehmlich geschlossen worden. Umso mehr müssen sich (radikale) Linke und Kommunist_innen heute fragen, was danach so schrecklich schief gegangen ist – nicht um aus der bequemen Zukunft die Vergangenheit zu belehren, sondern den Anspruch der Vergangenheit in der Zukunft endlich einzulösen.
Die Vergangenheit, die nicht vergeht
Die deutsche Linke & der lange Schatten des Stalinismus
Do 27.11.2014, 19 Uhr // Kulturbunker Mülheim, Berliner Str. 20
mit Christoph Jünke (Bochum)
Der historische Stalinismus findet zurzeit in der Beschönigung und geschichtsphilosophischen Rechtfertigung seiner Taten eine politisch-theoretische Auferstehung, wie Christoph Jünke in seinem Buch „Der lange Schatten des Stalinismus“ (Köln 2007) darstellt. Anhand der Arbeiten von Luciano Canfora und Domenico Losurdo zeigt er die Fallstricke eines unaufgeklärten linken Diskurses auf, der die vorherrschende Demokratiemüdigkeit großer Teile der Gesellschaft für eine ideologische Offensive philo- und neostalinistischer Postionen nutzt, und so die politische und programmatische Erneuerung der Linken nachhaltig blockiert.
Warum aber will diese Vergangenheit eigentlich nicht vergehen? Wie kann man die philo- und neostalinistischen Tendenzen verstehen und wie sollten heutige Linke mit ihnen umgehen?
Die Niederlage in der Niederlage
Warum der Stalinismus der revolutionären Arbeiterbewegung das Genick gebrochen hat
Di, 2.12.2014, 19 Uhr // Gaststätte Alteburg, Alteburger Straße 139 (Nähe Friedenspark/ Bauspielplatz)
mit Felix Klopotek (Köln)
Solange als Stalinismus gelte, was die Welt von einer doch überraschend großen Menge Nazis befreit habe, wolle er die Auszeichnung in Ehren halten, bekannte KONKRET-Herausgeber Hermann L. Gremliza vor bald 25 Jahren in seiner Kolumne »Ich, Josef Stalin« und setzte damit nolens volens den Standard für den heutigen Neostalinismus.
Dieser ist vor allem ein funktionaler: Der Stalinsche Terror wird nicht aus sich selbst legitimiert, sondern erfährt seine Aufnahme in den edlen Kanon revolutionärer Politik durch seine »Funktion« im antifaschistischen Kampf. Das haben Generationen von antistalinistischen und antibolschewistischen Kommunisten anders gesehen und schon sehr früh eine grundlegende Kritik an Weltanschauung und Strategie Stalins formuliert: nämlich bereits in den 20er Jahren. Mithin zu einem Zeitpunkt, als zwar der Sieg von Faschismus und NS längst nicht sicher war, sich aber bereits das Ende der revolutionären Arbeiterbewegung abzeichnete.
Thema des Vortrags ist also: Was trifft diese historische Kritik (was trifft sie nicht) und welche Relevanz hat sie für die heutige Auseinandersetzung mit dem Neostalinismus.
Film: „Die Sonne, die uns täuscht“ (1994)
voraussichtlich Dezember 2014 // Kinoraum in der Alten Feuerwache, Melchiorstraße 3
„Einen Film für die Opfer wollte Nikita Michalkov, der große Mann des russischen Films, drehen, einen Film für alle, die von der Sonne der Revolution getäuscht worden waren. Mit diesem hehren Vorsatz ist ihm zwar nicht der ganz große Wurf, dafür aber ein ganz und gar stimmiges, wunderschön inszeniertes Abbild einer tragischen Epoche gelungen. Er erntete dafür den Oscar 1995 als Bester fremdsprachiger Film und den Großen Preis der Jury letztes Jahr in Cannes.“