Jedes Jahr wieder heißt es: „Sommer, Sonne, CSD“ in Kölle. Was 1970 in New York im Gedenken an den Stonewall-Aufstand als progressive Veranstaltung begann und die nächsten Jahrzehnte blieb, hat sich vor allem in Köln zu einem Pop-Kommerz Event entwickelt, dessen beste Seiten noch die unpolitischen Technowagen darstellen. Der Antifa AK Köln lässt daher die grölenden Party-Krauts ihre Eisbeinchen schwingen und ruft statt dessen dazu auf beim alternativen CSD: „CSD selber machen!“ teilzunehmen. Der alternative CSD startet am Samstag, den 7.Juli 2007, um 14 Uhr auf dem Neumarkt (Köln). Organisiert wird die Demo von der linksradikalen schwul-lesbischen Gruppe Queergestellt (www.queergestellt.de). In Erinnerung an die Militanz von 1969 rufen wir dazu auf als queer-RevolutionärInnen die Sonnenbrillen einzupacken und an diesem Tag mal Pink statt Schwarz zu tragen.
Dont´t fool me!
Schon im Vorfeld des offiziellen CSD gerieten die Veranstalter, der Kölner Lesben- und Schwulentag e.V. (KLuST), in die öffentliche Kritik. Sie hatten beschlossen das größte Bordell Europas Pascha beim CSD mitlaufen zu lassen. Das Pascha versucht besonders in „schwulen“ Kreisen Werbung für sich zu machen, da im Bordell extra eine „Homo“–Abteilung vor einiger Zeit eingerichtet worden ist. Als mehrer Frauenrechtsgruppen den sexistischen Laden anprangerten und vom KLuST verlangten, die Teilnahme des Paschas rückgängig zu machen, zog das Pascha seine Teilnahme selber zurück. Schließlich hatte die Betreiber des Pascha ihren Laden in die Presse gebracht und damit eine kostenlose Werbeoffensive bekommen. Der KLuST hat sich bis heute nicht von seinem Vorgehen distanziert, sie stehen somit weiterhin hinter den sexistischen Frauen/Männer-Ausbeutungsbetrieben. Wäre dies nicht allein Grund genug die reaktionären Elemente des offiziellen CSD klar zu erkennen, so stellt das Motto des CSDs: „homo europaeicus: geht aufrecht!“ die Total-Assimilation des KLuST in die deutsch-heterosexistische Matrix dar. Das vom KLuST „entwickelte Bild“ einer „Europa Identität als Kontinent der Freiheit und der Toleranz“ und die „inhaltlichen Essenz …[des Bildes] der so genannten Darwin-Linie, der versinnbildlichten Entwicklungsgeschichte vom Primaten bis zum modernen Menschen“ sind gleich mehrer Kopfsprünge. Die beschworene „europäische Identität“ der „modernen Menschen“ ist im Kern ein kulturalistischer Chauvinismus, der die Festschreibung der gegebenen Gesellschaftordnung und damit die „Geschlechterordnung“ innerhalb der „Grenzen Europas“ zementiert und alle antinationalistischen und universalistischen Emanzipationsansätze niviliert. Wer nicht über die Familien- und Bevölkerungspolitik „Europas“ – d.h. die repressive staatliche „Formung“ der BürgerInnen – nach nationalistisch/rassistischem Muster redet, sollte am besten das E-Wort gar nicht erst in den Mund nehmen. Während MigrantInnen Jahre auf die sogenannte „Familienzusammenführung“ warten, werden weiße „EuropäerInnen“ durch Kindergeld, Anti-Abtreibungs- und Pro-Familien-Propaganda zum Gebären und in Abhängigkeit von einem „männlichen Ernährer“ gedrängt. In trauter Gemeinsamkeit mit der (katholischen) Kirche wird das patriarchale Modell der staatlich sanktionierten Mutter-Vater-Kind-Hölle zur fast unausweichlichen Norm deklariert. Die Antwort aus der „schwul-lesbischen Community“ auf diese Heteronormativität ist jene nach Eheerlaubnis. Ein klares Game over für radikale Ansätze. Dass der Chauvinismus des KLuST sich in der bildlichen Darstellungsform niederschlägt, ist für uns kein Kritikpunkt sondern die konsequente Umsetzung geistigen Schrotts. Die Ideen des KLuST hätte gar nicht besser dargestellt werden können, als in dem Bild des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski als „Affe“ bis hin zum niederländischen Präsidenten als „Gattung des aufrechten Ganges“. Wer wie der KLuST bei solchem Gedankenmüll noch von „unötigen Irritationen“ spricht ist nur noch „irre“ im Kopf.
Pink me up!
Wer die Emanzipation des Individuums vorantreiben will, muss bei den ganzen Blödsinn der heute verzapft wird, alles erstmal wieder von den Köpfen auf die Beine zurückholen. Wer die „Lifestyle-Politik“ des offiziellen CSD kritisiert, sollte grundsätzlich Kritik an der Identitätspolitik als Mittel der Befreiung üben. Da alle Menschen sich an den Normen der weißen, heterosexuellen, bürgerlichen, gesunden, männlichen Welt messen, bedeutet auch die Umkehrung dieser Normen nur sich an ihnen abzuarbeiten. Eine notwendige Voraussetzung für eine vernünftige Praxis ist deswegen die richtige Kritik an den internalisierten Vorstellungen der „bürgerlichen Gesellschaft“. Die Problematik jeder Identitätspolitik bleibt, dass sie darauf abzielt, eine unterdrückte Gruppe dadurch zu emanzipieren, dass sie ihre Mitglieder in ihrer kollektiven Identität bestätigt und bestärkt. Aber selbst die beste Bestätigung verspricht allemal die Integration in die bestehende Mehrheitsgesellschaft. Der Ruf nach „akzeptierender Minderheitenpolitik“ geht daher fast immer mit einer konformistischen Identitätsveränderung der unterdrückten Gruppe einher. Dementsprechend sind die VertreterInnen der ,Community‘ häufig groß darin, selbstkritisch die Anforderungen der Mehrheitsgesellschaft als Voraussetzung für die Integration anzuerkennen. Dabei scheint die „bürgerliche Gesellschaft“ den Betroffenen geradezu entgegenzukommen, bietet sie doch Gleichheit vor dem Gesetz. Doch gerade diese „Gleichheit“ entsteht erst auf der Grundlage einer heteronormativen Gesellschaftsordnung, die als Grenze den Emanzipations-Überschuss der bürgerlichen Ordnung im Gegensatz zur Barbarei darstellt. Ein queer-revolutionärer Ansatz ist daher erstmal nicht gleichbedeutend mit „schwullesbisch“, sondern umfasst verschiedene Angriffe auf die Geschlechter- und Sexualitätsordnung von Mann/Frau und Homo/Hetero, also auch Transsexuelle, Transvestiten, Fummeltunten und Geschlechtsuneindeutige. Es geht nicht um den Einschluss in die Mehrheitsgesellschaft, sondern um den Angriff auf ihr Zentrum. Heterosexualität als Herrschaftssystem, daß Körper und ihr Verhältnis zueinander normiert und diese auferlegte Ordnung als natürliche, immer schon dagewesene, postuliert, steht für uns im Kreuzfeuer der Kritik. Deswegen auf zum alternativen CSD! Tretet für eine Welt ein, in der die Gleichheit der Individuen durch ihre Verschiedenartigkeit bestimmt ist.
Shut down the heterosexual matrix!
Fight for Communism!