19.2. Dresden-Action // Nazis Blockieren – Extremiumusquatsch und Opfermyten Bekämpfen!

Der Antifa AK Köln unterstützt den Aufruf des Antifa-Bündnisses ¡No Pasarán!.

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Am 13. Februar 2010 haben wir mit entschlossenen Blockadeaktionen den größten und wichtigsten Naziaufmarsch Europas in Dresden verhindert. Wir haben den Rahmen des symbolischen Protests verlassen und mit der Aktionsform Massenblockade den kollektiven Ungehorsam auch nach Dresden getragen. Mit Tausenden von Menschen, viele von ihnen aus ganz Deutschland angereist, haben wir den Ort der Auftaktkundgebung der Nazis am Bahnhof Neustadt umzingelt und konnten so den Naziaufmarsch verhindern. Die Nazis mussten völlig frustriert die Heimreise antreten.

Auch im kommenden Februar werden wir den geplanten Naziaufmarsch in Dresden verhindern. Dazu werden wir wieder mit Tausenden von Menschen Massenblockaden errichten und mit allen solidarisch sein, die unser Ziel der Verhinderung des Aufmarsches teilen. Aufruf weiterlesen…

13.01.: VA // “Zwischen allen Stühlen”

Lebenswege des Journalisten Karl Pfeifer

Film über und Disskussion mit Karl Pfeifer ( Wien )

1938 flüchtet Karl Pfeifer als Zehnjähriger mit seiner Familie aus Österreich, zunächst nach Ungarn. Vier Jahre später erreicht er Palästina mit einem der letzten Kindertransporte des Hashomer Hatzair. Er lebt im Kibbuz, kämpft im Israelischen Unabhängigkeitskrieg und kehrt Anfang der 50er Jahre nach Österreich zurück.

„In Österreich angekommen musste ich bei der Staatspolizei vorsprechen… Heimkehrer seien in Österreich nur die, die in der Wehrmacht bzw. in der Waffen SS gedient haben.“

Der Film begleitet Karl Pfeifer an zentrale Orte seines Lebensweges. Orte, an denen er antisemitischen Angriffen ausgesetzt war. Orte, an denen er seine politischen Einstellungen schärfte. Seinen Lebenswegen zu folgen bedeutet jedoch auch den Bahnen und Verstrickungen des österreichischen Antisemitismus zu folgen. Continue reading

Privatisierung des „Abschiebegeschäfts“

Die Privatisierungswelle macht auch vor der Flüchtlingsversorgung und der Abschiebepraxis nicht halt. Das Geschäft mit der Abschiebung floriert mittlerweile in der BRD. „Professionell und effizient“ sind die Schlagworte unter denen Überwachungs- und Versorgungsbereiche in die Hände von privaten Anbietern gelegt werden. Ziele sind Teile der Bewachung und Organisation von so genannten Ausreisezentren sowie Gefängnissen und Unterkünften, aber auch die Versorgung, Betreuung und den Transport von Flüchtlingen auszulagern. 40 bis 50 % der Personalausgaben, so rechnen wissenschaftliche VertreterInnen der Sicherheitsbranche vor, ließen sich mit einem Outsourcing einsparen.

Kötter Security

Kötter Security ist eine Sicherheitsfirma, die im Auftrag von staatlichen und privaten Unternehmen arbeitet. Beispielsweise in Köln ist sie für die Sicherheitsgewährung im Flughafen Köln/Bonn zuständig. In der JVA Büren stellt Kötter Security 50% des Überwachungspersonals und übernimmt die Aufgaben der Schließer, die Türen innerhalb und die Knasteingangstore für die Häftlinge zu öffnen und zu schließen. Da Kötter Security auch MigrantInnen einstellt, kommt es zu der Situation, dass in Büren MigrantInnen für 8,00 € die Stunde bewachen, während die Gefangenen für 2,00 € Stundenlohn arbeiten. Von den 2,00 € wird allerdings fast die Hälfte einbehalten, um die „entstandenen Kosten“ der Inhaftierung und Abschiebung zu finanzieren. Auf einer Security Messe empfahl sich Kötter Security damit, dass sie bereits die Infrastruktur besäßen, um Knäste komplett in privater Regie zu übernehmen. Um sich auf diesem Gebiet weiter zu profilieren, gründete Kötter Security eigens einen so genannten Sicherheitsbeirat, in dem so illustre Persönlichkeiten wie General a.D. Ulrich Wegener, Gründer der GSG9, Dr. Peter Frisch, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Hubertus Grützner, ehemaliger Bundesvorsitzender des Bundesgrenzschutzverbandes sitzen.

Der Sicherheitsbeirat soll sich bei der Politik dafür einsetzten, weitere Bereiche der Gefängniswirtschaft zu privatisieren. 2004 wurde in Hünfeld der Grundstein für das bundesweit erste teilweise privat geplante, gebaute und betriebene Gefängnis gelegt.

European Homecare

Neben Kötter Security ist ein weiteres expandierendes privates Unternehmen mit der Versorgung von Insassen in der JVA Büren betraut. Seit dem 1.1.2003 wird die psychosoziale Betreuung der Abschiebehäftlinge in Büren durch die private Firma European Homecare, vormals Kote & Mrosek durchgeführt. Zuvor war dies jahrelang Aufgabe des Deutschen Roten Kreuz (DRK).

Die psychosoziale Betreuung war eingerichtet worden, nachdem Häftlinge mehrmals revoltiert hatten und ist somit als so genannte Befriedungsmaßnahme zu beurteilen. Die Arbeit der hauptamtlichen BetreuerInnen besteht demnach im Wesentlichen aus psychosozialer Beratung, also klassischer Sozialarbeit, zusätzlich werden Freizeitmaßnahmen wie Koch- oder Deutschkurse angeboten. Zur Zeit werden vier Menschen mit je einer halben Stelle beschäftigt, die alle schon für das DRK gearbeitet haben. Nach wie vor ist es den MitarbeiterInnen aber nicht erlaubt, rechtliche Hinweise oder Beratung zu geben sowie Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.

Die Sorgen vieler Häftlinge, wie sie aus dem Abschiebegefängnis herauskommen oder die Suche nach Möglichkeiten einer Verhinderung der Abschiebung bleiben somit unbeantwortet. Es geht in der psychosozialen Betreuung ausschließlich um das subjektive psychische Wohlbefinden der Eingesperrten.

Warum aber wurde die private Dienstleitungsfirma European Homecare mit diese Beratung betraut und nicht mehr das DRK? Ein Unterschied zwischen DRK und European Homecare besteht in der Vergütung. European Homecare hat den Zuschlag für die Betreuung in Büren bekommen, weil sie mit 12,90 € pro Tag und InsassIn deutlich unter dem Angebot des DRK von 17,- € blieb.

European Homecare übernimmt neben der psychosozialen Beratung in Abschiebegefängnissen auch die so genannte „Rückkehrberatung“ in elf deutschen und vier österreichischen Erstaufnahmestellen und Wohnheimen für MigrantInnen. In der „Rückkehrberatung“ geht es laut eigener Aussage von European Homecare auf ihrer Homepage darum, den MigrantInnen Informationen über ihre Lage und eine so genannte „realistische Einschätzung der Perspektiven“ aufzuzeigen. So soll zum Beispiel die berufliche Qualifikation der zu Betreuenden evaluiert und ermittelt werden, um herauszufinden ob sich die jeweilige Ausbildung dazu eignet in der BRD beruflich Fuß zu fassen. Hauptsächlich dient die „Rückkehrberatung“ allerdings dazu die Annahme zu erlangen, dass eine Ausreise für die MigrantInnen die richtige und einzige Alternative darstellt.

Neben der Beratung ist European Homecare auch im Immobiliengeschäft tätig und bietet den Service Immobilien in Asylunterkünfte umzubauen. Weitere Dienstleistungen sind z.B. die „Unterbringung sozialer Randgruppen“, die Verpflegung von Flüchtlingswohnheimen und Ausreisezentren, „Beschaffung von Einrichtungsgegenständen“, „Verwaltungssoftware“, und die allgemeine Projektberatung.

Ein regionales Beispiel für die Arbeit der EHC ist die psychosoziale Betreuung auf dem Transitgelände des Düsseldorfer Flughafens, auf dem MigrantInnen 19 Tage lang festgehalten werden können bis sie einen Asylantrag stellen dürfen oder abgeschoben werden.

Psychoterror als „Beratung“

Die „rückkehrorientierte Beratung“, die den MigrantInnen verdeutlichen soll, dass es für sie keine Bleiberechtsperspektive in Deutschland gibt, ist keine Beratung. Denn eine Beratung ist prinzipiell ergebnisoffen und darauf ausgerichtet, mit den AdressatInnen verschiedene Handlungsalternativen zu erarbeiten. Die so genannte Beratung in Abschiebeknästen und Ausreisezentren hat jedoch nur ein Ziel: die schnellstmögliche Ausreise. Dass sie eher Verhöre sind und psychischen Druck aufbauen sollen, zeigt die Tatsache, dass die VerhörerInnen in polizeilichen Verhörmethoden geschult werden.

Die Privatisierung von Gefängnissen und Abschiebezentren sichert durch die praktizierte „Effizienz“ die Gewinne der Firmen im „Flüchtlingsgeschäft“. Was diese angebliche Effizienz hervorzubringen vermag, zeigte sich bereits im Februar 2002 in der Nähe von London. Dort brach 3 Monate nach der Fertigstellung eines „Immigration Detention Centres“ ein verheerendes Feuer aus, weil an der Sprinkleranlage gespart worden war. Die Feuerwehr durfte erst auf das Gelände, nachdem die Polizei es umstellt hatte, damit keiner der 385 Flüchtlinge davonkommen konnte. Mehrere Menschen wurden verletzt oder verloren ihr gesamtes Hab und Gut. Dass im Folgenden dreizehn Flüchtlinge angeklagt wurden und nicht der private Betreiber des Abschiebegefängnisses, obgleich die Feuerwehr erhebliche Sicherheitsmängel in der Nachuntersuchung feststellte, ist Programm des „effizienten Flüchtlingsgeschäfts“.

Abschaffen!

Neben den Effizienz- und Kostenfragen ergeben sich aus der Privatisierung für Bund und Länder zahlreiche Vorteile daraus, ein privates Unternehmen zu beschäftigen. Ein abhängiges Dienstleistungsunternehmen stellt keine lästigen menschenrechtlichen Fragen oder plädiert gar für die Einhaltung von Mindeststandards. Eine Privatfirma lässt auch sicherlich keine öffentliche Kritik an katastrophalen Zuständen in Gefängnissen und Ausreiselagern verlauten. Darüber hinaus kann die Verantwortung für eskalierende Situationen und Vorfälle abgeschoben und als Versagen der Unternehmen ausgelegt werden. Skandalös genug, dass Flüchtlinge gegängelt werden durch Meldeauflagen, eingesperrt werden dafür, dass sie ein selbst bestimmtes, uneingeschränktes Leben führen wollen und abgeschoben werden in Länder, wo ihnen Folter, Vergewaltigung und Mord drohen. Dass durch die Privatisierung von Gefängnissen mit dem Leid der MigrantInnen auch noch Geld verdient wird, private Firmen an der rassistischen Gesetzgebung mit verdienen und das Leben der gefangenen MigrantInnen bis zu letzt der kapitalistische Verwertungslogik ausgesetzt wird, ist zum Kotzen!

In diesem Sinne:

Solidarität muss praktisch werden!

Aufruf zur Gedenkdemonstration am 9. November 2007

69 Jahre danach…

Im dritten Jahr in Folge ruft ein loses Bündnis von antifaschistisch gesinnten Menschen in Köln zum Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht von 1938 und zum Kampf gegen jeglichen aktuellen Antisemitismus auf. Beginnen werden wir mit einer Gedenk-Kundgebung am Offenbachplatz, dem Ort, an dem einst Kölns größte Synagoge stand, an die heute nur noch eine kleine Gedenktafel erinnert. Daran anschließend werden wir in der St. Apernstraße, bis zum NS ein Zentrum des vielfältigen jüdischen Lebens in Köln, die Unmöglichkeit wagen, uns zumindest ansatzweise eine Vorstellung davon zu machen, wie selbstverständlich jenes jüdische Leben trotz der langen Traditionen des Antijudaismus und des Antisemitismus zu Köln gehörte. Am Bahnhofsvorplatz möchten wir auf die Rolle der Reichsbahn bei der Deportation in die Vernichtungslager des Deutschen Reichs hinweisen. Noch heute weigert sich der Vorstand des Rechtsnachfolgers der Reichsbahn, die Bahn AG, dem Gedenken an 11.000 jüdische Kinder, die von Frankreich aus in Viehwagons in den Tod geschickt wurden, einen angemessenen Raum in den Bahnhöfen zu gewähren. Abschließend werden wir an der Gedenktafel am ehemaligen Aufgang Bahnhof Deutz-Tief den Ort besuchen, von dem aus die Deportationszüge aus Köln in die Ghettos und Vernichtungslager im Osten losfuhren.

Die Reichspogromnacht

Die Reichspogromnacht im November 1938 markiert rückblickend einen entscheidenden Übergang von der sukzessiven Entrechtung und der Verdrängung der jüdischen Bevölkerung aus dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben hin zum offenen staatlich legalisierten und organisierten Terror, zu Deportation, Mord und Vernichtung. Die antisemitisch verfolgten Individuen und Gruppen mussten die Pogrome als Signal dafür werten, dass die bisher zumeist beschrittene Strategie der Unauffälligkeit, der möglichst unsichtbaren Wirtschaftstätigkeit und der bescheidenen Lebensführung einem Antisemitismus, der sich zunehmend als eliminatorisch herauskristallisierte, nicht genügten. Eine Flucht aus Deutschland war für die meisten in der Folge jedoch noch schwieriger, dennoch setzte nach der Reichpogromnacht eine große Flucht- und Auswanderungswelle ein.

Die NSDAP-Propaganda versuchte die Novemberpogrome als „spontane“ Reaktion der Bevölkerung auf den Tod des deutschen Diplomaten Ernst Eduard vom Rath zu inszenieren. Dieser wurde am 7. November 1938 in Paris von einem 17-jährigen Juden namens Herschel Grynszpan niedergeschossen und erlag zwei Tage darauf seinen Verletzungen. Die Familie Grynszpans war kurz vor der Tat mit ca. 18 000 weiteren Juden polnischer Herkunft in der ersten groß angelegten Massendeportation aus Deutschland ausgewiesen worden und musste sich im deutsch-polnischen Grenzgebiet durchschlagen. Ein entscheidendes Tatmotiv Grynszpans war, die internationale Aufmerksamkeit auf die Not der Abgeschobenen zu lenken. Die NSDAP instrumentalisierte die individuelle Tat eines Verzweifelten, um mit ihr eine vermeintliche Bestätigung für den antisemitischen Wahn einer „jüdischen Weltverschwörung“ zu konstruieren.

Die ersten Seiten der auf Linie getrimmten Presse sollten sie als Anschlag des „internationalen Judentums“ auf das Deutsche Reich darstellen. „In eigenen Kommentaren ist darauf hinzuweisen, dass das Attentat des Juden die schwersten Folgen für die Juden in Deutschland haben muss“, forderte ein Schreiben, das Josef Goebbels an die gesamte Presse richtete. Auch wenn der „spontane Volkszorn“ nicht der Ursprung des Pogroms war, erwies sich die deutsche Bevölkerung in der großen Mehrheit als willens, den Terror gegen die jüdischen Nachbarn zu akzeptieren, ihn schweigend hinzunehmen, ihn anzufeuern oder sich gar aktiv daran zu beteiligen. Widerstand gab es nur sehr vereinzelt. Leiser Unmut äußerte sich – wenn überhaupt und das auch nur hinter vorgehaltener Hand – gegenüber der vermeintlich unkontrollierten Entfesselung der Gewalt.

Brandschatzende Horden in den Straßen kratzten am Ordnungsbedürfnis vieler Deutscher. Ihrem autoritären Charakter folgend war es für die Mehrheit der Deutschen ein besserer Weg, die so genannte „Entjudung“ in behördlich organisierten Bahnen durchzuführen. „Wilde Arisierungen“, Plünderungen und der Mob in der Straße vermochten es, dass viele sich um den sozialen Zusammenhalt insgesamt Sorgen machten. Hier fanden die Bedürfnisse der Mehrheitsbevölkerung und das Interesse des NS-Staates zusammen: Das Gewaltmonopol des Staates sollte nicht angetastet werden. Dies sollte der Öffentlichkeit im Anschluss an die Novemberpogrome mitgeteilt werden. So hält der damalige Chef der Sicherheitspolizei, Reinhard Heydrich, in einem Bericht zu den Vorkommnissen der Reichspogromnacht fest: „In zahlreichen Städten haben sich Plünderungen ereignet. Es wurde, um weitere Plünderungen zu vermeiden, in allen Fällen scharf durchgegriffen.“ Es hat zwar vereinzelte Festnahmen im Rahmen der umfangreichen Plünderungen gegeben, diese waren jedoch eher symbolischer Natur. Für alle Handlungen, die trotz der erwünschten antisemitischen Übergriffe als Straftaten gewertet wurden – mit Ausnahme Verge-waltigungen -, erhielten die TäterInnen eine Amnestie. Die Botschaft, die an die Bevölkerung, aber auch an die unterschiedlichen Interessensgruppen innerhalb des NS-Apparates gerichtet wurde, war dennoch eindeutig: Die „Entjudung“ und der damit verbundene Raubzug werden unter die Oberaufsicht des Staates gestellt.

Der Logik folgernd handelte der Staat unmittelbar nach den Pogromen, die „Maßnahmen zur wirksamen legalen Ausschaltung der Juden aus der deutschen Wirtschaft“ wurden weitergeführt. Im Dezember 1938 schreibt Hermann Göring in einer Anordnung, die Übernahme jüdischer Betriebe und sonstiger Vermögenswerte habe auf „streng gesetzlicher Grundlage“ zu erfolgen. Es sind diese „Legalität“, die „Normalität“ und die „Rechtmäßigkeit“, mit der der Antisemitismus als Staatsziel in der Breite umgesetzt wurde, die den Nationalsozialismus und das Verhalten der Deutschen im NS in ihrer Qualität zeichnen. Die schrittweise Entrechtung der Jüdinnen und Juden, den Straßenterror gegen sie, den wirtschaftlichen Boykott und die antisemitische Hetze in der Öffentlichkeit haben alle Bevölkerungsteile in einer Großstadt wie Köln miterlebt. Unzählige haben sich gern und wissentlich an der „Arisierung“ jüdischen Eigentums beteiligt, indem sie sich ganz legal das Eigentum deportierter Jüdinnen und Juden, die sie nicht selten sogar persönlich kannten, bei Versteigerungen zu einem Spottpreis aneigneten. Dass die erworbenen Gegenstände jüdischer Herkunft waren, wurde zumeist auf den Rechnungsunterlagen vermerkt. In der Regel wussten die Neubesitzenden also über die Herkunft ihres so günstig erworbenen Neubesitzes. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass die Gewissheit, dass die ehemals jüdischen Besitzerinnen und Besitzer nicht mehr wiederkehren und Rechenschaft für die durch „Arisierung“ erworbenen Besitztümer verlangen würden, bei den Käuferinnen und Käufern durchaus eine Rolle gespielt haben dürfte. Dementsprechend wurde das Thema Arisierung im postnazistischen Deutschland bislang nie umfassend thematisiert. Es eignet sich kaum, um den sozialpsychologischen Bedürfnissen der Mehrheit zu entsprechen. Diese enthalten die Tendenz, die Fragen nach Schuld und Beteiligung abzugrenzen und auf ein paar wenige Täter und Täterinnen, die als Fanatiker oder psychisch Kranke zum gesellschaftlich Anderen gemacht werden, zu richten.

Die Novemberpogrome von 1938 offenbaren das Ausmaß des organisierten Antisemitismus. Zunächst das Pogrom, die Zerstörung und Plünderung jüdischen Eigentums, der Terror gegen Individuen. Die Opfer werden in der Folge gezwungen, selbst die Schäden unverzüglich zu beseitigen und die Kosten zu tragen. Versicherungsleistungen wurden „zugunsten des Reichs“ beschlagnahmt. Zusätzlich werden von den Jüdinnen und Juden deutscher Staatsangehörigkeit unter Hermann Görings Führung 1,2 Milliarden Reichsmark als eine „Sühneleistung“ erpresst. Da Zehntausende verhaftet und verschleppt wurden, war es den meisten zusätzlich stark erschwert, die eigenen Interessen wahrzunehmen. Die Verhafteten mussten sogar für die Transportkosten im Rahmen ihrer Verhaftung aufkommen. So stellte zum Beispiel die Rhein-Sieg Eisenbahn Aktiengesellschaft den Verhafteten aus dem Großraum Köln je 0,65 Reichsmark in Rechnung und unterzeichnete die Rechnung: „Mit deutschen Gruß!“ Diese Kombination aus wahnhaftem Antisemitismus und zweckrationalen Anteilen, die sich vor allem in den staatlich überwachten räuberischen Exzessen äußerten, die bis in die Vernichtungslager penibel organisiert waren, war für den Nationalsozialismus ein wesentliches Merkmal.

Die Kontinuität und das Neue des Antisemitismus

Auch heute sind Jüdinnen und Juden von Antisemitismus bedroht. Die Hintergründe dafür, aber auch die Art und Weise, wie sich Antisemitismus äußert, sind sehr vielfältig und komplex. Wenn heute also von einem „Neuen Antisemitismus“ gesprochen werden muss, dann ist damit nicht nur ein Wiederaufflammen antisemitischer Einstellungsmuster und Übergriffe gemeint.

Die psychosoziale Betreuung war eingerichtet worden, nachdem Häftlinge mehrmals revoltiert hatten und ist somit als so genannte Befriedungsmaßnahme zu beurteilen. Die Arbeit der hauptamtlichen BetreuerInnen besteht demnach im Wesentlichen aus psychosozialer Beratung, also klassischer Sozialarbeit, zusätzlich werden Freizeitmaßnahmen wie Koch- oder Deutschkurse angeboten. Zur Zeit werden vier Menschen mit je einer halben Stelle beschäftigt, die alle schon für das DRK gearbeitet haben. Nach wie vor ist es den MitarbeiterInnen aber nicht erlaubt, rechtliche Hinweise oder Beratung zu geben sowie Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.

Diese waren ohnehin immer ein Teil der Realität in Deutschland und konnten in der Vergangenheit bestenfalls erfolgreicher (aus der Öffentlichkeit) verdrängt werden. Das Neue am „Neuen Antisemitismus“ besteht auch darin, dass er mit anderen Subjekten und anderen ideologischen Anbindungen verknüpft wird. Antisemitismus findet sich nicht nur bei der (extremen) Rechten oder in rechts dominierten Diskursen.

Als „sekundärer Antisemitismus“ bedient er in breiten Teilen der deutschen Mehrheitsbevölkerung das sozial-psychologische Bedürfnis nach Erinnerungsabwehr und Entlastung von Scham und Schuld, die aus der Shoah rühren und die einer positiven Identifikation mit der deutschen Nation im Weg stehen. Der jüdische Arzt Zwi Rix hat dieses Phänomen treffend auf den Punkt gebracht mit seinem Ausspruch: „Auschwitz werden die Deutschen uns nie verzeihen.“

Als Re-Import aus der islamisch geprägten Welt findet Antisemitismus aber auch Anschluss an hier lebende Migrantinnen und Migranten. Und auch in der Linken lassen sich bei bestimmten personifizierenden Kapitalismus-„Analysen“ und vor allem bei kruden antizionistischen Positionen antisemitische Tendenzen feststellen. Wie immer sich Antisemitismus äußern mag, für die Betroffenen muss er nach Auschwitz als Vernichtungsdrohung aufgefasst werden. Ihnen gilt unsere Solidarität und unsere Unterstützung im Kampf gegen jede Form des Antisemitismus. Ein regionales Beispiel für die Arbeit der EHC ist die psychosoziale Betreuung auf dem Transitgelände des Düsseldorfer Flughafens, auf dem MigrantInnen 19 Tage lang festgehalten werden können bis sie einen Asylantrag stellen dürfen oder abgeschoben werden.

Bündnis zum Gedenken an die Opfer der Progromnacht 1938