Für Deutschland keinen Finger krumm!

Gegen Arbeitswahn, Zwangsarbeit und Elendslohn!

„Diese Gesellschaft: ist insofern obszön, als sie einen erstickenden Überfluss an Waren produziert und schamlos zur Schau stellt, während sie draußen ihre Opfer der Lebenschancen beraubt; obszön, weil sie sich und ihre Mülleimer vollstopft, während sie die kärglichen Nahrungsmittel in den Gebieten ihrer Aggression vergiftet und niederbrennt; obszön in den Worten und dem Lächeln ihrer Politiker und Unterhalter; in ihren Gebeten, ihrer Ignoranz und in der Weisheit ihrer gehüteten Intellektuellen.“
(Marcuse – Versuch über die Befreiung)

Bild, Westerwelle und Sloterdijk haben Eines richtig erkannt: Wer arbeitet, der ist ein „Depp der Nation“. Längst entspricht für einen Teil der proletarisierten Individuen ihr erbärmliches Auskommen genau jenem vom Staat verbrieften Anspruch auf Elendsstatus in der Armutsverwaltung von Hartz IV. Jedoch, der Jammer über den tristen Alltag in der Armut wandelt sich auch in Zeiten globaler Wirtschaftskrisen keineswegs in Argumente gegen die kapitalistische Vergesellschaftung. Der Rotz über die vernichteten bürgerlichen Existenzen verbleibt in „moralischen Empörungen“ und der Sehnsucht nach den „Goldenen Zeiten“ von staatlich umhegter Vollbeschäftigung. Das materielle Auskommen der Lohnabhängigen war nie der Zweck einer Produktion, die sich dem alleinigen Imperativ des Profits verschreibt. Selbst in der verherrlichten fordistischen Phase des Kapitalismus war „gesichertes Auskommen“ nur jenen StaatsbürgerInnen vorbehalten, die nicht zu den Kolonnen des Subproletariats, z.B. „Gastarbeitern“, zählten oder nicht in der Peripherie der kapitalistischen Zentren arbeiteten . Im Kapitalismus ist das Lebensschicksal der ArbeiterInnen für den Profit der Unternehmen zu schuften. Die Lohnzahlungen und somit die bürgerlichen Existenzen waren immer nur gewahrt, insofern sich für die Unternehmen ein Plus in der Bilanz abzeichnete.
Der Kapitalismus produziert notwendigerweise seine Krisen, da sie jener Normalvollzug der Konsolidierung der Märkte sind. „Marktbereinigungen“, egal ob in Krise oder Aufschwung, bedeuteten immer das Aus für die Player auf den Märkten, die der Konkurrenz nicht gewachsen sind. Die neue Massenarmut und Desintegration größerer Teile der Lohnabhängigen aus der bürgerlichen Gesellschaft, finden ihre Ursachen nicht im Mangel an Ressourcen im Lande des Exportweltmeisters, sondern im Überfluss an Waren und Kapital. Der dem Kapitalismus immanente Widerspruch, dass mehr Maschinen und mehr Wissen unter kapitalistischer Regie relativ zu mehr Armut, Krankheit und Konkurrenz führen, bestimmt die Ideologie der Pflege an der vorgestellten Gemeinschaft der Nation. Wo dem Rad der Kapitalakkumulation neuer Schwung verpasst werden soll, muss sich dem berühmt berüchtigten Sachzwang unterworfen werden und immer neue „Notwendigkeiten“ vom Armut, Niedriglohnsektor und staatlicher Zwangsarbeit geraten in die Programme der Gruppen, Parteien und Institutionen, die die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse nicht in Frage stellen wollen. Statt das Hohelied auf Staat, Nation und Lohnarbeit mit zu singen, gilt es den Antagonismus zu Herrschaft und Ausbeutung zu denken und zu praktizieren.

Für den Standort schuften, einfach Wahnsinn!
Die Anrufungen des Staates als vermeintlicher Retter in der Not des kapitalistischen Elends, sind so paradox wie alltäglich. Der Staat, der mittels seiner Gewalt die Bedürftigen von den Gütern ihrer Verlangen trennt, der mit seinem Recht auf Privateigentum (an Produktionsmitteln) die Bedingungen für die kapitalistische Konkurrenz erst setzt, ist gerade die Instanz in den nationalen Anrufungen von Politik und DGB-Gewerkschaften, die das gute Leben gewährleisten soll; obwohl seine Gesellschaftsordnung genau dieses ständig verhindert. Der Staat selbst hängt jedoch wie ein Süchtiger an der Nadel der Kapitalakkumulation seines nationalen Unternehmertums. Durch seine Festlegung, dass alle Waren gegen Geld getauscht werden müssen, muss er selbst seine Ausgaben durch direkte oder indirekte steuerliche Abschöpfungen aus dem kapitalistischen Betrieb decken. So sehr er gewillt ist, das Kapital vor sich selbst zu schützen und durch seine allgemeine Gewalt die Ordnung der Ausbeutung aufrecht zu erhalten, so sehr ist seine eigene Reproduktion an das Funktionieren der kapitalistischen Reproduktion, also letztendlich auf die Profitproduktion, festgelegt. Auf dem Weltmarkt trifft er seinesgleichen und in ihnen die anderen Agenten des Weltmarktes erkennt er seine Aufgabe, den Standort konkurrenzfähig zu halten. Ständig ist der Staat bedacht Anlagemöglichkeiten, Investitionsanreize, Subventionen und derlei für das Kapital bereit zu halten, denn seine Regulationsmöglichkeiten hängen von der gesamtökonomischen Bilanz des Standortes ab: Es geht ihm nicht um Surpluspunkte in der Beliebtheitsskala seiner Bevölkerung, sondern um den Erfolg in der Weltmarktkonkurrenz.
Der Ruf, der Staat möge das „gemeinsame, nationale Schicksal“ zum Besseren wenden, muss notwendigerweise der Konkurrenzfähigkeit im globalen Hauen und Stechen des Weltmarktes Rechnung tragen. Null Prozent Forderungen der IG-Metall sind kein Verrat der Führung, sondern Ergebnis der gewerkschaftlichen Festlegungen auf die national-staatliche Politik, die nichts anderes ist, als die Anpassung an die Sachzwänge des Kapitals. Die Zustimmungen zu Lohnverzicht, Mehrarbeit sowie für die staatsorganisierte Zwangsarbeit der Überflüssigen sind Ausdruck des kapitalistische Leistungswahns, der für die materiellen Sorgen und Nöten der Menschen wenig, aber für den Erfolg der Nation sehr viel übrig hat. Die Hoffnung auf den Retter in der Not wandelt sich in der Krise zum „notwendigen“ persönlichen „Opfer“ für die „nationalen Gemeinschaft“. Solange es „gerecht“ zugeht, also auch Josef Ackermann einen Pfennig für das „nationale Heil“ übrig hat, wird der Kampf um die Reproduktionsbedingungen der Ware Arbeitskraft zu Seiten der Unternehmer hin aufgelöst.

Die Herrschaft der falschen Freiheit!
„Eliane steckt das Handy weg, stützt sich gegen eine Wand und bricht tot zusammen. Herzstillstand. Die Krankenschwester des Unternehmens ist sofort da und versucht, die junge Frau wiederzubeleben. Ohne Erfolg. Auch die später eintreffenden Rettungssanitäter sind machtlos.Die junge Frau war gerade aus dem Büro ihrer Personalleiterin gekommen und hatte ihrem Mann von dem Gespräch erzählt, voller Verzweiflung. Das Gespräch war heftig. Eliane wollte wissen, warum sie den versprochenen Posten nicht bekommen hatte und die Personalleiterin antwortete, ihre Arbeit sei ausgezeichnet – aber nicht genug für eine Beförderung. Sie müsse noch mehr arbeiten. Dabei war sie bereits in Behandlung wegen chronischer Müdigkeit.“ (Burnout, Depression, Karoshi geöhren zum Alltag kapitalistischer Arbeit – Bericht aus Frankfurter Rundschau)

Lohnarbeit bedeutet für die überwiegende Mehrheit der Menschen in der BRD die Quintessenz bürgerlicher Freiheit. Da sie frei von Produktionsmitteln sind, steht zwischen der Befriedigung ihrer Bedürfnisse und den dazu benötigten Güter die Geldschranke, die das gesellschaftliche Verhältnis von Privateigentümern vermittelt. Die Menschen ohne größere Besitztümer genießen die bürgerliche Freiheit, ihre Arbeitskraft als Ware zum Verkauf anzubieten. Durch sie schaffen sie Eigentum für andere und ein tristes Dasein als Mittellose für sich selbst.

Zum Mittel ihrer Konkurrenz richten sich die Unternehmer die Quelle ihres Reichtums -die Arbeit -her. Sie steigern die Produktivität der Arbeit, um über die Lohnstückkosten ihre Produktionspreise zu senken, andere Anbieter zu unterbieten und deren Gewinne für sich einkassieren zu können. Als Maßstab des „technischen Fortschritts“ dient ihr rechnerischer Vergleich zwischen „Arbeit“ und „Kapital“ als austauschbare „Kostenfaktoren“: Der Kapitaleinsatz muss Arbeitskosten sparen; deren kostspielige Minderung sichert den Konkurrenzerfolg. Im Zeichen dieser Rechnung, die die Nicht-Arbeit als Gewinnquelle verbucht, treibt das Kapital die Produktivität der Arbeit in die Höhe, macht seine wirkliche Reichtumsquelle ergiebiger und mindert sie zugleich. Ausgerechnet durch weniger Arbeit soll sich mehr Kapital rentieren. Die Ursache materiellen Mangels ist daher auch nicht die Unverfügbarkeit von Gütern, sondern Arbeitsplatzmangel oder schlechte Bezahlung.
Nicht nur die Unternehmer richten ihre Reichtumsquelle her, auch der bürgerliche Staat richtet seine Bevölkerung zur Lohnarbeit zu. Sowohl Arbeitsmarkt als auch die bürgerliche Reproduktionsordnung werden von Staate zum Zweck des Ausbaus und der Sicherung der Kapitalakkumulation umhegt. Mittels Arbeitsschutz, Tarifautonomie oder Selektion in Schule und Universität setzt der Staat zentrale Verbindlichkeiten, wann wer wie arbeiten darf. Sein Schutz der Familie und der Kinder sichert dem Arbeitsmarkt die nötige Bevölkerung und seine Krankenhäuser sorgen sich um die Wiederverwertbarkeit der Ware Arbeitskraft. Er legt per Staatszwang die Kosten für die Existenz der Reservearmee der Arbeitskräfte sowie der Überflüssigen der Warenproduktion auf die Arbeitenden um. Er nivelliert oder fördert partielles Eigeninteresse im Lande immer unter dem Diktat des national-ökonomischen Gesamtnutzens. Er hält den Laden im Schuss und am Laufen.

„Arbeit soll das Land regieren!“ (CDU, NPD oder DIE.Linke)
In dem Maße wie der Kostenfaktor Arbeit aus den Werkshallen verschwand, so stieg die Anzahl derer, die weder einen Beruf noch einen Job am heiß umkämpften Markt ergattern konnten. Unter dem Stichwort „Neoliberalismus“ verschärfte sich die Zurichtung der Lohnarbeitsverhältnisse und der Staat baute die Reproduktionsordnung sowie den Arbeitsmarkt zum Zwecke der Verbilligung der Ware Arbeitskraft um. Eine Elendsökonomie wurde nach und nach eingerichtet, die zwar für die Arbeitenden kaum oder gar nicht mehr die Existenz zu sichern vermag, aber die Produktivität der Arbeit, dank Verbilligung des Kostenfaktors Arbeit, steigert. Leiharbeit ist eines jener „Instrumente auf dem Arbeitsmarkt“, dessen sich Regierungen von Gelb bis Rot rühmen, um die notwendige „Flexibilität“ in Fragen des Hire and Fire und der Entgeldregelungen zu bedienen. Hartz IV bietet als Abstellgleis von der Warenproduktion den Überflüssigen ein Leben in Saus und Braus zwischen Penny, Lidl und den Zwangsmaßnahmen der Argen. Derweil rechnet das Herrschaftspersonal der BRD und ihre gehüteten Intellektuellen den entrechteten und verächtlich gemachten Wesen Tag auf Tag aufs Neue vor, dass ihre bloße Existenz eine „spätrömische Dekadenz“ sondergleichen sei.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund mischt fleißig bei der Installation und Betreuung der Elendsökonomie mit. Tarifverträge mit der Leiharbeitsbranche und ein Hurra auf Ein-Euro-Jobs zeigen, wohin der Geist der „sozialen Gerechtigkeit“ zu kommen vermag. Beseelt vom Geiste der Gerechtigkeit, hat es der DGB bei der Bewältigung des Widerspruchs, dass ihr Klientel von dem zu leben hat, was ihre Subsumtion unter der kapitalistischen Rentabilitätsrechnung abwirft, denkbar weit gebracht. Sie hat im Ringen mit den Unternehmern ein ausgedehntes und ausgefeiltes System der Lohn- und Leistungsgerechtigkeit mitinstalliert, das auch für die Ärmsten der Armen zumindest noch die „Chancengerechtigkeit“ im Angebot des Elends führt. In jeder Tragödie spielt der DGB seine Rolle emsig mit: Läuft der Laden, darf man sich über eine bescheidene Lohnerhöhung freuen – und muss ansonsten die Klappe halten, weil die Gewerkschaft im Gegenzug den Betriebsfrieden bzw. „sozialen Frieden“ zusichert. Läuft der Laden nicht, dann schwört der DGB sein Klientel auf die unhintergehbaren Sachzwänge ein, die leider Maßhalten, ja Verzicht verlangen.
Und der Chor der Erniedrigten und Entwürdigten stimmt am Fließband der Warenproduktion fleißig mit ein. Verrat an der „Opfergemeinschaft der Nation“ seien jene Mittellosen, die wagten auf den Arbeitsmarkt sich ungenügend feilzubieten. Arbeit als Strafe Gottes – einst christliche Verklärung feudaler Gesellschaftsordnung – gewinnt im Wettlauf auf der Treppe abwärts neue Begeisterung. Ein-Euro Jobs und weitere „Integrationsmaßnahmen“ der ARGEN dienen längst als Strafe an überflüssigen Arbeitskräften zum Zwecke der Abschreckung jener, die noch stramm in Lohn und Brot stehen. Die Armut der Einen wird zum vermeintlichen Beleg des Wohlstands der Anderen. Die Armut erscheint verdoppelt: Zum Einen ist sie wirklich vorhanden und zum Anderen ist sie Gegenstand der Betreuung und Umhegung von NGO´s und dem Staatsapparat. „Armuts-Charity Veranstatlungen“ und Opernbälle für Obdachlose sind zuallererst ideologisches Beischiff für die Vorstellung der „gerechten“ Hackordnung innerhalb der Gesellschaft. Die Almosenfütterungen der überflüssigen Massen, durch ehrenamtliche Einrichtungen wie z.B. der Tafel e.V., tun zudem ihr christliches Beiwerk, dass jener staatsbürgerliche Anspruch auf Existenzminimum zu einer Frage der Abfallkostenbilanzierung von REWE und ALDI wird.

Versuche die Befreiung!
Es ist an der antikapitalistischen Linken Vorschläge zu entwickeln, wie eine sozialrevolutionäre Dynamik von sozialen Kämpfen aussehen könnte. Klar ist, dass die Kämpfe um die Reproduktionsbedingungen der Ware Arbeitskraft in ihren Anliegen und der Form nach meist auf das Schweinesystem gemünzt bleiben. Daher gilt es den staatstragenden Forderungen von DGB oder Linkspartei eine klare Absage zu erteilen. So sehr auch ein, zwei Euro mehr für der/die Einzelne zu befürworten ist, so bleibt die Abschaffung der Lohnarbeit das sozialrevolutionäre Ziel. Statt einen verbalradikalen Antikapitalismus zu predigen, gilt es sich auf die Suche nach Formen kollektiver Widerstandspraxis, Aneignung und Subversion zu machen.
Die fortschreitende Desintegration der Lohnabhängigen führt zu politischen Zurichtungen, die mehr und mehr auf Repression gedrillt sind. Gerade die daraus erwachsenden Konflikte bergen in sich die Möglichkeit, dem ungestörten Funktionieren der ganzen Scheiße hier und dort ein paar Sandkörner ins Getriebe zu pusten. Doch der Weg zur Verweigerung von Zwängen und Kontrollen kann nur über die Einsicht vollbracht werden, dass die Huldigungen von Staat, Nation und Lohnarbeit notwendiger ideologischer Bestandteil des kapitalistischen Betriebs sind. Statt die Leute dort abzuholen, wo sie mit ihren Köpfen doch ständig gegen die Wand laufen, gilt es die wahnsinnigen Züge dieser Gesellschaft, die Ausdruck des Widerspruch zwischen den zur Befreiung verfügbaren Ressourcen und ihrer Verwendung zur Verewigung der Knechtschaft sind, offen zu legen. Wo Revolution nicht auf der Tagesordnung stehen kann, sollte zumindest versucht werden den jetzigen Trott der Verhältnisse, die alltäglichen Routine und deren repressive Konformität zu untergraben. Die Subversion wäre zu denken und zu praktizieren. Subversive Praxis kann niemals für alle Zeit und jeden Ort bestimmt sein. In den konkreten Konflikten in den Argen, im Betrieb oder anderen Kämpfe um die Reproduktionsbedingungen kann sie nur entfaltet werden. So zielt der Versuch die gesellschaftliche Moral aufzulösen auf den Zusammenbruch der Arbeitsdisziplin, das Bummeln, zunehmenden Ungehorsam gegenüber Regeln und Vorschriften, wilde Streiks, Boykotts und Akten der Unbotmäßigkeit.

Mit der antistaatlichen, sozialrevolutionären Kampagne „Kein Finger krumm für Deutschland“ möchten wir zumindest einen Beitrag dazu leisten, dass ein neuer Geist des Ungehorsams wieder in die Köpfe und Kämpfe einzieht. Anlässe und Orte finden sich allemal: Leiharbeitsmessen, der tägliche kleine Kampf an der Arge oder im Betrieb. Dort wo der Kitt von Ideologie und kapitalistischer Vergesellschaftung bröckelt, kann ruhig mal der Vorschlaghammer gezückt werden. Das erste Mai Wochenende bietet zwei Gelegenheiten jenseits von Staatsfrömmigkeit und Arbeitsfetischismus auf die Straße zu gehen. Am 30. April rufen linksradikale Gruppen zu einer Großdemonstration nach Frankfurt am Main auf: „Endlich wird die Arbeit knapp! Kapitalismus abwracken!“. Tags drauf erlebt der Ruhrpott seinen ersten Euromayday, und lädt herzlich dazu ein Formen des Protestes gegen die Prekarisierung der Lebensverhältnisse auf die Straße zu bringen.

Nieder mit der Lohnarbeit! Hoch die soziale Revolution!

Alles muss man sel­ber ma­chen! Für ein Au­to­no­mes Zen­trum statt Po­li­tik, Staat und Po­li­zei!

Auf­ruf: Alles muss man sel­ber ma­chen! Für ein Au­to­no­mes Zen­trum statt Po­li­tik, Staat und Po­li­zei!

Die Be­set­zung frem­den Ei­gen­tums ist – mit wel­chem Ziel auch immer – il­le­gal und nicht hin­nehm­bar. In­so­fern kann sie auch kei­nes­falls ak­zep­tier­te Basis für po­li­ti­sche For­de­run­gen sein! Die Stadt un­ter­stützt dem­zu­fol­ge die Ei­gen­tü­me­rin, die von den Be­set­zern das so­for­ti­ge Ver­las­sen des Ge­bäu­des for­dert und keine Dul­dung zu­las­sen will. Es wird des­halb auch kei­nes­falls städ­ti­sche Un­ter­stüt­zung oder Fi­nanz­hil­fe für ein Pro­jekt in der ehe­ma­li­gen KHD-​Kan­ti­ne geben. Im Üb­ri­gen steht es frei, in Köln kul­tu­rel­le In­itia­ti­ven zu star­ten. Al­ler­dings lässt die ak­tu­el­le Haus­halts­la­ge der Stadt keine För­de­rung neuer Pro­jek­te zu.“ (Jür­gen Ro­ters Ober­bür­ger­meis­ter von Köln)

Die Krise lässt den Ge­gen­satz von Wert und Ge­brauchs­wert noch deut­li­cher her­vor­tre­ten, etwa im Bild des ame­ri­ka­ni­schen Po­li­zis­ten, der durch ein ver­las­se­nes Haus pa­trouil­liert, um si­cher­zu­stel­len, dass seine bank­rot­ten Be­woh­ner tat­säch­lich aus­ge­zo­gen sind und nun unter einer Brü­cke oder in einer der vie­len neuen Zelt­städ­te ihr Da­sein fris­ten. Eine Ge­sell­schaft, in der die be­waff­ne­te Staats­macht dafür sorgt, dass ein Haus sei­nen mensch­li­chen Zweck nicht er­füllt, ist of­fen­kun­dig ver­rückt, und so­bald die Pro­le­ta­ri­sier­ten im Bild die­ses Po­li­zis­ten das Wesen der Ge­sell­schaft er­ken­nen, könn­te die Ge­schich­te eine un­er­war­te­te Wen­dung neh­men.“ (Kos­mo­pro­let Nr. 2)

Der Zeit­punkt der Räu­mung des Au­to­no­men Zen­trums Köln rückt näher. Der Ei­gen­tü­mer des Ob­jek­tes sowie die ho­heit­li­che Re­prä­sen­tanz der Un­ter­drü­ckungs­ord­nung (auch De­mo­kra­tie ge­nannt) in Köln haben Ihr Ur­teil ge­fällt, die „Be­set­ze­rIn­nen“ der Wies­berg­str. 44 sol­len mit­tels Po­li­zei­ge­walt aus dem Ge­bäu­de ge­schleift, ge­schla­gen und ge­tre­ten wer­den. In zwei Mo­na­ten haben ver­schie­de­ne Linke und links­al­ter­na­ti­ve Grup­pen es ge­schafft ein seit Jah­ren von einer win­di­gen Brief­kas­ten­fir­ma der Stadt­spar­kas­se zum Ver­fall frei­ge­ge­be­nes Ge­bäu­de wie­der mit Leben zu fül­len. Zwei In­ter­es­sen­stand­punk­te ste­hen sich damit un­ver­söhn­lich ge­gen­ein­an­der. Beide be­an­spru­chen den Ge­brauchs­wert des Ob­jek­tes für sich. Die einen wol­len das Haus für un­ter­schied­lichs­te Zwe­cke nut­zen. Für sie hat der Ort den Ge­brauchs­wert dort Par­tys zu fei­ern und po­li­ti­sche sowie kul­tu­rel­len Ver­an­stal­tun­gen durch zu füh­ren. Die an­de­re Seite hat eben­falls ganz hand­fes­te ma­te­ri­el­le In­ter­es­sen, als po­ten­zi­el­ler Be­bau­ungs­ort für Im­mo­bi­li­en zu­ge­schnit­ten auf die ge­ho­be­nen „Mit­tel­schicht“, fin­det sich ihr Ge­brauchs­wert als In­dus­trieb­ra­che, die eines Tages ein „gutes Ge­schäft“ wird, also als Tausch­wert fun­gie­ren kann.

Wäre es so schlicht und ein­fach, wäre es ge­wiss eine Freu­de, wenn eines Tages die Damen und Her­ren Spar­kas­sen­di­rek­to­ren vor­bei­kä­men und das Ob­jekt mit ihren Hin­tern für ihre In­ter­es­sen „be­set­zen“ wür­den. Je­doch in der Welt des Pri­vat­ei­gen­tums brau­chen sich die Ei­gen­tü­mer lei­der keine Arschtrit­te ab­ho­len, diese heik­le An­ge­le­gen­heit be­sorgt der Staat für sie. Schließ­lich hat er al­lein durch seine Ge­walt die Frei­heit und Gleich­heit der bür­ger­li­chen Ge­sell­schafts­ord­nung ge­stif­tet. Er ver­pflich­tet die öko­no­mi­sche Kon­kur­renz unter Re­spek­tie­rung des Pri­vat­ei­gen­tums ab­zu­wi­ckeln: jeder wird ge­zwun­gen, die aus­schlie­ßen­de Ver­fü­gung über den Reich­tum der Ge­sell­schaft an­zu­er­ken­nen und zum Prin­zip sei­nes öko­no­mi­schen Han­delns zu ma­chen. Das Pri­vat­ei­gen­tum, die aus­schlie­ßen­de Ver­fü­gung über den Reich­tum der Ge­sell­schaft, von dem an­de­re in ihrer Exis­tenz ab­hän­gig sind, also Ge­brauch ma­chen müs­sen, ist die Grund­la­ge des in­di­vi­du­el­len Nut­zens und damit auch Scha­dens. Ihm ver­dankt sich die mo­der­ne Form der Armut, die sich selbst als Mit­tel frem­den Ei­gen­tums er­hal­ten muss, des­sen Wachs­tum selbst­ver­ständ­lich dem Staat am Her­zen liegt.

Der Staat schreibt sich selbst das Mo­no­pol auf die An­wen­dung von Ge­walt zu, um das Leben sei­ner In­sas­sin­nen und In­sas­sen zu or­ga­ni­sie­ren und den Wa­ren­aus­tausch zu re­geln. Er be­greift sich als die In­stanz, die als ein­zi­ge in die­ser Ge­sell­schaft Ge­walt an­wen­den darf. Im Be­wusst­sein der bür­ger­li­chen De­mo­kra­tie stellt sich Ge­walt so­zu­sa­gen immer als le­gi­tim und/oder not­wen­dig dar, wenn sie vom Staat aus­geht, und immer als falsch und il­le­gi­tim, wenn an­de­re sie für sich in An­spruch neh­men. Die Un­ter­schei­dung zwi­schen le­ga­ler, weil staat­li­cher, und il­le­ga­ler, weil nicht staat­li­cher, Ge­walt ver­weist auf den pri­mär zu kri­ti­sie­ren­den Nor­mal­zu­stand des per­ma­nen­ten Ge­walt­ver­hält­nis­ses im bür­ger­li­chen Staat.​Eigent­lich je­doch ist die De­mo­kra­tie aus Sicht des Staa­tes fried­lich und die An­wen­dung von Ge­walt wird ihm nur durch in­ne­re oder äu­ße­re Fein­de auf­ge­zwun­gen. Ge­walt dient also nach die­sem Ver­ständ­nis le­dig­lich als not­wen­di­ges Mit­tel zur Auf­recht­er­hal­tung der staat­li­chen Ord­nung und damit dem Schutz sei­ner Bür­ge­rin­nen und Bür­ger, ver­kauft wird das dann als Ge­walt­frei­heit.

Das der ehe­ma­li­ge Po­li­zei­prä­si­dent und jet­zi­ge Ober­bür­ger­meis­ter auf die „Stö­ren­frie­de“ im Au­to­no­men Zen­trum we­ni­ger gut für die Damen und Her­ren Ei­gen­tü­mer stets gut zu spre­chen ist, liegt nicht an den Cha­rak­ter­de­fi­zi­ten der Per­son Ro­ters, viel­mehr sind diese Vorr­aus­set­zung für die pflicht­ge­mä­ße Er­fül­lung sei­nen „Amtes“. Der Ruf nach an­de­ren po­li­ti­schen Per­so­nal ist dem­nach so ab­surd, wie der nach einer „bes­se­ren po­li­ti­schen Lö­sung“. Po­li­tik ist ein not­wen­di­ger Be­stand­teil der heu­ti­gen Ge­sell­schafts­for­ma­ti­on. Sie ist selbst ein Aus­druck des bür­ger­li­chen Staa­tes, wel­cher sich wie­der­um nur durch Po­li­tik kon­sti­tu­ie­ren kann. So ist das Wesen von Po­li­tik schon immer die Auf­recht­er­hal­tung der ka­pi­ta­lis­ti­schen Ge­sell­schaft bzw. das Rin­gen um die rich­ti­ge Staats­form und -​ver­wal­tung, egal, wie gut oder schlecht es auch die je­wei­li­gen Per­so­nen mei­nen. Das Par­la­ment oder der Stadt­rat ist nur eine spe­zi­el­le Form der Re­prä­sen­ta­ti­on von Herr­schaft, die mit­tels des Wahl­ak­tes die Il­lu­si­on der Selbst­be­stim­mung der Be­herrsch­ten auf­recht­er­hält. Zur Wahr­neh­mung die­ser Funk­ti­on be­darf es zwar der Prä­senz der tat­säch­li­chen ge­sell­schaft­li­chen Macht im Par­la­ment, nicht aber un­be­dingt der tat­säch­li­chen Macht des Par­la­ments. Der kom­men­de Po­li­zei­ein­satz in Köln-​Kalk ver­deut­licht viel­leicht die Tat­sa­che, dass so­wohl re­ak­tio­nä­re und kon­ser­va­ti­ve als auch so­zi­al­de­mo­kra­ti­sche und links­al­ter­na­ti­ve Po­li­tik nur auf die beste aller mög­li­chen staat­li­chen Ver­wal­tungs­for­men der bür­ger­lich-​ka­pi­ta­lis­ti­schen Wa­ren­pro­duk­ti­on hin­aus­lau­fen kann. Wo die „Haus­halts­lö­cher“ ge­stopft wer­den sol­len, da geht es nicht nur den Ärms­ten der Armen an den Kra­gen, da hat selbst der „rote Ro­ters“ kein Herz für „Be­set­zer“ mehr.

Da Bit­ten und Bet­teln noch nie un­se­re Stär­ke waren, wir die Schutz­män­ner und Frau­en des Ei­gen­tums ver­ach­ten und auf das eke­li­ge und schleim­trie­fen­de Ge­schäft der bür­ger­li­chen Po­li­tik mal so Null Bock haben, rufen wir zur De­mons­tra­ti­on am Sams­tag nach der Räu­mung des Au­to­no­men Zen­trum Kölns auf. Schließ­lich muss man alles sel­ber ma­chen, also den Staat, die Po­li­zei und die Po­li­tik ab­schaf­fen, denn dann steht einem Aqua­ri­um mit Tanz­flä­che ge­wiss nichts mehr im Wege.

De­mons­tra­ti­on am Sams­tag nach der Räu­mung des Au­to­no­men Zen­trum Köln um 15 Uhr auf der Dom­plat­te (di­rekt beim HBF Köln). Im An­schluss an die De­mons­tra­ti­on wer­den ab 18 Uhr in der Köl­ner In­nen­stadt Re­claim the Streets Ak­tio­nen statt­fin­den. (Mehr Infos dazu hier: http://​reclaim.​blogsport.​eu/​)

Für ein Au­to­no­mes Zen­trum! Für die Ab­schaf­fung von Po­li­zei, Staat und Po­li­tik!

Sup­por­ters:

An­ti­fa AK Köln, An­ti­fa Bonn/Rhein-​Sieg, An­ar­chis­ti­sches Forum Köln, AK An­ti­fa Aa­chen, An­ti­fa Wunstorf, Al­ter­na­ti­ve Liste Uni Köln, Banda si­nis­tra Er­lan­gen

Kongress Warm-Up in Bochum

Die Genoss_Innen von der Kommunistischen Gruppe Bochum veranstalten im Vorfeld des zweiten …umsGanze!-Kongresses zwei Veranstaltungen, die euch schon vorm Kongress die Möglichkeit bieten die Waffen der Kritik warm zuschleifen.

„Kleine Einführung in die Kritik der politischen Ökonomie“

“Er ist vernünftig, jeder versteht ihn. Er ist leicht.” schrieb Bertolt Brecht im “Lob des Kommunismus” über eben diesen. An dem Vernünftig besteht sicherlich kein Zweifel, mit dem leicht ist es aber oft so eine Sache. Diese Einführung soll hier Abhilfe schaffen. Grundlegend und verständlich wird ein Überblick über die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie gegeben und unter anderem aufgezeigt, was es denn mit dem Kapital- und Warenfetisch auf sich hat und wie der Mehrwert in das G – W – G’ kommt.“

DI, 16.11.2010 | 19 Uhr | SZ Bochum

Crisis in Greece: Ursachen – Reaktionen – Perspektiven?

Die Weltwirtschaftskrise der letzten Jahre fand ihren brisantesten Ausdruck in der Staatsverschuldungskrise Griechenlands: Sie traf einenwirtschaftlich und gesellschaftlich krisenhaften Staat, führte ihn zumbeinahen Staatsbankrott und zu einem 750 Milliarden schweren “Rettungsschirm” aus der E.U. Der Staat verwandelte sich innerhalb von Wochen in ein Experimentierfeld einer neuen “Schockpolitik”: Unter dem Diktat der E.U. und I.W.F. setzt die griechische Regierung auf einenormes Sparprogramm um die “Ausquetschmaschinerie” der Bevölkerung im Gang zu setzen. Über die reelen Ursachen reden dennoch wenige: Wie hat sich die griechische Wirtschaft seit dem Eintritt in die E.U. entwickeltund was bedeutete der Beitritt in die Eurozone? Warum traf die Krisegrade Griechenland?

Die staatlichen Krisenmaßnahmen blieben nicht unbeantwortet. DieKrisenproteste gegen die Sparmaßnahmen der Regierung entwickelten sich im letzten Frühjahr kurzzeitig zu einer Massenbewegung. Die von den sozialdemokratisch Gewerkschaften beeinfußten Streikdemos und diezahlreichen kreativen Aktionen von Lohnabhängigen erreichten die größte Mobilisierung seit dem Ende der Militärdidaktur und eröffneten europaweit Perspektiven und Diskussionen über einen möglichen heißen Herbst. Welche Perspektiven ergaben und ergeben sich in den Auseinandersetzungen mit der Vermittlung und Legitimierung derKrisenmaßnahmen. Ist der erwartete heiße Herbst eingetroffen? Washindert einen staatskritischen Protest? Und was sollte vielleicht für uns hier in der BRD effektive Solidarität heißen?

Mike Morrelli vom Antifa AK Köln geht erstmal auf die Ursachen und die Entwicklung der Staatsverschuldungskrise Griechenlands ein. Dabei wird die spezielle Lage der griechischen Wirtschaft und Gesellschaft erklärt. Dann zeichnet er die Reaktionen gegen den Sozialabbau und den Aufbruchantiautoritärer Aktionsformen in Griechenland nach und kritisiert die staatsaffirmativen und nationalistischen Positionen in der griechischenund deutschen Linken. Daraus ergibt sich eine aktuelle Einschätzung der Lage im “Krisenland” und welche mögliche Folgen und Perspektiven sichergeben.

DO, 25.11.2010 | 19 Uhr | SZ Bochum

Gute Arbeit! Das …ums Ganze!-Bündnis gratuliert zur Krise


Die Öffentlichkeit blickt mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination auf die Entwick­lung der Konjunkturdaten. Fachthemen von »Börsianern« und anderen Wirtschaftsmeteo­rologen wie Aktieni­ndizes, Staatsschuldenstände und Kreditrisiken berauschen das Publi­kum. Wenn selbst in Euro­pa Banken pleite gehen und Staaten zahlungsunfähig werden – und nicht nur in »Schwarzafri­ka« oder wo sonst der Pfeffer wächst –, dann verbreiten sich sogar hierzulande Zweifel an der »Nach­haltigkeit« der herrschenden Gesellschaftsord­nung.
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Gute Arbeit! Das umsGanze!-Bündnis gratuliert zur Krise

Die Öffentlichkeit blickt mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination auf die Entwicklung der Konjunkturdaten. Fachthemen von »Börsianern« und anderen Wirtschaftsmeteorologen wie Aktienindizes, Staatsschuldenstände und Kreditrisiken berauschen das Publikum. Wenn selbst in Europa Banken pleite gehen und Staaten zahlungsunfähig werden – und nicht nur in »Schwarzafrika« oder wo sonst der Pfeffer wächst –, dann verbreiten sich sogar hierzulande Zweifel an der »Nachhaltigkeit« der herrschenden Gesellschaftsordnung. Doch auch in weniger krisenhaften Zeiten ist der Kapitalismus Quell beständiger Unsicherheit, Armut und Erpressung. Die derzeitige Krise ist kein bloßer Betriebsunfall, sondern Resultat der allgemeinen Prinzipien kapitalistischer Verwertung. Die Tendenz zu übergreifenden ökonomischen Krisen ist im Kapitalismus selbst angelegt. Eine über anonyme Märkte vermittelte und gerade deshalb gnadenlose Konkurrenz zwingt das Kapital immer wieder zu riskanten, in der Regel kreditfinanzierten Investitionen, die sich im Nachhinein als unrentabel erweisen können. Das gilt für einzelne Kapitale, und um ein vielfaches verstärkt auch für ganze Branchen und Volkswirtschaften. Staat, Kapital und Lohnarbeit sind die grundlegenden Formen dieses Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisses. Es wird tagtäglich von Menschenhand reproduziert, und kann deshalb auch von Menschenhand überwunden werden. Im Interesse einer nüchternen Lagebeurteilung rekapitulieren wir die gegenwärtigen Glanzleistungen der kapitalistischen Ordnung.

Immobilien und Obdachlosigkeit

Die akute globale Finanzkrise begann 2007 mit dem massenhaften Preisverfall amerikanischer Immobilien, die zuvor als sichere, weil »wertgedeckte« Investitionen angesehen wurden. Dadurch verloren zugleich die Hypothekenkredite, mit denen diese Immobilien finanziert worden waren, ihren sichernden »Gegenwert«. Kreditzinsen stiegen, und immer mehr Schuldner konnten ihre monatlichen Raten nicht mehr bezahlen. Die eingeleiteten Zwangsverkäufe führten Hunderttausende in die Obdachlosigkeit, während der fallende Marktwert ihrer Häuser nicht mehr ausreichte, um die aufgenommenen Schulden zu begleichen. Der Logik des Kapitalismus folgend, warten diese Häuser nun unbewohnt auf steigende Immobilienpreise, während ihre ehemaligen Eigentümer ihr Dasein in Zeltstädten fristen dürfen. Das umsGanze!-Bündnis gratuliert zur tollen Leistung des Privateigentums, nützliche Häuser vor wohnraumbedürftigen Menschen zu bewahren. Sauber!

Weltwirtschaftskrise und Systemrelevanz

Die amerikanische Immobilienkrise entwickelte sich zur Weltwirtschaftskrise, weil die Hypothekenbanken ihre – nun ausfallgefährdeten – Immobilien-Schuldtitel zu Wertpapieren gebündelt, und als vermeintlich sichere und renditeträchtige Anlageform an Banken in aller Welt verkauft hatten. Als klar wurde, dass es um die Zahlungsfähigkeit von Millionen Hypothekenschuldnern nicht zum besten steht, versuchten diese Banken, ihre plötzlich ebenfalls ausfallgefährdeten Wertpapiere umgehend abzustoßen, wodurch deren Kurse verfielen. Banken, die ihre Gewinnerwartungen maßgeblich auf diesen Wertpapierhandel gegründet hatten oder direkt an der Immobilienfinanzierung beteiligt waren, drohte damit ebenfalls die Zahlungsunfähigkeit. Der Kreditmarkt schrumpfte schlagartig. Im September 2008 begann mit der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers das große Bankensterben, weit über 100 Banken folgten alleine in den Vereinigten Staaten. Doch nicht alle insolventen Banken und Immobilienfinanzierer gingen bankrott. Die amerikanische Regierung handelte nach dem Prinzip »too big to fail«, und rettete 2008 Bear Sterns, Freddy Mac und Fanny Mae. Die Bundesregierung erkannte ebenfalls die »Systemrelevanz« der deutschen Hypo Real Estate, und verstaatlichte sie im Oktober 2009. Systemrelevant sind Banken, weil sie die Vergabe von Krediten organisieren, und so den kapitalistischen Unternehmen die Möglichkeit verschaffen, ihre Produktion schneller auszuweiten, als laufende Gewinne oder gar Verluste dies sonst zuließen. Eine tolle Leistung des Kapitalismus, die Produktion nützlicher Güter nur dann in Gang zu setzen, wenn das Kapital ausreichenden Profit erwartet, und nicht für die schnöden Bedürfnisse simpler Menschen!

Abwrackprämie und Freiheit

Um zu verhindern, dass dem Bankensterben eine Unternehmensster​ben folgt, verabschiedete man sich von den Glaubenssätzen liberaler Wirtschaftspolitik. Statt weiter auf die »Selbstheilungskräfte des Marktes« zu vertrauen, wurde mittels »Abwrackprämie« und anderer Konjunkturprogramme der Umsatz nationaler Schlüsselindustrien gestützt. Klamme deutsche Unternehmen bekamen im Zweifelsfall unbegrenzt staatliche Bürgschaften und Kredite zugebilligt. Zur Finanzierung dieser Maßnahmen bedurfte es der Erhöhung der Staatsschulden. Zur Beruhigung der Finanzmärkte wurde gleichzeitig ein hartes »Sparpaket« aufgelegt. Die Freiheit des Politischen erschöpfte sich also einmal mehr im Dienst am Standort. Das umsGanze!-Bündnis gratuliert zur pragmatischen Einsicht, dass das wirtschaftspolitische Geschwätz von gestern dabei niemanden mehr interessieren muss.

Wachstum und Gier

Während Regierungen zur Rettung nationaler Geschäftsbanken und Konzerne über Nacht Milliardensummen aufbrachten, suchte die Öffentlichkeit nach Schuldigen für die Misere. Die Bundeskanzlerin sah »Gier, verantwortungslose Spekulation und Missmanagement im Finanzsektor«. Die zuvor als Leistungsträger hofierten »tüchtigen« und »risikofreudigen« Manager galten schlagartig als maß- und heimatlose Zocker. Während sich die schwarz-rote Bundesregierung vor der Krise noch das Ziel gesetzt hatte, »überflüssige Regulierung abzubauen«, fordert nun ausgerechnet schwarz-gelb mehr »Regulation auf den Finanzmärkten, also die Regulierung der Finanzmarktprodukte und auch der Institutionen« (Merkel 2010). Es ist eine ideologische Großleistung, einerseits größtmögliches kapitalistisches Wachstum zu fordern, die dafür notwendige Skrupellosigkeit aber zu verurteilten. Das umsGanze!-Bündnis gratuliert der politischen Führung für diese Lektion in bürgerlicher Moral.

Sirtaki und Standort

Nicht alle Staaten stemmen die Krisenlasten wie Deutschland auf der Basis, Exportweltmeister zu sein. Griechenland etwa bekam nach seinem Eintritt in die Währungsunion im Jahr 2001 zu spüren, dass sein nationales Kapital mit der europäischen Konkurrenz nicht mithalten konnte. Die mittelständisch geprägte griechische Industrie verlor im verschärften Wettbewerb, so dass Griechenland immer mehr zum Absatzmarkt ausländischer Kapitale verkam. Der folgende, massive Anstieg des Haushaltsdefizits wurde jahrelang durch einfallsreiche Bilanzierungstricks kaschiert. Lediglich als »Finanzplatz« konnte Griechenland seine Einnahmen erhöhen, dank der neuen, vergleichsweise stabilen Euro-Währung. Doch aufgrund massiv einbrechender Staatseinnahmen im Zuge der aktuellen Krise kamen zunehmend Zweifel an der tatsächlichen Zahlungsfähigkeit Griechenlands auf. Das erschütterte vor allem die Nachfrage nach griechischer Staatsanleihen auf den internationalen Finanzmärkten, durch die dieser Staat sein Haushaltsdefizit ausgleichen und alte Staatsschulden refinanzieren musste. Aus Furcht, ein griechischer Staatsbankrott könne die europäische Währung und damit den Bestand der europäischen Freihandelszone gefährden, halfen EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) mit Krediten und Bürgschaften aus. In der deutschen Öffentlichkeit wurde dieses milliardenschwere »Hilfspaket« als ungerechte Unterstützung fauler Bilanzbetrüger wahrgenommen, die Ouzo und Sirtaki lieber mögen als ehrliche Arbeit. Auf jeden Fall eine Spitzenleistung kapitalistischer Konkurrenz, dass die steigende Produktivität eines Landes andere Länder und Regionen in die Armut stürzen kann. Wenigstens im Prinzip können so aber auch entwickelte Staaten wieder in ökonomisches Niemandsland verwandelt werden. Herzlichen Glückwunsch dazu!

Arbeit und Ausbeutung

Nach verbreiteter Meinung kommt im Kapitalismus zu Wohlstand, wer im Schweiße seines Angesichts schaffen geht. Tatsächlich aber liegt die Quelle von Reichtum in dieser Gesellschaft in der Ausbeutung fremder Arbeitskraft für den eigenen privaten Vorteil. Kurz: Reich kann nur werden, wer andere für sich arbeiten lässt. Solche Lohnarbeit wird nur dann in Gang gesetzt, wenn sie sich fürs Kapital absehbar lohnt, d.h. wenn ihr Produkt mehr wert ist, als für dessen Herstellung an Lohn und Grundkosten aufgewendet werden muss. Ausbeutung ist im Kapitalismus also gerade kein Betrug an Lohnabhängigen, sondern Folge der derzeit herrschenden Ordnung gesellschaftlicher Arbeit. Auch hier wieder Hut ab! Produziert wird nicht nach den Bedürfnissen aller, sondern für den Profit weniger. Ansonsten bleiben die in dieser Gesellschaft Lohnabhängigen von Arbeit und Lohn getrennt, und damit von ihrem Lebensunterhalt.

Verwertungszwang und falsche Gegensätze

Der Zwang zur Verwertung, das »Geld verdienen des Geldes wegen« und das primäre staatliche Wirtschaftsziel kapitalistischen Wachstums sind die bestimmenden Prinzipien der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung. Wie gesehen, stoßen Staat und Kapital dabei immer wieder an systemische Grenzen. Man sollte sich die Dummheit ersparen, ausgerechnet die dann notwendigen Versuche der Krisenbewältigung für die Krise selbst verantwortlich zu machen. Nicht (Neo-)Liberalismus oder Keynesianismus sind ursächlich für das gegenwärtige Übel, weder ein »zu viel an Markt« noch ein »zu viel an Staat«. Der grundsätzliche Fehler ist, dass im Kapitalismus der Zweck der gesellschaftlichen Produktion die Vermehrung des privaten Profits ist. Grund für die tägliche Misere sind weder »überhöhte Lohnkosten zu Lasten der nationalen Konkurrenzfähigkeit«, noch andererseits eine »zu geringe Kaufkraft der Lohnabhängigen« infolge zu geringer Löhne. Grund ist der Zwang der bürgerlichen Freiheit, das eigene Fortkommen gegen andere erringen zu müssen. Auch dazu herzlichen Glückwunsch!

Falsche Ordnung und das schöne Leben
»Selbstbestimmung«, das abstrakte Ideal der bürgerlichen Gesellschaft, ist nur im Rahmen einer bewussten und unmittelbar gesellschaftlichen Produktion des gesellschaftlichen Reichtums zu verwirklichen. Erst dann nämlich unterläge sie nicht mehr dem Diktat des Privateigentums und seiner staatlichen Ordnungsmacht. Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der Bedürfnisse und Genüsse Einzelner nicht länger in Widerspruch zu Bedürfnissen und Genüssen aller stehen. Das schöne Leben ist nur gegen die herrschende Gesellschaftsordnung zu verwirklichen, gegen den Verwertungszwang des Kapitals und gegen den Staat.

»…ums Ganze!«
Kommunistisches Bündnis
www.umsganze.de