Aufruf gegen die Neuauflage von „HoGeSa“ in Köln im Oktober 2015

Was tun wenns brennt Plakat

Plakat (gibts bald auch gedruckt)

Zwischen Januar und August 2015 wurde nahezu täglich in der BRD ein Anschlag auf ein Flüchtlingsheim verübt. „Pegida“ und „HoGeSa“ haben den Grundstein für die größte Welle rassistischer Gewalt seit der „Wiedervereinigung“ gelegt. Ende Oktober 2015 will HoGeSa zurück nach Köln kommen. Kommt nach Köln und verhindert den Aufmarsch. Die Verteidigung gegen den rechten Mob bedeutet den Angriff auf die Verhältnisse!

 

Was tun wenn’s brennt?!
Mit dem rassistischen Normalzustand brechen

Aufruf des Antifa AK Köln gegen die Neuauflage von „HoGeSa“ in Köln im Oktober 2015

Unterstützer_innen

Zwischen Januar und August 2015 wurde nahezu täglich in der Bundesrepublik Deutschland ein Anschlag auf ein Flüchtlingsheim verübt. Dieser Satz steht für sich allein. Es muss kein Aufruf mehr folgen, um zu handeln. Dieser Fakt ist eine Illustration der absoluten Notwendigkeit, die Zustände, die ihn hervorbringen, aufzuheben.
Die Bürgerkriege des Nahen Osten erzeugen Fluchtbewegungen, die Tausende das Leben kosten. Sie gehen auch auf geo-strategische Interventionen europäischer Staaten zurück.
Diese Kriege werden begleitet von der unerträglichen Einsicht, dass die ertrinkenden Flüchtlinge vor den Mörderbanden dieser Welt ihr nacktes Leben nur retten konnten, um woanders einen sinnlosen Tod zu sterben. Dies ist der alltägliche Wahnsinn eines Systems, das Armut und Krieg ebenso produziert wie Zahnbürsten. Dieser Aufruf entstand in einem Land, welches sich stets in einem Freudentaumel der Selbstvergewisserung befindet, wenn es dem Rest des Kontinentes, auch aufgrund des eigenen Imperialismus, abgrundtief dreckig geht. Gleichzeitig führen die angestiegenen Zahlen von Geflüchteten in den Zeitungen unausweichlich dazu, dass penibel gerechnet wird, um abzuprüfen, ob die Verdammten dieser Erde der nationalen Volkswirtschaft nicht zu sehr auf der Tasche liegen.

In den Staat des Kapitals können Waren jederzeit frei einreisen, Menschen brauchen Pässe und Visa. Es wird verlangt, Waren aus den entferntesten Winkeln der Welt direkt vor unsere Haustür zu liefern. Menschen, die einen jedoch unfassbar viel beschwerlicheren Weg hinter sich bringen müssen, schlägt keine Begrüßung entgegen. Im Gegenteil: Mob und Elite stehen Schulter an Schulter gegen die imaginierte „Einwanderung in unsere Sozialsysteme“.

Die Nächte sind kalt im Abendland

Der antimuslimische Rassismus der Deutsch-Nationalen ist nur der sichtbare Ausdruck einer Debatte, die den Kampf der Kulturen wie eine Realität behandelt, und eben nicht wie die Wahnvorstellung, die sie ist. Das Hirngespinst vom aufgeklärten Individuum, das mit natürlichem Recht die Welt und sich selbst beherrsche, brauchte schon immer das Zerrbild des Wilden, der sie von außen bedroht. Die Deutung des Islamismus als Ausdruck einer rückständigen Kultur ist das Verlogene, das sich selbst belogen hat. Sie erhält ihre Grundlagen aus der Ideologie der bürgerlichen Demokratien selbst, wird deshalb erzählt und von ihren Erzähler_innen geglaubt. Eine Kritik am Islamismus kann nur heißen, ihn auf seine materielle Basis, auf seine ideologische Gestalt und seinen Klassencharakter zu befragen, kurz: seine Wurzeln in der Gesellschafts- und Produktionsform zu untersuchen. Eine solche Kritik kann nur zu dem Schluss kommen, dass der Islamismus eine im höchst gefährlichen Sinne moderne Bewegung ist: Die Ablösung gescheiterter Befreiungsversuche im Nahen Osten, Teil einer Internationale der Reaktion (zu der auch Nazis und HoGeSa Hooligans gehören).

Der eindimensionale Mann

Im letzten Jahr hat unter den Freunden des Menschenhasses besonders das „HoGeSa“-Label von sich reden gemacht. Seit dessen Aufkommen machen nun wieder einmal Hooligans Jagd auf Menschen mit anderer Hautfarbe, statt mit anderer Vereinsfarbe. 5000 Menschenfeinde zogen im Oktober durch das vermeintlich bunte und weltoffene Köln und griffen alles an, was nicht in ihr Weltbild passt. Dieser Bund konnte sich bisher zum Glück nicht als Bewegung etablieren. Dies ist auch auf interne Streitigkeiten zurückzuführen. Dennoch haben gewalttätige Übergriffe von Nazis und anderen Rassist_innen seit dem Entstehen auch in Gegenden zugenommen, die bisher weitgehend davon verschont blieben – zum Beispiel in Köln.
„HoGeSa“ hat dem Gewaltfetisch der Männerbünde eine Möglichkeit gegeben zu ihrem wahren Potential zu finden. Was ohnehin rechtspolitisch aufgeladen war, äußert sich nun organisiert und offen als Solches. Von Verwertungszwang und Konkurrenz, von klein auf getrimmt zum stahlharten Kriegerideal, machen sie sich auf, um ihre heimische Suppe gegen das äußerliche Übel zu verteidigen, wenn die bürgerliche Gesellschaft ihnen keine genehme Vernutzungsposition mehr bieten kann. Nicht zufällig sagt ein gängiges, rassistisches Ressentiment, jene, die von außen kämen, nähmen „uns die Frauen weg“. In diesem in seiner Modernität archaischen Männerbild gehört die Frau ebenso zum Besitz wie Arbeitsstelle, Geld und Golf. Wenn eines davon fehlt, wird gegen die Feinde marschiert, die dieses Männerbild in der Phantasie derer, die es haben, bedrohen.

Die zivilen Vorarbeiter des Staates tun währenddessen ihr Möglichstes, um die Hooligans zu einem Randphänomen zu erklären, welches nichts mit der demokratisch geläuterten BRD zu tun habe. Bequem werden sie zu Versagern erklärt, die die Spielregeln halt nicht verstünden und sich deshalb nun mal nur prügeln könnten. HoGeSa trifft die Gesellschaft auch nicht so unvorhersehbar, wie es so oft behauptet wird: rassistische, nationalistische Formierungen sind ebenso wechselnde Konjunkturen, wie Aufschwungphasen und Rezessionen. Während die gewalttätigen Banden dieses Landes ihren Kampf im Jagen von Migrant_innen, Journalist_innen und Linken oder wahlweise in der Randale gegen Salafismus sehen, braucht die Mehrheit der deutschen Bevölkerung keinen Finger krumm zu machen. Die Grenzschutzbehörden und Frontex haben die rechten Menschenjäger und Brandstifter der 90er mit ihrem kalkulierten Massenmord auf dem Mittelmeer schon längst überflüssig gemacht. Die Gewaltausbrüche der Hooligans und die „Zivilisiertheit“ der Mehrheitsgesellschaft sind in der Gesamtheit der Zusammenschlüsse, die auf Wertverwertung und nicht auf Bedürfnisbefriedigung ausgerichtet ist, zwei Seiten derselben Münze.

Warum „OXI!“ sagen, wenn niemand zuhört?

Diese Dualität zeigt sich unter anderem, wenn die BRD sich aufmacht andere Länder zu „zivilisieren“, ob mit Panzern, oder – wie im aktuellen Fall Griechenlands – ökonomisch und politisch. Unter dem rassistischen Begleitgesang der deutschen Medien, die immer bereit waren der griechischen Bevölkerung Faulheit und der griechischen Regierung wahlweise Dummheit oder Hinterlist zu unterstellen, wurde der Einmarsch gegen soziale Sicherheit, staatliche Gesundheitssysteme und zuletzt offen gegen die bürgerliche, parlamentarische Selbstbestimmung Griechenlands vollzogen. Begleitet wurde dies von der Begeisterung des Durschnitts-Deutschen, der sich schon zu Zeiten des preußischen Königshauses stets mit dem Zahlmeister identifizierte. Dies schlug sich in beispielloser Zustimmung für Finanz-Feldmarschall Wolfgang Schäuble nieder und bewies einmal mehr, dass der Nationalismus die schwere Artillerie ist, die alle Berliner Mauern in den Grund schießt. Doch die illusorische Vereinigung der Menschen in Nationen bedeutet anderswo ihre vollendete Trennung: An den Mauern Europas sterben jedes Jahr mehr Menschen als an der einen, die der deutsche Nationalismus einriss. Die Festung Europa entspricht den Mauern in den Köpfen. Sie sind als siamesische Zwillinge miteinander verbunden, Kinder einer Gesellschaft, die die Aufteilung der Welt zu ihrer Produktion benötigt.

Springer auf dem Schachbrett der Herrschaft

Die gesammelte Medienlandschaft von „BILD“ bis „ZEIT“ halten gemeinsam dem_der besorgten Bürger_in den Taschenrechner, wenn der gemeine Deutsche sich fragt, ob er sich das Elend der anderen überhaupt leisten kann.
Währenddessen wird gestrickt an der Geschichte des geläuterten Deutschlands, das ein lockeres, offenes Verhältnis zu sich selbst, seiner Vergangenheit und dem Rest der Welt habe. Deutschland möchte seine Vergangenheit begraben und sich in die Reihe demokratischer Staaten einreihen. Doch es tut das anders, als es denkt: Der Rassismus der heutigen Prägung ist ein Produkt dieser Demokratie und nicht der NS-Volksgemeinschaft. In einer Gesellschaft, in der Individuen vom Kindesalter an um ihre Lebensgrundlagen konkurrieren müssen, werden Autoritätshörigkeit, Rassismus und Chauvinismus zur zweiten Natur. Während überall im Land die Heime brennen, halluziniert der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer vom „massenhaftem Asylmissbrauch“. Der von ihm zitierte Spruch, Deutschland sei nicht das Weltsozialamt, findet von SPD / CSU über die AfD bis hin zu Pegida, HoGeSa, Kameradschaften und anderen Widerlichkeiten breite Zustimmung. Die Weisheit, dass wer nicht arbeite, auch nicht einreisen solle, findet im deutschen Wohnzimmer ebenso seinen Platz wie Couch und Fernseher.

Willkommenskultur – Steine und Flaschen

Wenn der rassistische Wahn seine Phantasie nicht mehr im Internet ausleben kann, tritt er aus den Wohnzimmern der Kleinstädte, aus den Mietwohnungen wie auch den Einfamilienhäusern, hinaus auf die Straße. Heidenau, ein Dorf in der Nähe von Dresden, versucht sich seit einigen Tagen an einer Fortsetzung von Rostock Lichtenhagen. Ein beängstigend großer Teil der Bevölkerung ist sich einig, dass der eingebildeten Bedrohung mit realen Vernichtungsversuchen begegnet werden muss. In den Tagen seit dem 21.8.2015 unternimmt der Mob den Versuch, die Menschen, die vor den Kriegen und Krisen dieser Welt fliehen, mit mörderischer Gewalt abzuwehren. Dem rassistischen Angriff muss nun überall entschlossen entgegengetreten werden, damit es nicht bald viele Heidenaus in der Republik gibt.

Der Grad des Eifers und des Schreckens, mit denen der rassistische Normalzustand verteidigt wird, zeigt, wie weit die Dämmerung schon fortgeschritten ist. Es gibt tatsächlich einige Menschen, die Geflüchteten Hilfe leisten. Dieses Richtige wird in der wirklich verkehrten Gesellschaft jedoch ein Element des Falschen. Die aufrechten Wenigen tragen mit ihrem Wirken – mitunter ohne es zu wollen – mit dazu bei, dass das Märchen vom weltoffenen Deutschland stolz weitererzählt wird. Asylgegner_innen aller Art können darauf verweisen, dass nun wirklich genug getan werde. Dies auszusprechen ist kein Argument gegen die Hilfe, kein Bestreiten ihrer Existenz. Es ist aber ein umso entschiedenerer Aufruf zum Widerstand gegen das furchtbare Ganze, von dem auch sie nur ein kleiner Teil ist.

Die Verteidigung gegen den rechten Mob bedeutet den Angriff auf die Verhältnisse!

Der rassistische Normalzustand kann nicht beseitigt werden von diesem Staat und der sogenannten Zivilgesellschaft. Er kann nur beseitigt werden von einer Bewegung, die die Verhältnisse angeht, aus denen er erwächst und den jetzigen Zustand aufhebt. Diese „wirkliche Bewegung“ nennen wir Kommunismus.

Ende Oktober 2015 nach Köln: Für einen antinationalen Antirassismus!

  • Samstag, 24. Oktober: Antirassistische Demonstration
  • Sonntag, 25. Oktober: HoGeSa Aufmarsch verhindern

Antifa AK Köln (organisiert bei …umsGanze!), August 2015

Der Aufruf wird unterstützt von

Meldet euch bei antifa-ak-cologne@riseup.net wenn eure Gruppe den Aufruf unterzeichnen will.

[Stand: 02.10.2015]