Der 13. Februar 1945 ist im Erinnerungsbild des „deutschen Kollektivs“ seit den Fünfzigerjahren zu einem der wichtigsten „Schuld“-Entlastungsdaten geworden. Schon kurz nach Ende des „Zweiten Weltkrieges“ begannen die DresdnerInnen mit einer Legenden- und Mythenbildung rund um das Bombardement vom 13. Februar. Der Dresden-Mythos zeichnet sich besonders dadurch aus, dass alles, was Schuldgefühle für die Verbrechen während der Nazizeit wecken könnte, ausgeblendet wird. Die Ereignisse des 13. Februar werden aus ihrem historischen Kontext gerissen und verlieren so ihre historische Sinnhaftigkeit. Die Bombenangriffe werden im „deutschen Kollektiv“ nur noch als sinnloser „Bombenterror“ oder – wie es die NPD ausdrückt und somit die tatsächliche Tendenz zur Verharmlosung des NS-Regimes offenbart – als „Bombenholocaust“ dargestellt.
A day before yesterday
Dresden war vor und während des NS-Regimes eine Hochburg der NSDAP. Antijudaismus und Antisemitismus schlugen sich schon früh in einen „Radauantisemitismus“ in Sachsen nieder. Zwei Jahre vor der Machtübernahme Hitlers forderte der „sächsische Mussolini“ Martin Mutschmann (sächsischer Gauleiter) schon die Vernichtung der „Juden“ und prophezeite: „Es kommt der Tag der furchtbaren Abrechnung“. Während der NS-Diktatur kam es, wie in ganz Deutschland, auch in Dresden zu Entrechtungen von Jüdinnen und Juden bis hin zur ihrer Deportation. Dass die meisten DresdnerInnen der NS-Inhumanität nichts entgegensetzten, ist belegt. Ebenso belegt ist, dass in Dresden die größte NSDAP-Dichte pro Kopf der Bevölkerung war. Der letzte Transport aus Dresden in die Vernichtungslager sollte am 14. Februar stattfinden, doch dank des Bombenchaos konnten über einhundert Jüdinnen und Juden entkommen.
Dresden war keineswegs nur eine „Kulturstadt, die keinerlei militärische Ziele barg“, sondern war „eines der ersten Industriestandtorte des Reiches“. (Dresdner Jahrbuch 1942) Die Mehrzahl der Betriebe war bis 1944 fast vollständig auf die Rüstungsproduktion umgestellt worden. Dresden war zudem einer der wichtigsten Transportknotenpunkte des NS-Regimes, so war Dresden die Verbindung der Nord-Süd und Ost-West-Achse des Regimes. Dresden war im Jahre 1945 der letzte Rückzugsort des Nationalsozialismus und bot noch eine intakte Kampfbasis der Ostfront..
Lies, lies, lies
Der Dresden-Mythos rankt sich im Wesentlichen um zwei Lügen: Erstens wird das Ausmaß der Zerstörung und die Zahl der Opfer übertrieben, um eine angebliche Singularität des Ereignisses zu suggerieren. Zweitens wird der Angriff als militärisch sinnlos – mithin als ein „Terror gegen die Zivilbevölkerung“ – dargestellt.
Lie number one:
Gerade in den Aufrufen der Neofaschisten wird von Jahr zu Jahr die Zahl der Opfer nach oben „korrigiert“. Wäre das ganze Spektakel ihrer so genannten Traueraufmärsche für Leib und Leben von MigrantInnen und JüdInnen an diesen Tagen in Dresden nicht so hoch, könnte man fast in schallendes Gelächter ausbrechen. Aber auch in der Zivilgesellschaft werden gerne „Opferzahlen“ des Holocaustleugners David Irving bemüht, was als kleine historische Randnotiz übrigens auch die RAF-Aktivistin Ulrike Meinhof 1965 in der Zeitschrift „konkret“ tat. Als gesicherte Zahlen gelten statt der behaupteten 350.000 Toten eher 25.000 bis 35.000 Opfer. Blickt man über Deutschland hinaus so wird die Ungeheuerlichkeit des Dresden-Mythos erst richtig klar. In Dresden kamen 25.000 Tote auf 630.000 EinwohnerInnenn, in Leningrad kamen auf 700.000 Opfer zwei Millionen. Auch beim Vergleich des Anteils von zerstörten Wohnungen nimmt Dresden mit 60 Prozent lediglich Platz 22, hinter Städten wie Düren, Köln oder Bocholt ein.
Lie number two:
Die Einzigartigkeit Dresdens bestand lediglich darin, dass die Stadt erst in den letzten Kriegsmonaten zum Ziel der alliierten Angriffe geworden war. Häufig wird Sir Arthur Harris, der 1942 das Kommando über die britischen Bomberverbände übernommen hatte, im Dredens-Mythos als böser Dämon stilisiert, der den „unschuldigen DresdnerInnen“ das Leid gebracht hätte. Vergessen wird dabei eines, nämlich selbst unter der falschen Annahme, es hätte sich bei den Bombardements nur um das so genannte „moral bombing“ gehandelt, also die psychische Zersetzung des Feindes und seiner Zivilbevölkerung, ist das gewünschte Resultat, eine Abkehr der „Deutschen“ von ihrem „Führer“, nicht eingetreten. In Italien hatte das „moral bombing“ dazu geführt, dass große Teile der Arbeiterschaft im März 1943 offen gegen das faschistische Regime auftraten. In Deutschland und in Dresden blieben „Ehre und Treue“ nicht nur der SS sondern des „einfachen, normalen Deutschen“ für Adolf Hitler.
The tears of the Krauts
Seit Jahren findet vor der Frauenkirche in Dresden am 13. Februar ein Gedenkritual für die „Opfer des Bombardements“ statt. In den letzten Jahren zeichnet sich ein neuer „Rahmen für das Erinnern“ ab. Die früher offen praktizierte Schuldabwehr und Revisionismus, d.h. die explizite Gleichsetzung mit der Shoa und deren damit einhergehende Relativierung ist inzwischen nur noch Sache der Nazis. Zu sehr ist seit der rot-grünen Regierungsperiode die Singularität von Ausschwitz im „bürgerlichen Diskurs“ angekommen. Man präsentiert sich heute als das „erfolgreich geläuterte Deutschland“, das „aus seinen Fehlern gelernt hätte“. Der „modernisierte Dresden-Mythos“ betont gerade die „Erfahrungen der Geschichte“ und leitet daraus für das „neue Deutschland“ eine „Verantwortung und Verpflichtung“ ab, die in der Massen-Bombardierung des ehemaligen Jugoslawien zum ersten Mal seinenAusdruck fand.
Die bundesdeutsche Neonazi-Szene „gedenkt“ den „Opfer“ mit ihren „Trauermärschen“ in offenen Revanchismus, Geschichtsrevisionismus und Antisemitismus. Die von der „Jungen Landmanschaft Ostpreußen (JLO)“ seit Jahren angemeldeten Aufmärsche entwickelten sich in den letzen zehn Jahren zu einem der wichtigsten Neonazievents im Jahresterminkalender. Waren im Jahre 2000 noch 500 Nazis auf dem jährlichen Aufmarsch mit dabei, konnten 2004 schon 2100, 2005 sogar 6000 Neonazis auf dem Aufmarsch gezählt werden. Auch in diesem Jahr werden diverse Antifa- Gruppen versuchen, den Naziaufmarsch am 16. Februar zu verhindern. Weitere Informationen findet Ihr unter:
www.venceremos.antifa.net In diesem Sinne:
For ever we thank you: Allies!