Statement des Antifa AK Köln zum Artikel der KSZ

Stellungnahme zu dem Artikel „Undurchsichtig engagiert“ von Tobias Pastoors und Malte Möbius, welcher am 6.12.2017 in der Kölner Studierendenzeitung (KSZ) veröffentlicht wurde

Seit einiger Zeit erfreuen wir, der Antifa AK Köln, uns einer zweifelhaften Art von Aufmerksamkeit. Seit wir die Proteste gegen den Auftritt des damaligen NRW-Vorsitzenden der AfD, Marcus Pretzell, maßgeblich mitgestaltet haben, hat sich die Veranstalterin des AfD- Auftritts, die Kölner Studierendenzeitung (KSZ) entschieden, Antifaschismus als ihren primären Gegner auszumachen. Anstatt sich die vielen guten Argumente anzuschauen, die es gibt, völkischen Nationalist*innen keine Bühne zu bieten, werden wieder, wie es viel zu oft geschieht, diejenigen als Problem konstruiert, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, dem völkischen Angriff auf das gute Leben entgegenzutreten. Die meisten dieser Argumente haben wir in unser großen Podiumsveranstaltung mit Jutta Ditfurth in der Aula 2 angeboten, die mehr als 270 Menschen besuchten. Einige werden wir hier auch noch mal darstellen.

Der Aufmacher

Die KSZ stellt uns seit der blockierten Saalveranstaltung mit Marcus Pretzell mit einem Interesse nach, das wir befremdlich finden. So erreichte uns eine Email, in der ein Fragenkatalog zu finden war, der uns an den Verfassungsschutz und an Anti-Antifa Recherche erinnerte. Wir entschieden uns dagegen, diese Fragen zu beantworten, da sie eine eindeutige Tendenz erkennen ließen, die sich im Endprodukt, dem Artikel über uns, auch bestätigte.

Gleichzeitig begann der Chefredakteur der Kölner Studierendenzeitung, Tobias Pastoors, unsere Veranstaltungen zu besuchen. Obgleich prinzipiell alle Leute bei unseren Veranstaltungen willkommen sind, baten wir ihn bei der zweiten von ihm besuchten Veranstaltung zu gehen. Dies begründen wir damit, dass er sich sowohl bei öffentlichen Veranstaltungen als auch in seinen Internetpräsenzen gegen Blockaden rechter Veranstaltungen positionierte. Ist dies allein noch eine aushaltbare Meinungsverschiedenheit, so geschieht das in seinem Fall noch im besonderen Kontext seiner Ausforschung von Antifa-Strukturen. Diese Intention unterstellen wir nicht einfach: Ein Kollege von Pastoors, welchen er herbei telefonierte, nachdem er auch bei einer zweiten Veranstaltung von uns herausgebeten wurde, versuchte von Personen, die er als Mitglieder des AK vermutete, Namen, Tätigkeit und den Ort unseres Plenums zu erfragen. Ebenso fragte Pastoors die Person nach ihrem Namen, die ihn aus der ersten Veranstaltung herausbat. Wieso wir uns gegen solcherlei Spielchen verwehren, hat einen einfachen Grund: Antifaschistisch aktiv sein bedeutet, insbesondere in Zeiten des gesellschaftlichen Rechtsrucks, ein Risiko für die Gesundheit sowie im schlimmsten Fall Leib und Leben. Wer sich anschauen möchte, was aktiven, mit Namen bekannten Antifaschist*innen zustoßen kann, muss sich nur Kommentarspalten unter den Videos unserer Pressesprecher*innen anschauen. Hier finden sich vielfältigste Gewalt- Mord- und Vergewaltigungsdrohungen. Der Internetmob ist ebenso willens wie in der Lage, Namen und Adressen der Personen zu recherchieren, die unsere Positionen in der Öffentlichkeit vertreten. Pastoors erhielt auf seine Namensfrage die Antwort. „Für die Öffentlichkeit bin ich Jan Sperling“ – ein Zitat, welches er mit einem breiten Grinsen aufnahm und es umgehend veröffentlichte, ohne sich weitere Gedanken über die Folgen seines Handelns zu machen. Er ließ es als verschwörerisches, geheimbündisches Raunen erscheinen – geäußert wurde es im Wissen um die Tatsache, dass Antifaschist*in sein bedeutet, sich selbst und seine Freund*innen schützen zu müssen. Mit der unverzüglichen Veröffentlichung bewies Pastoors, wie notwendig es ist, eine sensationsgeile Art von Öffentlichkeit, wie er sie herstellt, zu meiden. Hätte sich unser Aktivist mit richtigem Namen vorgestellt, wäre sein Name in der Zeitung gelandet – mit allen Konsequenzen. So dient nun die notwendige Anonymität als Vehikel für die lächerlich pompöse Inszenierung des Pastoors als inverstigativem Journalisten: „Undurchsichtig engagiert“ titelt er und nimmt in Gedanken schon im Spiegel-Chefsessel Platz. Richtiger investigativer Journalismus beschäftigt sich allerdings mit gesellschaftlichen Machtstrukturen auf der Ebene von Regierungen, Konzernen oder Geheimdiensten. Das Bekämpfen der Leute, die es neben Studium und Arbeit auf sich nehmen, faschistische, völkische Gewalt zu einem Ding der Vergangenheit zu machen, gleicht eher dem hässlichen kleinen Bruder des investigativen Journalismus – der Boulevardpresse. Mit seinem unfreiwillig lächerlichen Titel hat sich Pastoors eher für die Springermedien empfohlen als für die Süddeutsche. Der Antifa AK ist leider nicht Watergate und er auch nicht Bob Woodward. Aber vielleicht klappts ja bei der Bild.

Auch bei der Wahl der Themen muss man sich fragen, ob da nicht auch gekränkte Eitelkeit ob der verhinderten AfD-Showbühne eine Rolle gespielt hat. Fern läge es uns, der KSZ ihre Themen vorschreiben zu wollen. Wir gehen allerdings davon aus, dass es bei einer Ausgabe pro Semester vielleicht Themen gibt, die Studierende brennender interessieren als der Antifa AK. Während der laufenden neoliberalen Umstrukturierung NRWs unter Schwarz-Gelb steht unter anderem eine mögliche Wiedereinführung der Studiengebühren sowie einige andere Verschärfungen auf der Speisekarte. Eine Zeitung mit einem derartigen politischen Sendungsbewusstsein, wie es der Antifa AK-Artikel der KSZ atmet, sollte eigentlich ihren selbstauferlegten Aufklärungsauftrag so ernst nehmen, dass sie sich solcher Themen von weitreichender Wichtigkeit eher annimmt. Der Platz ist ja allein aufgrund der Erscheinungsfrequenz begrenzt.

„Geheimsache Antifaschismus“?

Nun nehmen wir ihn also ein. Sei’s drum. Dass dies passiert, ist für uns nicht überraschend und auch kein Novum. Es ist allerdings trotzdem extrem ärgerlich. Was hier passiert, ist ein Abbild der gesellschaftlichen Rechtsverschiebung, deren Teil es ist, dass völkische Inhalte wie die der AfD als normale, unhinterfragbare Positionen innerhalb der gesellschaftlichen Debatte gesehen werden. Die AfD ist in der Gesellschaft etabliert. Das bedeutet, sie hat sich Legitimation der Institutionen der Gesellschaft, wie zum Beispiel Parlamente und Medien erworben. Linker Protest, der darauf beharrt, dass völkischer Nationalismus und Rassismus niemals legitim sein können, greift damit auch automatisch die Deutungshoheit der Institutionen an, die der AfD ihre Legitimation verleihen. Diese reagieren darauf mit einer Gegenoffensive: Der Ächtung von Protest, welche auf Verhinderung der geistigen Brandstiftung der AfD abzielt. Medien und Politik sind es gewohnt, dass ihre Deutung hegemonial ist, auf ein Anzweifeln dieser Hegemonie reagieren sie allergisch. Wer dabei bleibt, dass völkische Ideologie, wie sie von der AfD vertreten wird, keine Existenzberechtigung hat, zieht sich also deren heftige Gegenreaktion auf den Hals. Das Resultat lässt sich hervorragend am Fall der KSZ besichtigen: Eine relativ kleine antifaschistische Gruppe, die den Rechtsruck, zu dem man sich selbst als Opposition geriert, bekämpft, wird dann mit aller zur Verfügung stehenden Recherchemacht verfolgt.

Zumal man ja eigentlich vermuten müsste, dass die KSZ trotz Differenzen die Gegner*innen der AfD als ihre politischen Verbündeten sieht. Tatsächlich wird am Anfang des Artikels ein Lippenbekenntnis gemacht. Die völlig richtige Erwähnung des NSU und die daraus folgende Schlussfolgerung der Notwendigkeit des Antifaschismus werden jedoch zur hohlen Selbstbestätigungsgeste, wenn eben jener Antifaschismus danach auf Artikellänge in den Dreck gezogen wird. Wenn dem Tönen der Notwendigkeit Glauben geschenkt werden würde, müsste gefragt werden, was die KSZ eigentlich leistet, um dem Rechtsruck Vorschub zu leisten. Die Antwort lautet: Gar nichts. Diejenigen, die am lautesten gegen „Gewalt“ beim Widerstand schreien – und dazu zählen ja heutzutage schon Sitzblockaden – sind meistens die, die überhaupt keinen Widerstand leisten. Das Gegenteil ist der Fall: Die KSZ ist bereit, aufgrund ihrer Vorstellung eines gesellschaftlichen runden Tisches, an dem alle gleichermaßen sitzen und debattieren können, faschistische völkische Ideologie als Teil der Debatte zuzulassen. Diese herrschaftsfreie Debatte ist aber eine liberale Fiktion: In dieser Gesellschaft sind die Sprech- und Einflusspositionen drastisch ungleich verteilt. Es gibt die Getretenen und die Tretenden – und die AfD gehört zu den letzteren. Es ist nicht nur eine „andere Meinung“ oder eine „abweichende Meinung“ sondern eine Position, deren Legitimation in der Gesellschaft jetzt schon für Gewalt sorgt. Schon jetzt können sich Migrant*innen, Homosexuelle, Frauen mit Kopftuch nicht angstfrei in der Gesellschaft bewegen. Sie spüren den Rechtsruck, den die AfD schürt in Form des Verlustes ihrer Sicherheit und ihrer Freiheit. Der AfD die Möglichkeit zu nehmen, ihren Hass gegen Menschen zu organisieren, die nicht in ihr völkisches Weltbild passen, bedeutet nicht ein Weniger, sondern ein Mehr an Freiheit in der Gesellschaft.

Das Eingliedern der AfD in die demokratische Debatte verschafft ihr die Legitimation, die sie braucht, um die gesellschaftliche Hegemonie zu übernehmen. Da ein bestimmter Teil der Bevölkerung faschistische Propaganda bejaht, und dieser Teil in Krisenzeiten exponentiell ansteigt, ist deren bedingungslose Ächtung ein notwendiges Mittel für deren Abwehr. Auch das Argument, der Ausschluss der AfD wäre undemokratisch, läuft vollkommen ins Leere. Die Forderung der Redefreiheit für alles und alle bleibt völlig abstrakt gegen das, WAS gesagt wird, und ignoriert so, dass es Inhalte gibt, die die Freiheit vermindern, wenn sie der Debatte hinzugefügt werden. Dazu gehören die Forderung nach Schüssen auf Geflüchtete, die die Grenze überqueren, die Relativierung und Leugnung des Holocausts sowie die Forderung, Stolz auf die Soldaten der Wehrmacht und des Heeres des deutschen Kaiserreiches zu sein. Wie bringt die Zusprechung von Debattierwürdigkeit dieser Forderungen ein Mehr an Freiheit für irgendwen? Die Fans der Redefreiheit für Faschist*innen mögen es uns erklären.

Faschismus ist kein Zufall, Widerstand auch nicht

Für die These, dass unsere Form nicht die richtige, sprich die genehme sei, liefert die KSZ natürlich eine Erklärung. Diese Recherchefüchse haben es tatsächlich geschafft, unsere geheime, öffentlich zugängliche Internetseite aufzurufen und unser Programm mit ihren von keinerlei antifaschistischer Praxiserfahrung getrübten Vorstellungen abzugleichen. Dabei haben sie empört festgestellt: Wir stellen ja nicht nur Nazis nach. Wir kritisieren auch die gesellschaftlichen Verhältnisse, sprich: Den Kapitalismus. Da das anscheinend etwas ist, was erklärt werden muss, hier ein paar Schlaglichter auf die Genese rechter Ideologie. Zum Nazi, AfDler oder sonstigem völkischen Menschenfeind wird man nämlich nicht zufällig und ist es auch nicht von Geburt an. Was für niemand ein Geheimnis sein dürfte, ist, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der ein Großteil der Menschen unter elender Zurichtung leidet. Wenn man sein Leben mit einer Ausbildung zugebracht hat, die einen zu einer Schraube in der Maschine macht, wenn man sein Leben mit einem Drecksjob zubringt, wenn man sein tägliches Brot in einer Konkurrenz aller gegen alle erkämpfen muss, muss eine Kompensation für das erlittene her. Als Kompensation für die Deprivationen wird sich die Selbsterhöhung im Kollektiv gesucht – in der Nation. Durch die Verbindung des eigenen Egos mit dem Kollektiv werden alle, die von diesem Kollektiv als außenstehend markiert werden, zu potentiellen Feinden, die bestenfalls geduldet und schlimmstenfalls vernichtet werden. Warum also Kapitalismuskritik? Wer die gesellschaftlichen Grundlagen des Faschismus nicht mitdenkt, kann ihn auch nicht abschaffen. Max Horkheimer hat es treffend beschrieben mit den Worten: Wer vom Kapitalismus nicht reden möchte, sollte auch vom Faschismus schweigen.

Zum Schluss sollte man vielleicht noch ein paar Worte zum Verfassungsschutz verlieren. Der wird ja im Artikel als große unhinterfragbare Autorität zitiert, die uns bescheinigt, das wir die bösen Kids sind, mit denen man besser nicht spielen sollte. Es sei nur nochmal in Erinnerung gerufen, dass es nicht so lange her ist, als sogar die Mainstreamöffentlichkeit mal ein Stück schlauer war, was diesen Verein anging. Die Kritik bis hin zur Forderung nach dessen Abschaffung kam im Rahmen eines Themas, dass die KSZ selbst in ihrem Artikel aufgerufen hat: Dem NSU-Komplex. Im Rahmen der Selbstenttarnung des NSU zeigte sich dessen massive Verstrickung in Neonazistrukturen. Es zeigte sich dessen Bereitschaft, entgegen der Gesetze, welche die KSZ so hochhält, massiv Akten zu vernichten und Spuren zu beseitigen. Der Verfassungsschutz ist keine politisch neutrale Institution. Er ist ein Geheimdienst, der von Altnazis aufgebaut wurde und immer wieder beweist, dass der Hauptfeind für ihn links steht. Der Verweis, dass die AfD nicht vom Verfassungsschutz beobachtet wird, wir aber schon, taugt nur zum Beleg, dass die Art von Gewalt, für die die AfD steht, in dieser Gesellschaft auf verschlossene Augen und Ohren trifft.

Unter dem Eindruck all dieser Punkte können wir nur sagen: Es war richtig, die Fragen der KSZ nicht zu beantworten. Der Artikel ist in seiner Form klar als Denunziation von Antifaschismus angelegt und dies zu einer Zeit, in der selbiger so nötig ist wie fast nie zuvor. Wir lassen uns von enthüllungsgeilem Boulevardjournalismus allerdings nicht beirren. Wir halten „kompromisslos“ fest an der Überzeugung, dass völkische Ideologie immer zu Gewalt führt und deswegen bekämpft werden muss. Als antiautoritär Linke Gruppe bleibt es Ziel unserer Politik, diese Abwehr überflüssig zu machen. Alle, die diese Erkenntnis teilen, sind herzlich willkommen, sich uns anzuschließen.