Aktionstag gegen Überwachung

Unsere Idee ist, dass Gruppen und Einzelpersonen an diesem Tag Aktionen in der Stadt gegen alle Formen staatlicher und privatwirtschaftlicher Kontrolle und Überwachung machen. Die Einführung der Fingerabdrücke im Pass ab 1. November 2007 ist dabei nur ein Anlass. Hinzu kommen Maßnahmen wie Vorratsdatenspeicherung bei allen elektronischen Telekommunikationsmitteln, Onlinedurchsuchung von Computern, Einsatz der Bundeswehr zur Überwachung von DemonstrantInnen, RFID-Chips als Überwachungsmittel (z.B. in der Monatsfahrkarte der KVB), Videoüberwachung im öffentlichen und privaten Raum, Aufnahme weiterer biometrischer Daten in Ausweispapiere (Irisscan) vor allem bei MigrantInnen, Einführung der elektronischen „Gesundheitskarte“, DNA-Speicherung, usw..

Der digitalisierte Fingerabdruck
Ab dem 1. November 2007 werden auf dem RFID-Chip, der im Deckel der deutschen Pässe steckt, zwei Fingerabdrücke der PassinhaberInnen gespeichert. Dazu müssen alle, die einen neuen Pass beantragen, neben einem zur biometrischen Erkennung speziell erstellten Passbild auch zwei Fingerabdrücke einscannen lassen. Beide biometrische Erkennungsmerkmale (Gesichtskonturen und Fingerabdrücke) werden auf dem Chip gespeichert und bei Passkontrollen abgerufen. Zum Abgleich muss mensch an Kontrollstellen (z.B. Flughäfen) dann jedesmal wieder Fingerabdrücke und Gesicht durch Scanner ablichten lassen. Diese Prozedur mussten bisher nur Menschen über sich ergehen lassen, die als Verdächtige einer Straftat einer erkennungsdienstlichen Behandlung bei der Polizei ausgesetzt waren. Es ist das erste Mal, dass der Staat über den Pass die Fingerabdrücke fast aller BürgerInnen erfasst. Noch ist es nicht erlaubt, die Fingerabdrücke aller in zentralen Dateien zu speichern, wie es in Deutschland bereits seit längerem bei Menschen geschieht, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Doch die Einführung biometrischer Merkmale bei Personalausweisen ist geplant und folgt ab 2008. Und schon bei den Pässen wurde eine Speicherung in Dateien diskutiert. Die Übermittlung der Passbilder an Ordnungs- und Polizeibehörden wurde gerade erst erleichtert. Als Beispiel der schleichenden Ausweitung von Datenspeicherungen, die der Identifizierung dienen, ist die DNA-Speicherung zu nennen, die zuerst stark begrenzt heute immer häufiger durchgeführt wird und in Großbritannien inzwischen jedeN trifft, der/die nur einer Straftat verdächtigt wird. Die Speicherung der Fingerabdrücke in zentralen Dateien ist nur eine Frage der Zeit. Somit dienen sie dann nicht nur der Verifizierung der Ausweispapiere und der Identifizierung der InhaberInnen, sondern können auch zur Strafverfolgung und Überwachung genutzt werden.

Online-Durchsuchung
Mit der so genannten Online-Durchsuchung soll die Möglichkeit geschaffen werden, ohne Wissen der BesitzerInnen auf private Computer zugreifen zu können. Dies sieht ein Änderungsentwurf des Gesetzes über das Bundeskriminalamt vor, der nach Plänen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble im Herbst dem Bundestag vorgelegt werden soll. Demnach kann die Spitze des BKA zur „Gefahrenabwehr“ einen auf drei Monate befristeten Antrag bei Gericht stellen. Zudem sind auf Antrag Verlängerungen um jeweils drei Monate möglich. Bei „Gefahr im Verzug“ soll die Ausspähung für bis zu drei Tage auch ohne Gerichtsbeschluss möglich sein. Während es auf Bundesebene noch keine Regelung gibt, ist die Online-Duchsuchung in einigen Bundesländern bereits Realität. So trat in Nordrhein-Westfalen zum 1. Januar 2007 das geänderte Verfassungsschutzgesetz in Kraft, das den Zugriff auf private Rechner ermöglicht. Gegen das Gesetz wurden mehrere Verfassungsbeschwerden eingereicht, mit denen sich das Bundesverfassungsgericht am 10. Oktober an einem ersten Verhandlungstermin befassen wird. Die geplante Online-Durchsuchung stellt einen massiven Eingriff in die Privatsphäre dar. Zudem diskutieren mehrere PolitikerInnen bereits jetzt über mögliche weitere Schritte, etwa über die präventive Speicherung von Dateien. Diese sollen dann erst nachträglich von einem Richter oder einer Richterin in die Kategorien „nicht privat“ und „privat“ (und somit nicht weiter zu untersuchen) aufgeteilt werden.

Vorratsdatenspeicherung
Mit der so genannten Vorratsdatenspeicherung sollen ab 1. Januar 2008 TelekommunikationsdienstanbieterInnen zur Speicherung von Verbindungsdaten für die Dauer von sechs Monaten gezwungen werden. Der entsprechende Gesetzesentwurf wurde bereits vom Bundeskabinett beschlossen und soll am 21. September im Bundestag beraten werden. Der Entwurf umfasst beispielsweise die an einem Telefonat beteiligten Nummern, sowie Datum, Dauer und Uhrzeit des Gesprächs. Bei Mobilfunkgesprächen soll zudem der Standort der anrufenden Person und die IMSI-Nummer (International Mobile Subscriber Identity), die jedem Handy eindeutig zugeordnet werden kann, gespeichert werden. Beim Surfen sind die IP-Adresse, der Anschluss, das Datum, die Dauer und die Uhrzeit der Verbindung betroffen. Außerdem sollen bei allen Mails die beteiligten Adressen sowie die Ein- und Ausgangsdaten gesammelt werden. Mit der Vorratsspeicherung werden ohne Verdachtsmomente von allen Personen Unmengen an Daten gespeichert, die für ein halbes Jahr abrufbar sind. Die Nutzung der Daten – etwa bei der Strafverfolgung – ist laut Gesetzentwurf zwar an den so genannten Richtervorbehalt gebunden, die Aushöhlung dieses Systems dürfte jedoch der nächste Schritt auf dem Weg zum Kontroll- und Überwachungsstaat sein, der alle Menschen unter Generalverdacht stellt. Dies zeigt unter anderem das Beispiel USA. Hier hat der Kongress Anfang August die Überwachung von Telefongesprächen teilweise von diesem Vorbehalt gelöst.

Kontroll- und Überwachungsgesellschaft
Der freie Bürger und die freie Bürgerin, die in der bürgerlichen Demokratie die Politik kontrollieren, sind eine Legende. Noch 1983 hat eine Kampagne gegen die Volkszählung zu einem Verfassungsgerichtsurteil geführt, das dem Datenschutz Verfassungsrang zusprach und jedem/jeder das Recht gab, grundsätzlich selbst über die eigenen Daten zu bestimmen. Heute leben wir in einer Welt, in der kein Schritt vor die Haustür gemacht oder elektronisch kommuniziert werden kann, ohne dass dies aufgezeichnet wird. Alle Menschen sind potenzielle StraftäterInnen und generell verdächtig. Ständig muss mensch seine Identität nachweisen und das unter Preisgabe der persönlichsten, nämlich seiner biometrischen Daten. Diese Daten sind dazu geeignet, den Anspruch auf Gleichheit aller Menschen zu beseitigen und eine lückenlose Überwachung durchzuführen. Mit Freiheit hat das nichts mehr zu tun. Die Gesamtheit der Datenerfassung aus sicherheits-, gesundheits-, steuer- und sozialpolitischen Bereichen zerstört jede Form von Demokratie, deren Grundprinzip, wenn nicht die Abschaffung von Herrschaft, dann doch wenigstens die Kontrolle des Staates durch die BürgerInnen sein muss. Realität ist die rasende Entwicklung zur totalen Überwachung und Kontrolle des/der Einzelnen und von gesellschaftlichen Gruppen. Angetrieben und beschleunigt wird dieses noch dadurch, dass die Entwicklung und Vermarktung von Überwachungs- und Kontrollmitteln ein Wirtschaftsfaktor ist, der riesige Wachstums- und Gewinnraten verspricht, nicht zuletzt, weil diese Produkte auch zur Rationalisierung der Arbeitswelt eingesetzt werden können. In diesen Monaten werden wir geradezu bombardiert von einer Fülle neuer Überwachungskompetenzen für den Staat. Die drei oben dargestellten Beispiele sind neben der Einführung einer zentralen Steuerdatei, in der alle BürgerInnen durchnummeriert werden, wohl die offensichtlichsten aktuellen Eingriffe in unsere Freiheit. Mit dem geplanten Aktionstag wollen wir auf den weiteren Freiheitsverlust aufmerksam machen, auch wenn uns bewusst ist, dass wir damit die Gesetze nicht verhindern werden. Das könnte nur eine Systemveränderung, für die es eine revolutionäre Situation geben müsste, die wir momentan nicht erkennen können. Doch Aufklärung kann ein Schritt zum Widerstand sein. Aktionen des zivilen Ungehorsams bis hin zu militantem Vorgehen gegen Überwachung und Kontrolle sind dabei wichtige die theoretische Aufklärung ergänzende Mittel.

kölner gruppe kontrollverlust

Ab 21 Uhr sind dann am 20.10. alle eingeladen, zur 10jährigen Jubiläumsparty des EA-Köln in die LC 36 (Hans-Böckler Platz) zu kommen. Der Eintritt ist frei und der Erlös aus dem Getränkeverkauf sowie alle Spenden gehen in den vom EA verwalteten kölner ProzessSoliFonds, aus dem linke AktivistInnen bei staatlicher Repression finanziell unterstützt werden können und der seit Jahren eine Ergänzung zur Roten Hilfe darstellt. Es legen drei DJs aus der kölner Linken Musik auf, während wir dann über die Aktionen, die den Tag über gelaufen sind, bei den üblichen LC-Getränken plaudern können.