Open the fucking borders! Evakuieren statt internieren!

Statement des Antifa AK Köln anlässlich des Seebrücke-Aktionstag am 05.04.2020

Versammlungen von Menschenmengen sind zurzeit unverantwortlich, die bundesdeutsche Regierung setzt deswegen auf social distancing und Ausgangssperren – Aufeinandertreffen mit mehr als drei Personen seien aus virologischer Perspektive nicht vertretbar.

Während in Deutschland zu Solidarität und Hände waschen aufgerufen wird, wird die Lage in den griechischen Lagern immer prekärer. Im Camp Moria auf Lesbos leben 20.000 Menschen in einem für 3000 ausgelegtem Camp. Auf drei Quadratmetern schlafen durchschnittlich fünf Personen, eine Toilette muss für 167 Personen reichen, eine Dusche für 250 – 1300 Menschen teilen sich einen Trinkwasserhahn. Es gibt kaum Seife, kein Desinfektionsmittel und unzureichende medizinische Versorgung. Wie soll unter diesen menschenunwürdigen Umständen eine Verbreitung des Virus verhindert werden?
Am Donnerstag wurde die erste Person in Moria positiv auf den neuartigen Coronavirus getestet. Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern wurden die  Bewohner*innen der Camps aufgerufen, alle notwendigen Hygienemaßnahmen zu beachten, um eine Ansteckung zu verhindern. Die meisten internationalen NGOs mussten die Lager verlassen, der Müll wird seit mehreren Tagen nicht mehr abgeholt, auch die griechische Regierung zog ihr Personal (z.B. Security) ab – um es zu schützen. Stattdessen setzt die griechische Regierung auf Maschendrahtzaun um die Menschen im Lager vor rechten Übergriffen zu schützen, die sie sich in diesem Monat häuften.

Hunderte internationale NGOs forderten bereits die Evakuierung der griechischen Lager. Mehr als 140 Kommunen und Länder haben sich bereiterklärt Menschen aufzunehmen. Deutschland und Österreich hingegen setzten kurzerhand die humanitäre Flüchtlingsaufnahme aus und verhängten ein Einreiseverbot für AsylwerberInnen (mit Ausnahme diese könnten einen negativen Corona-Test an der Grenze vorweisen). Als Grund wird die Eindämmung der Pandemie genannt. Seit Anfang März können keine Asylanträge mehr gestellt werden, die entsprechenden Behörden bleiben geschlossen, stattdessen drohen gewaltsame Pushbacks. Derzeit werden in Deutschland alle Hebel in Bewegung gesetzt und mit einer „Luftbrücke“ 100.000 gestrandete deutsche Urlauber*innen mit Flugzeugen zurückgeholt. Den 20.000 Geflüchteten auf den griechischen Inseln, die dort akut vom Tod bedroht sind, allerdings weiterhin die Einreise verweigert. Hier zeigt sich was in Krisenzeiten alles möglich ist, wer das Recht auf Infektionsschutz hat wird mal wieder entlang nationalstaatlicher Grenzen entschieden.

Festung Europa tötet! Grenzen auf – Leben retten!
Nationale Gemeinschaft erscheint plötzlich wieder als die einzig naheliegende, natürliche und plausible. Es gibt einen Rückzug ins Nationale als unideologisch daherkommende Solidaritätserzählung. Diese ist aber eigentlich die der objektiven „Schicksalsgemeinschaft“ des Staatsbürger*innenkollektivs: gut dran ist, wer zufälligerweise eine deutsche Krankenversicherungskarte hat und keine italienische oder spanische. Dass Deutschland nach der letzten Krise 2008 anderen Ländern einen brutalen Sparkurs aufzwang, erweist sich einmal mehr als mörderisch. Denn Staaten wie Italien und Spanien mussten unter dem Druck der deutschen Politik der „schwarzen Null“ ihre Gesundheitssysteme kaputtsparen. Kein Zufall, dass es diese beiden Länder sind, in denen dieser Tage die Menschen zu Tausenden sterben – und nicht etwa in Deutschland. Vom deutschen Krisengewinner 2008 zum Beatmungsweltmeister 2020 ist es nur ein kleiner Schritt. In der jetzigen Situation ist es daher das Wichtigste, den grassierenden Nationalismus der Selbstsorge zu durchbrechen und sich für diejenigen einzusetzen, die weder Pass noch Krankenkassenkarte haben.

Unsere zentrale Forderung ist deswegen:  die humanitäre Katastrophe in allen griechischen Camps muss beendet werden, die Menschen müssen Zugang medizinischer Versorgung bekommen und auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden.

Menschen retten statt Profite
Die Corona Pandemie  hat eine kapitalistische Produktionskrise und zugleich eine Krise der Gesellschaft, genauer: der gesellschaftlichen Reproduktion ausgelöst. Die Wirtschaft wurde dabei nicht durch das Virus als solches in die Krise gestürzt – es ist nur der Auslöser für die immanenten, krisenhaften Tendenzen des Kapitalismus! Aktuelle stehen europoaweit die Produktionsmittel weitestgehend still, hier könnte für eine flächendeckende Versorgung mit medizinischen Hilfsgütern gesorgt werden. Wir fordern deswegen eine radikale  Umstellung der menschenverachtenden kapitalistischen Produktionsweise! Von kapitistisch und profitorientiert hin zur Produktion von überlebenswichtigem medizinischen Material. Dass es keinen Platz gäbe, oder die Evakuierung logistisch nicht stemmbar sei, ist heuchlerisch und falsch! In allen europäischen Metropolen stehen zurzeit riesige Hotelanlagen leer, die ausreichend Kapazität für menschenwürdige Unterbringung mit Wasserversorgung und Rückzugsmöglichkeiten haben. Laut Sea Watch liegen ausreichend Kreuzfahrtschiffe in europäischen Häfen: Kreuzfahrtschiffe sind mobil, bieten Quarantänemöglichkeiten für Tausende und liegen derzeit aufgrund der Covid19 Krise passiv in den Häfen. Wir fordern die EU-Kommission auf, diese ungenutzten Ressourcen unverzüglich einzusetzen, um Lager wie Moria auf den griechischen Inseln zu evakuieren und eine Corona-Katastrophe zu verhindern, bevor es zu spät ist. Kreuzfahrtschiffe könnten für viele Tausend die letzte Chance sein.

Zugang zu ärztlicher Versorgung und medizinischen Hilfsgütern, Corona-Tests an den Grenzen und überall!

Sofortige Evakuierung aller Camps!

Schickt die verdammten Schiffe los!

Menschenwürdige Unterbringung für alle – beispielsweise in leerstehenden Hotels!

Bleiberecht und Asylrecht dürfen auch in Zeiten der Pandemie nicht ausgesetzt werden!