Sa. 9.11 | 12 Uhr | Duisburg-Hamborn Rathaus
Zugtreffpunkt aus Köln: 10:15 Köln-Hbf Vordereingang
Bündnisaufruf | Bundesweiter zum 9.11.2013 Aufruf von „Rassismus tötet!“
Duisburger Zustände aufmischen. Rassismus bekämpfen.
Kurzaufruf des Antifa AK Köln zur antirassistische Demonstration
Für den 9. November 2013 hat die rechtpopulistische Partei „Pro NRW“ gemeinsam mit Duisburger Anwohner_inneninitiativen zwei Kundgebungen in Duisburg angemeldet. Neben Berlin-Hellersdorf und zuletzt dem sächsischen Kaff Schneeberg ist Duisburg seit einiger Zeit zum medialen Hotspot von Protesten von Anwohner_inneninitiativen geworden, bei denen neben „normalen“ Bürger_innen gerne auch mal ein paar organisierte Neonazis mitmischen.
„Pro NRW“ will mit ihren Kundgebungen an die rassistischen Mobs in der letzten Zeit anknüpfen. Diese fügen sich ein in einen aktuellen rassistischen Diskurs, wie er in Medien, Politik und staatlichen Institutionen vorangetrieben wird. Vor dem Hintergrund, der ab 2014 geltenden Arbeitnehmer_innen-Freizügigkeitsregelung (Staatsangehörige der EU können ihren Arbeitsplatz innerhalb derer frei wählen) für Rumänien und Bulgarien zeichnen rechtskonservative Presse und der Deutsche Städtetag das Bild einer „unkontrollierten“ Einwanderung ins sogenannte deutsche „Sozialsystem“. Unter dem Schlagwort „Armutseinwanderung“ wird die stets abrufbare rassistische Projektion eines Einkommens ohne Arbeit bemüht und in antiziganistischer Tradition Roma als spezifische „Problembevölkerung“ denunziert.
Der antiziganistische Diskurs bettet sich dabei wiederum in eine europaweit herrschende ideologische Sehnsucht nach Sicherheit und Anerkennung als Teil eines bevorrechtigten Kollektivs ein. Dieses Verlangen nach naturwüchsiger Souveränität offenbart sich gerade in Zeiten einer offensichtlich unbeherrschbaren und übermächtigen ökonomischen Krisendynamik. Der Erfahrung permanent drohender persönlicher Niederlagen im kapitalistischen Wettbewerb und der, nicht nur in Kleingartensiedlungen und an Stammtischen, grassierenden Angst davor will der Rechtspopulismus mit der Aktualisierung des nationalistischen Versprechens staatlicher Fürsorge begegnen. Der Staat soll sich in dieser Ideologie nur um die Bürger_innen „seiner Nation“ kümmern. Da diese obrigkeitsstaatliche Erwartung in der globalen Standortkonkurrenz aus Perspektive der nationalen Wettbewerbsfähigkeit jedoch nicht mehr als „Vaterlandsliebe“, sondern viel eher als verkappte Vollkaskomentalität erscheint, braucht es die „Anderen“. Da diesen angeblich Arbeitseifer, Pünktlichkeit und ähnliche Eigenschaften abgehen, gelte es, die durch die Krise gefährdeten sozialen Privilegien der nationalen Mehrheitsgesellschaften als archaische Rechte gegen die unerwünschten „Anderen“ abzusichern.
Dabei offenbart insbesondere der Umgang mit Geflüchteten und Roma offen die Heuchelei der deutsch-europäischen Asyl- und Menschenrechtspolitik. Roma werden überall in Europa in Armut gedrängt und stigmatisiert. In vielen Ländern werden sie von Behörden, Polizei und von bewaffneten Bürgerbanden systematisch terrorisiert. Gleichzeitig nutzen die reichen Staaten Kerneuropas jede Gelegenheit, Roma in diese Länder zu deportieren. Sie setzen damit eine jahrhundertelange Geschichte der Ausgrenzung und Verfolgung fort. Gleichzeitig ist die „Festung Europa“ Sinnbild einer globalen Ordnung, die für die Freiheit von Kapital und Waren über Leichen geht. „We are here because you destroy our countries!“ („Wir sind hier weil ihr unsere Länder zerstört!“) – mit diesem Slogan attackieren Initiativen von Geflüchteten überall in Europa den billigen Humanismus eines Kontinents, der sich mit ein paar handverlesenen politisch Verfolgten schmückt, aber mit den von ihm selbst verursachten sozialen und politischen Katastrophen Auswärts nichts zu tun haben will. Postkoloniale Macht- und Ausbeutungsverhältnisse bedrohen Leib und Leben von weitaus mehr Menschen als jede finstere Diktatur. Westlicher Rohstoffhunger und westliche Marktmacht zerstören die Existenz von Millionen. Deshalb ist der Kampf um globale Migrationsfreiheit immer auch ein Kampf gegen die kapitalistische Ordnung, ihre Grenzen, ihre Bullen, ihre Staaten und Fabriken.
Die Rechtspopulist_innen von „Pro NRW“ wollen auf diesem rassistisch-demokratischen Nährboden mit ihrer Kampagne gegen den angeblichen „Asylmissbrauch“ und „Armutseinwanderung“ die bestehende repressive Flüchtlingspolitik und die autoritäre Formierung der Gesellschaft vorantreiben. Nichtsdestotrotz zeigt der „Armutseinwanderungs“-Diskurs, wie sehr Rechtspopulist_innen und die etablierten politischen Kräfte der hiesigen Gesellschaft als gegenseitige Ball-Zuspieler_innen auf einander verwiesen sind. Sowie rassistische Ressentiments in der Bevölkerung den bürgerlichen Parteien als Argumente für ihre Abschottungspolitik dienen, unterstützen die rassistischen Diskurse die Strategie der Rechtspopulist_innen, sich als Alternative zur etablierten Politik zu inszenieren.
Der Skandal ist nicht, dass die Rechtspopulist_innen am 75. Jahrestag der Reichspogromnacht aufmarschieren. Der Skandal ist die Tatsache, dass auch 68 Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschland, tagtäglich die ideologische Eskalation des demokratisch, rassistisch, nationalistischen Normalzustand ins Pogrom drohen kann. Ein konsequenter Antifaschismus speist sich heute aus jener Reflexion des Nationalsozialismus, dass es etwas noch schlimmeres als die bürgerliche Gesellschaft in ihr immer geben kann. Jedoch verdeutlichen die Zusammenhänge, dass der antifaschistische und antirassistische Kampf nicht nur gegen Nazis und Rechtspopulist_innen gerichtet ist. Ebenso wendet sich dieser gegen die angebliche Menschenfreundlichkeit etablierter Politik, die sich in Residenzpflicht, Abschiebung und Lager ausdrückt. Ein konsequenter Antifaschismus speist sich deshalb aus der Erkenntnis, dass die kapitalistisch-bürgerliche Gesellschaft selbst die „sprudelnde Quelle der gesellschaftlichen Irrationalität“ (Adorno) ist und fordert daher ihre Überwindung ein.