Seit Jahren warnen linke und antifaschistische Initiativen vor der rassistischen Gewalt von Neonazis. Dennoch wirft die nun aufgedeckte rassistische Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) ein schockierendes Licht auf das Ausmaß rassistischer Gewalt in Deutschland – und auch auf ihre Verharmlosung. Die Morde und Attentate der NSU geschahen in einem gesellschaftlichen Klima der Ausgrenzungen, Diskriminierungen und der tagtäglichen rassistischen Gewalt. Sie bilden nur die Spitze eines Eisberges. Seit 1989 wurden nicht nur mindestens 182 rassistisch motivierte Morde in der Bundesrepublik Deutschland verübt, es gedieh auch eine allgemeine rassistische Politik von Sondergesetzen, Abschiebungen und sogenannten Integrationsdebatten. Während Studien über die „Deutschen Zustände“ jedes Jahr von Neuem belegten, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit essentieller Bestandteil der „gesellschaftlichen Mitte“ ist, rühmen sich zugleich Sprecher bundesdeutscher Repressionsorgane ihrer Abschottungspolitik an den Außengrenzen Europas und verleihen sich stolz den Titel „Festung Europa“. Als Reaktion auf die rassistische Raserei sind nicht Worte des Bedauerns gefragt, sondern eine bedingungslose Solidarität mit allen Opfern des Rassismus.
Polizeiliche Diffamierung
In einem allgemeinen rassistischen Klima erklärten die Polizeidienststellen die Opfer der faschistischen Gewalt ohne Gegenwehr zu Tätern. Rassistischen Stereotypen entsprechend wurden die Taten im Dunstkreis der „anatolischen Mafia“, „illegalem Glücksspiel“ und „Schutzgelderpressung“ verortet. Nach dem Nagelbombenanschlag der NSU auf der Keupstraße 2004 ging auch von Seiten der Polizeiwache Köln-Mülheim eine polizeiliche Diffamierung der Opfer aus. Ein rechter Hintergrund der Tat wurde während den Ermittlungen voreilig ausgeschlossen.
Dieser Fall zeigt: Solange über die gesellschaftlichen Bedingungen des Rassismus geschwiegen wird, werden weder die faschistischen Morde noch die tagtäglichen rassistischen Gewalttaten aufgeklärt.
Nazis Morden, der Staat lädt nach
Nachdem der neonazistische Hintergrund der Taten offenbar wurde, wird die in den Medien thematisierte Zusammenarbeit von Repressionsapparaten und Nazigruppen als „Panne“ oder „Versagen“ abgebucht. Das politische Tagesgeschäft läuft wie gewohnt weiter. Der Schlussstrich ist gezogen – noch bevor auch nur ein einzelner NSU-Mord oder -Anschlag vollständig aufgeklärt ist. Die Verstrickungen der Geheimdienste in den faschistischen Terror wurden bisher nur zögerlich durchleuchtet. Viele Akten, die Licht ins Dunkel hätten bringen können, sind bereits vernichtet. Als einzige Konsequenz aus dieser Reihe von „Pleiten, Pech und Pannen“ bleibt der Ruf nach weitergehenden Befugnissen für Geheimdienste und noch mehr Möglichkeiten, politische Bewegungen zu kriminalisieren.
Fehlende Akten sind für den Verfassungsschutz symptomatisch. Das zeigt auch die Geschichte der Behörde: Wie andere Institutionen der BRD wurde dieser maßgeblich von Nazis aufgebaut. Doch eine Aufarbeitung dieser Vergangenheit wird bis heute verwehrt. Dazu wäre ein Zugriff auf die historischen Unterlagen nötig. Die Archive des VS sind aber bis heute verschlossen.
Weiter aktuell bleiben Fälle in denen staatliche Geheimdienste faschistische Gewalt verharmlosen, die Täter als unpolitische Sonderlinge klassifizieren und ihre Verbindungen zu faschistischen Organisationen bewusst ignorieren. Aufgeklärt ist darum nichts, bekannt bleibt ein brauner Faden quer durch die Geschichte der Bundesrepublik.
Der Extremismus der Mitte
Doch die Zuständigen streuen der faschistischen Gewalt nicht nur Rosen auf den Weg. Sie bekämpfen zugleich jene Kräfte in der Gesellschaft, die sich Rassismus und Faschismus in den Weg stellen. Unter Bezug auf das theoretische Konzept „Extremismus“ werden antifaschistischen und antirassistischen Initiativen staatliche Gelder gekürzt und das Engagement für eine solidarische Gesellschaft kriminalisiert. Die Extremismusdoktrin der Bundesrepublik Deutschland will das politische Spektrum als ein Hufeisen verstanden wissen. Danach befänden sich an den Rändern der Gesellschaft ihre vermeintlichen negativen Extreme. Die sogenannte demokratische Mitte wiederum soll als einzig positiver und politisch legitimer Bezugspunkt verstanden werden. Unter dem Label „Extremismus“ wird faschistische Vernichtungsideologie mit linken Bestrebungen für ein gutes Leben gleichgesetzt und Rassismus und Antisemitismus zu Randphänomenen der bürgerlichen Gesellschaft verharmlost. Der staatliche Anspruch auf das Monopol politischer Willensbildung, der sich hinter der Extremismusdoktrin verbirgt, hat dabei die Funktion, stets die Weste der bürgerlichen Gesellschaft rein zu waschen.
Also wird man alles selber machen müssen: Faschismus und Rassismus bekämpfen! Verfassungsschutz auflösen!
Antifaschistische Demonstration am 17. Dezember 2011, um 15:00 Uhr in Köln-Mülheim