Die antifaschistische Linke nach dem NSU muss Staatskritik und Solidarität mit den Betroffenen vereinen
Antifa AK Text in der Jungle World (Nr. 33/14, 14. August 2014)
Zehn Jahre nach den NSU-Anschlägen in der Kölner Keupstraße geht der Staat in die Gedenkoffensive: Mit allen Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit kämpfen Joachim Gauck, Verfassungsschutz und Co. um die Deutungsmacht über die Anschläge. Währenddessen steht die radikale Linke vor dem Problem, eine radikale Staatskritik zu formulieren, ohne Politik über die Köpfe der Betroffenen hinweg zu machen.
Im Jahr 2004 wurden Bewohnerinnen und Bewohner der Keupstraße in Köln im Zuge der terroristischen Aktivitäten der neonazistischen Organisation NSU Opfer eines Nagelbombenanschlags. Nach dem terroristischen Anschlag mussten die Betroffenen jahrelang ein perfides Programm der Ermittlungsbehörden über sich ergehen lassen, das sie gezielt von Opfern zu Tätern machen sollte. Die Kriminalisierungspraxis führte dazu, dass das Leid durch staatliche und gegenseitige Verdächtigungen verstärkt und verlängert wurde. Continue reading

Wie in den vergangenen Jahren auch, haben linksradikale Gruppen gegen die diesjährigen Staatsfeiern zum Tag der deutschen Einheit mobilisiert (1.-3. Oktober, Bonn). (1) Das umsGanze!-Bündnis, dem wir als Berliner Gruppe angehören, hat mit Diskussionsveranstaltungen und Vorabenddemo einen antinationalen Akzent gesetzt. Der Demo-Aufruf The only PIIG’S the system befasst sich vor allem mit Krisenpolitik und Krisennationalismus in Deutschland und Europa. (2) Antideutsche Gruppen haben einen zweiten Aufruf veröffentlicht, der sich explizit gegen den antinationalen wendet. Das Demo-Bündnis und umsGanze! unterschlügen eine spezifisch deutsche, nämlich völkische Formierung des hiesigen Nationalismus. Ihr eigener Aufruf Imagine there’s no Deutschland gipfelt in der – nicht ganz zwingenden – Unterstellung: “Wer behauptet, Deutschland habe nie einen Sonderweg beschritten oder ihn mittlerweile verlassen, kommt nicht drumherum, Auschwitz und seine Folgen im völkischen Nationalismus zu leugnen, zu verharmlosen oder zu relativieren.” (3) Vergleichbares wurde in Artikeln und Interviews formuliert (4), und bereits 2010 in Bremen lautete der antideutsche Vorwurf: “linker Geschichtsrevisionismus”.