Spontandemonstration: Gegen Naziterror und Rechtsruck!

Donnerstag, 20.06 // 18 Uhr // Rudolfplatz

Sagt Freund*innen bescheid: Facebook Veranstaltung

Der Mord an Walter Lübcke

Nach dem Mord an Walter Lübcke hat sich nun bestätigt, was schon längst vermutet wurde: Es war ein Nazi. Und es war auch nicht irgendein Nazi, sondern der altbekannte und vorbestrafte Stephan Ernst, der 1993 bereits einen Bombenanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Hohenstein-Steckenroth verübte. Ein Jahr zuvor fügte er einem Mann mit einem Messer lebensgefährliche Verletzungen zu und wurde dafür später wegen versuchten Totschlags verurteilt. Zahlreiche weitere Verurteilungen folgten.

Bis jetzt läuft alles so, wie wir es schon vom NSU kennen: Wochenlange Ermittlungen im privaten Umfeld. Das ZDF-Morgenmagazin berichtet, es gäbe zwar Beziehungen in die „rechtsextreme Szene“, aber das Motiv sei weiter unklar. Wir wären verwundert, wenn Behörden und Medien Stephan Ernst jetzt nicht als verwirrten Einzeltäter darstellen würden.

Stephan Ernst aber wird dem verbotenen, seit 2017 wieder aktiven rechtsterroristischen Netzwerk Combat 18 zugerechnet. „Combat 18“ (C 18) folgt wie der NSU dem Prinzip des führerlosen Widerstands. Sie veröffentlichen Anleitungen zum Bombenbau und legen Todeslisten von politischen Gegnern an. Zudem fand im Herbst 2017 eine Schießübung in Tschechien statt unter Beteiligung von nordhessischen Neonazis mit Combat18 Bezug.

Und seine Nazifreunde feiern ihn. Der Braunschweiger Neonazi Timo Büllesbach zum Beispiel richtet auf Instagram „Grüße an den Bruder in Haft“ aus und kündigt an, der Tag sei nicht mehr fern, an dem „all´ die hohen Herrn gehangen an die Latern´“. Damit stimmt Büllesbach ein in den Tenor des tobenden Nazimobs in den sozialen Netzwerken, die das Mordopfer Lübcke verhöhnen und seine Hinrichtung feiern.

Die Erkenntnisse sind nicht neu: Nazis morden. Der NSU war nicht zu dritt! Die Naziterrornetzwerke bestehen fort. Und ohne deren Zerschlagung wird es kein Ende des Terrors geben.

Eine fortlaufende Geschichte

Als Halit Yozgat 2006 in seinem Internet-Café hingerichtet wurde, war der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes Andreas Temme live dabei. Natürlich will er nichts gesehen und gehört haben. Anstatt aufzuklären, welche Rolle Temme im NSU wirklich gespielt hat und was er in dem Internet-Café wollte, wurde Temme in die Behörde des jetzt ermordeten Walter Lübcke versetzt. Warum es keine Aufklärung gibt? Weil eine Krähe der anderen kein Auge aushackt: Die NSU-Nebenanklageanwältin Seda Başay-Yıldız und ihre Angehörigen haben Morddrohungen erhalten, die mit NSU 2.0 unterschrieben wurden. Am Tag, nachdem die rechtsextremen Umtriebe innerhalb der hessischen Polizei im Innenausschuss des Landtags auf der Agenda standen, bekam Seda Basay-Yildiz wieder ein Fax. Abermals war es unterschrieben mit „NSU 2.0“. Davor stand „Heil Hitler“. Wieder wurde ihre zwei Jahre alte Tochter erwähnt, zudem nun auch ihre Eltern und ihr Ehemann samt Drohungen, was man ihnen am liebsten antun will. Die Anwältin rief die Polizei. Sie hoffte, wie sie sagt, dass es diesmal gelingen würde, den Absender zu identifizieren. So schwer könne das doch nicht sein. Das war am 20. Dezember. Aber bis jetzt ist unklar, wer das Drohschreiben verfasste. Mittlerweile verdichten sich aus Sicht der Ermittler die Anzeichen, dass es aus den Reihen der Polizei geschickt worden sein könnte. Derzeit laufen Ermittlungen gegen ein Nazi-Netzwerk innerhalb der hessischen Polizei. 38 Polizeibeamte sollen mittlerweile unter Verdacht stehen.

Das Nazi-Problem ist massiv. Auch das wissen wir nicht erst seit heute. Als am 9. Juni 2004 eine Nagelbombe auf der Keupstraße detonierte, wurden die Opfer des Nagelbombenanschlags jahrelang zu den Täter*innen gemacht. Der Anschlag wurde rassistisch gewendet, niemand wollte sehen, was wirklich passiert. Der NSU-Prozess ist vorbei, viele Fragen bleiben offen. Dennoch will der Verfassungsschutz in Hessen eine Akte über die Rechtsterroristen bis ins Jahr 2134 unter Verschluss halten.

Das Attentat, das 2015 auf die Oberbürgermeisterin Henriette Reker verübt wurde, stellt eine deutliche Parallele zu dem Mord an Lübcke dar. Bezeichnend war, dass bei der Aufarbeitung des „Falles“ lange der Fokus auf der Darstellung eines verwirrten Einzeltäters lag, ohne die Informationen zu berücksichtigen, dass Frank S. lange in rechtsterroristischen Strukturen aktiv war und das Attentat eine Reaktion auf Rekers moderate Äußerung zur Flüchtlingspolitik.

Erst kürzlich haben Nazis, die sich „Atomwaffendivision Deutschland“ nennen, in Köln-Mülheim Flugblätter mit rassistisch motivierten Gewaltandrohungen gegen Anwohner*innen verteilt. Diese am 03.06.19 aufgetauchten Drohbriefe enthielten gezielt Morddrohungen gegen Muslime. Währenddessen stellt sich die Stadt Köln unter dem Vorwand von Bebauungsplänen gegen ein Mahnmal zum Gedenken an den Nagelbombenanschlag in Köln Mülheim. Die Geschichte neonazistischer Anschläge und Drohungen schreibt sich fort. Der Rassismus? Noch immer der selbe! Der Staat? Mittendrin statt nur dabei!

Ein Mord mit Ansage

Lübcke wurde seit 2015 mit von rechten Hetzern bedroht. PI-News hatte seine Wohnanschrift veröffentlicht. Auch Erika Steinbach twitterte gegen den CDU-Politiker und ließ dem Nazimob, der schon damals zur Ermordung Lübckes in ihren Kommentarspalten aufrief, freie Hand. Die Mordaufrufe sind bis heute auf ihrer FB-Seite zu finden. Der extrem rechte Hetzer Akif Pirincci zitierte Lübcke auf einer Rede bei Pegida in Dresden und bedauerte an der Stelle, dass die KZs derzeit außer Betrieb seien. Die AfD Dithmarschen aus Schleswig-Holsrtein schrieb: „Mord ??? ER wollte nicht mit dem Fallschirm springen.“.
Die Steinbachs, Pirinccis und AfDler bereiten durch ihre Hetze vor, was andere in die Tat umsetzen, das hat der Mord an Lübcke erneut gezeigt.

Was muss noch passieren, bis ihr versteht, dass man mit Rechten nicht kuscheln darf? Erst letztes Wochenende forderte Ex-Bundespräsident Gauck mehr „Toleranz” gegenüber Rechten, der ehemalige VS-Chef Hans-Georg Maaßen machte Werbung für eine Koalition von AfD und CDU.

Was muss eigentlich passieren bis in den etablierten Parteien verstanden wird, dass jede „Toleranz” gegenüber Rechten den Weg bereitet für diesen Terror? Was muss passieren, bis die Verstrickungen von Geheimdiensten, Polizei und Naziterroristen aufgeklärt wird? Bis die Nazinetzwerke zerschlagen werden? Der NSU hat dazu nicht zu geführt. Und auch der Mord an Lübcke wird nicht dazu führen. Zu tief reichen die Verbindungen der Geheimdienste ins Nazimillieu, zu viel steht für die Herrschenden auf dem Spiel. 120 Jahre sollen die Akten zum NSU unter Verschluss bleiben.

Deswegen wird die Forderung nach Aufklärung und Zerschlagung dieser Nazistrukturen zur Aufgabe all derer, die weitere neonazistische Morde verhindern wollen. Es gilt, den rassistischen Hetzern auf der Straße, dem rechten Mob im Internet und allen, die die neonazistische Gewalt in Deutschland verharmlosen, entgegen zu treten. Es gilt den Opfern neonazistischer Gewalt und ihren Angehörigen zuzuhören und sich parteilich an ihre Seite zu stellen. Und es gilt die Erkenntnis, dass man Nazis nicht wegkuscheln kann.

Es handelt sich in keinem Fall um verwirrte Einzeltäter, es ist derselbe Rassismus, der im Rechtsruck ganz offen sein hässliches Gesicht zeigt. Wir rufen alle dazu auf, die den neonazistischen Mord an Walter Lübcke nicht unkommentiert hinnehmen wollen dazu auf, am Donnerstag um 18 Uhr auf die Straße zu gehen! Lasst uns solidarisch mit alle denen sein, die dem tagtäglichen Rassismus und neonazistischer Gewalt und Terror ausgesetzt sind. Unsere Solidarität gegen Naziterror und Rechtsruck!

Donnerstag, 20.06 // 18 Uhr // Rudolfplatz