Redebeitrag auf der heutigen Kundgebung wegen #Hanau

In der Keupstraße, dem Ort des NSU-Nagelbombenanschlags und des “Anschlags nach dem Anschlag”, also der systematischen Täter-Opfer-Umkehr durch Staat und Öffentlichkeit, haben sich heute über 500 Menschen spontan versammelt um den Opfern des des Naziterrors von Hanau zu gedenken, sowie ein kämpferisches Zeichen gegen die Brandstifter in Politik und Medien zu senden.

In den Redebeiträgen z.B. von KON-MED oder des Tribunal ‚NSU-Komplex-auflösen‘ wurden klare Verbindungslinien vom Rechtsterrorismus zum tagtäglichen Rassismus und dem Rechtsruck der letzten Jahre gezogen. Alle waren sich einig: Solche Taten fallen nicht vom Himmel.

Unser Redebeitrag:

Gestern Abend wurden in Hanau bei Frankfurt am Main aus rassistischen Motiven neun Menschen in zwei Shisha Bars ermordet und sechs weitere verletzt. Wir stehen hier in Trauer und Solidarität mit den Angehörigen und Betroffenen dieses Anschlags. Wir stehen hier in Solidarität mit allen, denen solche Anschläge zeigen sollen: Ihr seid hier nicht willkommen.

Denn es sind eben nicht Alle mit solchen Anschlägen gemeint, wie es heute verschiedene PolitikerInnen sagten, sondern Menschen die nicht in ein bestimmtes rassistisches Bild passen.

Die Menschen in Hanau wurden von einem Rechtsterroristen erschossen, der seine Tat mit rassistischen Vernichtungsphantasien begründete. Dass bei solch klar rassistischen Motiven jetzt wieder Thesen von einem vermeintlich verwirrten Einzeltäter verbreitet werden, zeigt, dass das Problem des Rechten Terror in Deutschland immer noch nicht gesehen werden will, bzw. unter den Teppich gekehrt wird. Wenn der Attentäter jetzt offiziell als verwirrter Einzeltäter dargestellt wird, sollte der Staat erklären können, warum dieser mehrere Waffen legal besitzen konnte.

Auch die erneute Berichterstattung über die Morde als „fremdenfeindlich“ oder „gegen Ausländer gerichtet“ bedienen ein falsches Narrativ. Die Opfer sind keine Fremden. Sie sind Teil einer Gesellschaft, die sie viel zu oft zu anderen machen will und sie nicht schützt. Das richtige Wort heißt Rassismus!

Besonders ekelhaft war die vereinzelte Berichterstattung über Shisha-Morde oder die Vermutungen über das Motiv der Bandenkriminalität – eine Analogie zur rassistischen Wortwahl der „Dönermorde“ und den entwürdigenden polizeilichen Ermittlungen im Zusammenhang mit der Anschlagsserie des NSU.

Der NSU Komplex wurde immer noch nicht aufgeklärt, es kommen immer neue Verstrickungen mit dem Verfassungsschutz ans Licht. 2017 kam heraus, dass das sogenannte Hannibal Netzwerk, bestehend aus Polizisten, Bundeswehrsoldaten, Verfassungsschutzmitarbeitern und andern, auf einen Tag X hinarbeitete, für den sie die Massentötung politischer Gegner vorbereiteten. Vor etwa einem Jahr verschickte der sogenannte NSU 2.0 aus den Reihen der Frankfurter Polizei Morddrohungen an die Anwältin Seda Başay-Yıldız. Vor einem halben Jahr wurde Walter Lübke, auch in Hessen, von einem Rechtsterroristen ermordet. Im Juli 2019 wurde in Wächtersbach – ebenfalls in Hessen – aus einem Auto heraus aus rassistischen Motiven auf einen Eritreer geschossen.‬ Ende 2019 verübte ein Rechtsterrorist in Halle einen antisemitischen und rassistischen Anschlag bei dem zwei Menschen starben. Die Liste könnte weiter geführt werden. Als vor ein paar Tagen die rechte Terrorzelle aufflog, die koordiniert deutschlandweit Moscheen angreifen wollte, war kein großer Aufschrei in Deutschland zu vernehmen. Wo bleibt der Skandal? Der Rechtsruck ist in Deutschland so normalisiert, dass solche Taten in den Medien keine großen Reaktionen hervorrufen.

Unsere Wut gilt denen, die seit Jahren den Nährboden für solche Taten bereiten. Die AfD hetzt als parlamentarischer Arm solcher Rechtsterroristen seit Jahren gegen Menschen aus Einwandererfamilien und hat den politischen Diskurs soweit nach Rechts verschoben, dass sich immer mehr ermutigt fühlen, der Hetze Taten folgen zu lassen. Dennoch werden Sie weiterhin hofiert und in Talkshows eingeladen, wo sie ihr rassistisches Gift versprühen können.

Die AfD ist aber nur die besonders widerliche Spitze dieses Rassismus, der Nährboden wird auch von der sogenannten bürgerlichen Mitte gelegt. Auch die jahrelange rassistische Kriminalisierung migrantischer Communities im Namen der „Bekämpfung der Clan-Kriminalität“ trägt dazu bei. Populistisch inszenierte Razzien gegen Shisha Bars, die klar die rassistische Grundstimmung befeuern und verschärfen, gehören mittlerweile zur Tagesordnung, auch in NRW. Gefunden wird dabei dann manchmal etwas unversteuerter Tabak; zur Inszenierung des Innenministers Reul als innenpolitisch harter Hund genügt es aber.

Medien wie Bild oder Spiegel-TV nehmen solche Razzien gerne zum Anlass gegen vermeintlich kriminelle AusländerInnen zu hetzen, und verschärfen die Stimmung so weiter.

Neben der AfD müssen auch die Parteien der bürgerlichen Mitte als das benannt und angegangen werden was sie sind: Rassistische Brandstifter.
Von ihnen ist mit ihrem immer wieder aufgewärmten Gerede über deutsche Leitkultur kein wirksamer Kampf gegen den Rechtsruck zu erwarten, der schreckliche Taten wie die gestrige normalisiert. Wie sich gerade besonders drastisch in Thüringen zeigt, ist die Hetze gegen MigrantInnen, People of Colour und Linke im Zweifelsfall das verbindende Element zwischen FaschistInnen und bürgerlicher Mitte. Ihre Phrasen der Solidarität sind Worthülsen.

Dieses Land hat ein massives, gefährliches Problem mit rechtem Terror. Verwandeln wir Angst und Trauer in Widerstand und lassen wir die Verantwortlichen mit ihrer Hetze nicht davon kommen!