Die 18. Brumaire des Napoleon Bonarparte oder: Schwarz-Rot-Gold: Aufstand der Gartenzwerge

„Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“ Dies schrieb einst Karl Marx in seiner Schrift „Die 18. Brumaire des Louis Bonaparte“, bei der er den Verlauf des von Louis Bonaparte a.k.a. Napoleon III. angeführten Staatsstreich 1851 in Frankreich analysiert. Um auf das Eingangszitat zurückzukommen: Bei „pro Köln“ handelt es sich keineswegs um eine weltgeschichtliche Vereinigung. Und auch ihr dritter Anlauf in Köln, eine große Anti-Islam-Manifestation zu begehen, ist nicht als historisches Ereignis zu begreifen. Umso mehr nehmen die Versuche der „selbsternannten Bürgerbewegung“ aus der fortschreitenden autoritären Formierung der Gesellschaft die verschiedensten Formen der Lächerlichkeit an. Die Rechtspopulist*innen am Rhein wollen mit ihren europäischen Kompagnons aus Österreich, Frankreich und Belgien mit dem „Marsch der Freiheit“ (am 7. Mai) gerade für jene falsche Freiheit eintreten, die längst verwirklicht ist.

Wie die autoritäre Herrschaft des Louis Bonaparte nur das Produkt der Entwicklung der Revolution von 1848 sein konnte, so sind die Rechtspopulist*innen eben nicht das Gegenteil der „europäischen Demokratie“, sondern der radikalste Ausdruck eben dieser. Als Vorkämpfer*innen „gegen die Blockwarte der Political Correctness“ generieren sich pro Köln & friends wie gewohnt als von der Öffentlichkeit verprellte Tabubrecher*innen. Ob Sarrazin oder pro Köln – das, was sie fordern, die Missstände, die sie entdeckt haben wollen – sie alle sind etablierte Bestandteile der politischen Praxis in der Elendsschmiede BRD. Wo pro Köln eine zu lasche Einwanderungspolitik sieht, dort ist die staatliche Selektion von Migrant*innen in simple Kategorien eingeteilt: für den Standort „nützliches“ und „unnützes“ Menschenmaterial – das ist die Leitlinie europäischer Abschottungspolitik gegenüber den für das Kapital überflüssig Gemachten dieser Welt. Mit dem „Marsch der Freiheit“ wird gegen den „totalitären Ungeist der Linksextremisten“ in Köln – womit wohl nur der Antifa AK gemeint sein kann – zu Felde gezogen. Dabei ist die Extremismus-Weltanschauung längst integraler Bestandteil deutscher Innenpolitik.

Nichtsdestotrotz funktioniert die Arbeitsteilung im Bereich der Ideologieproduktion zwischen pro Köln und den etablierten Demokrat*innen wunderbar. Das Theater von Tabubrecher*innen und aufrechten Gutmenschen klappt selbst als Dauerschleife recht ordentlich. Dabei findet der inszenierte Gegensatz seine Basis darin, dass die „bürgerliche Mitte“ in ihrer Zurichtung und Disziplinierung der Kapitalressource Staatsbürger*in eher auf eine klar definierte Leitkultur für den nationalen Erfolg setzt: Sachzwangideologie, Selbstmanagement und die Nötigung zur Flexibilität. Demgegenüber legen pro Köln und deren best buddies die Latte der autoritären Formierung einfach (relativ gesehen) ein Stückchen höher. Sie versprechen ihrem Gartenzwergvolk den großen Sprung ins Reich der falschen Freiheit mit einer vorptolitischen Anspruchsberechtigung einer noch viel geschlossener definierten „natürlichen Kulturgemeinschaft“. Dieser Rassismus ist bei autoritären Gestalten wie pro Köln nicht verwunderlich. Wo die Identifikation mit dem eigenen Kollektiv zum absolut gesetzten Maßstab der Weltanschauung wird, ist der Kampf gegen Abweichler*innen und „Fremdstämmige“ notwendiger Bestandteil autoritärer Ideologie.

Dabei liegt die Radikalisierung des allgemeinen Prinzips – nach oben buckeln und nach unten treten – den herrschenden Zuständen nun wahrlich auch nicht fern. Die konformistische Rebellion, die pro Köln wieder und wieder als Farce aufführt, setzt immer wieder auf die projektive Verdrehung gesellschaftlicher Verhältnisse, die gang und gebe bei der Meinungspresse ist. Das autoritäre und rassistische Subjekt muss am Zeitschriftenstand nicht lange nach Bestätigung suchen, wenn es lesen will, dass die Ursache für die Niederlagen, Enttäuschungen und narzisstischen Kränkungen nicht in den gesellschaftlichen Umständen, sondern bei den Opfern des Systems zu suchen sind. Ein derartig rassistisches Weltbild sieht die Dinge einfach: „Was soll ich Opfer machen? Überall sind Ausländer und Sozialschmarotzer am schaffen!“

Solche rassistischen und sozialchauvinistischen Projektionsleistungen vermögen Gartenzwerge verschiedenster Couleur zu vollbringen – ob ordentliche Demokrat*innen á la Sarrazin mit ihrem Palaver von Naturalisierung sowie Kulturalisierung sozialer Verhältnisse oder die Neonazis in ihrem Antisemitismus.

Aber ob Demokrat*in oder Rechtspopulist*in – beide tanzen rund um ihr goldenes Kalb einer nationalen Leistungsgemeinschaft, deren Zwängen sich ein jede*r zu opfern hat. Ist doch „normal“. Jedoch stehen zwischen den gesellschaftlich hervorgebrachten Zwängen sowie Nöten, den autoritären Formierungen und der Ideologie der Subjekte, soziale Gefüge und politische Kämpfe. Der Auftrieb der Rechtspopulist*innen in der Nachfolge der Krise ist keine Zwangsläufigkeit, auch wenn der weitere Weg der autoritären Formierung der Gesellschaft scheinbar nur weiter soziale Verschärfungen zu kennen scheint. Selbst wenn dem Kapitalismus inzwischen jedes Glücksversprechen abhanden gekommen ist und die Tage der Idee von der bürgerlichen Gleichheit abgelaufen sind; auf eine Notwendigkeit gegen rassistisches Denken und Handeln deutet dies nicht zwingend hin. Autoritarismus und Rassismus ist den Menschen nicht qua Geburt in die Wiege gelegt, sie sind als ein Resultat einer Subjektkonstitution in der falschen Freiheit zu begreifen.

Das heißt: die unheimlich autoritäre Restauration in der BRD ist eben nicht als notwendige Konsequenz der spätbürgerlichen Demokratie hinzunehmen. Es gilt nicht nur den Rassist*innen und Rechtspopulist*innen den Kampf anzusagen, sondern auch dort Partei zu ergreifen, wo wie einst unter Louis Bonaparte die Aufhebung der Demokratie als Sicherung ihres Fortbestandes vorangetrieben wird.

Dass diese Partei nur der Kommunismus sein kann, ist dabei so selbstverständlich wie notwendig.
Und dass diese deutsche Normalität nichts weiter als ein Potpourri aus Scheisse darstellt, auch.